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Ausgabe:

1974

Spalte:

213-217

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Quapp, Erwin H. U.

Titel/Untertitel:

Christus im Leben Schleiermachers 1974

Rezensent:

Peiter, Hermann

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Theologische Litcraturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 3

214

ovcr-nll considcration of ihe Reformation, politicnl aspccts
of tIm problcm ran not he ignoreil nor divorecd from theolo-
gical nspccls. In Iiis introductory essay, Wright indicates he
is not convinrcd of the wisdom and chances of success of
irenicist cndcnvors today, comnirnting that modern ecu-
inenists inny lenrn from Hm er. Hut the need lo restudy and
retrace the Steps leading to the religious disunity of Christen-
dom remains de rigueur, and Christians must look unew at
past answers that negnted unity efforts. The great value of
tliis vohmic, undert uken with sueh scholnrship and skill hy
Professor Wright, lies precminently there. 1t is one that
lihraries of Colleges, universities, and seminaries cannot
afford to bc without.

References:

llrufly, ThlMil A., "Jacob Sturm of Strasbourg and the Lulhrran»
«t Ihr Dirt of Augsburg, 1530", Chiirch llistory, 183-202, June 1973.

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Stephens, W. I*., The Itoly Spirit in the Theology of Mnrtin Bucer,
London, 1970.

Grand Rapid», Mich./USA M. Heyda

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Quapp, Krwin II. II.: Christus im I,cben Schleiermncherg.
Vom I lerrnhuter zum Spinozisten. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1972. 439 S. gr. 8° = Studien zur
Theologie und Geistesgeschichtc des Neunzehnten Jahrhunderls
, (i. Forschungsuntcrnchmcn der Fritz.-Thyssen-
Stiftung. Arbeitskreise Kvnng. Theologie u. Kalb. Theologie
. Lw. DM 62, — .

Quapps Werk ist auf drei Hiieher angelegt, von denen die
beiden ersten hier anzuzeigen sind. Der Titel int insofern
etwas weil gegriffen, als Quapp sieh nur mit dem Leben des
jungen Schlciermncher befaßt, f.luapp pflegt jeweils von dem
einzelnen Eniwirklungssland Schl.s einen Sprung zu den
erst 1799 entstandenen „Heden" zu machen, aus denen er
zusätzliche Helege für seine Thesen anführt und über deren
Entstehungsgeschichte er besser als W. Dilthey unterrichten

will (18f, 321 ff).

Der Titel von Quapps 1. Buch — „Schl.s Werden durch
Christus 1778—1787. Vom Herrnhuter zum Aufklärer" -
erweckt den Kindruck, als sei Schi, durch Christus ein
Aufklärer geworden; was indessen Quapp in dem jungen
Schi, reifen sieht, ist die Krkenntnis, daß das Individuum
durch ständiges Besser-Werden sieh zu vergöttern vermöge
(91). Wenn Sehl. 1794 über seine in dein Herrnhuter Seminar
in Harhy verbrachte Zeit sehrieb: „Wir jagten immernoch
vergeblich mich den übernatürlichen Gefühlen und dem, was
in der Sprache jener Gesellschaft der Umgang mit Jesu
hieß", erscheint Quapp die damit zum Ausdruck gebrachte
Distanz Schl.s zu seiner eigenen Vergangenheit so unfaßlich,
daß er Schi, durch die Fülle anderer Selbstzeugnissc widerlegt
sehen möchte (64, 93).

Schon im 1. Buch zeigt sieh, was sich auf die Interpretation
•'er „Reden" nicht sehr günstig auswirken kann, nändieh
Quapps mangelnde! Interesse, eine uneigentliehe, verfremdende
Medeweise als solche zu durchschauen. Quapp
wird einer ironischen Hedeweise schwerlich gerecht, wenn er
behauptet, folgendes Fpigramm sei unter den Dozenten in
"orby, die den Besuch der Stadtkirchc verboten hatten,
'honlogisch kritikfrei geblieben: „Aufmunterung zur Stadt-
klroh«, Lafl dennoch, Freund, uns in die Kirche gehn . . .
Hier zeigt uns mancher Seitenblick Des Schöpfers schönstes
Uciltentflek. Und hat der Lehrer den Beweis Der Gottheit
nicht wohl ausgeführet, So ttttl das Blümrhen, rot und weiß.

Das Klementinens Busen zieret" (71, 93, 24.r>). Viel zu direkt
schließt Quapp von der ironischen auf die eigentliche Aus-
■age: „Damit, ist das Gedieht ein Beleg für die Nähe des
Herrnhutertums zur revelatio universalis, denn daß das
.Blümchen rot und weiß' mit der Wortverkündigung in
bezug auf den .Beweis der Gottheit' (also die Offenbarung)
gleichwertig ist läßt keinen anderen Schluß zu" (71).

Dem „Dichter" (dem Studenten Schulzer), für den der
Grund, auf dem das Blümchen ruht, eine Offenbarung bringt
und weitere Fragen und Beweise erübrigt, braucht es m. E.
nicht um Sinnlichkeit zu gehen, wohl aber um unmittelbar
einleuchtende Evidenz (im Gegensatz zu lehrhafter, nicht
zu Bande kommender Deduktion). Wenn Schulzer eine
Universalität der revelatio bespötteln wollte — und daß er
spöttelt, leidet keinen Zweifel — hätte er entgegen seiner
Absicht weniger seine Herrnhuter Lehrer als seine eigene
Aufgeklärtheit bespöttelt, die dos schöne Geschlecht in die
Schönheit der Schöpfung durchaus mit einbezog. Nach
Quapp beweisen die „Reden", daß auch Schi, auf Grund der
Schönheit der Schöpfung analog den Schöpfer zu erkennen
meint (93f). „Nicht im Donner des Himmels noch in den
furchtbaren Wogen des Meeres sollt Ihr das allmächtige
Wesen erkennen, nicht im Schmelz der Blumen noch im
Glanz der Abendröte das Liebliche und Gütcvolle" — diesen
Satz (Reden '78) zitiert Quapp nicht.

Durch den Titel des 2., umfangreicheren Buches — „Christi
Werden durch Sehl. 1787-1796. Vom Aufklärer zum
Spinozisten" — will Quapp die Gewaltsamkeit des „schöpferischen
, seinen Gegenstand gleichsam erst erstellenden
Denkens" Schl.s wiedergeben (19.)

In dem Bruchstück „Über das höchste Gut", das wahrscheinlich
aus der Hallenser Studentenzeit (1787 — 89)
stammt, sieht Quapp einen Versuch, das Postulat Gott durch
den Begriff „höchstes Gut" zu ersetzen; der Gottesbegriff
werde aller Personalität entleert; es sei nur noch die Bede
von einer Sache; höchstes Gut sei — wie Schi, hier in der
Tat bestimmt — das, was durch die Totalität der Vernunftgesetze
möglich ist (300, 110, 116ff, 145, 319). Quapps
Kritik ist indessen der Boden entzogen, weil Schi, bereits
in diesem Bruchstück mit dem höchsten Out überhaupt
nicht Gott meint. Zwischen der ethischen und religiösen
(spektdativen) Verwendung des Begriffs „höchstes Gut"
besteht, wie Sehl, später erläutert, keinerlei Analogie
(Auswahl Braun 2I 455).

Ähnlich kritisch geht Quapp an die Drosscner (1789—90)
und die Schlobittencr (1790 — 93) Predigten heran. Wenn
Schi, zu bedenken gibt: „Vor uns selbst sollen wir uns
fürchten, vor uns selbst sollen wir zittern! und wo hätte
wohl auch der Mensch einen ärgeren Feind seiner Seligkeit
als sein eigenes Herz?", fragt Quapp nicht, ob dieser mit
sich selbst zerfallene Mensch den guten oder neutralen
Seclengrund hat, den Schi, ihm zugeschrieben haben soll
(149f, 61, 90f, 133f, 139). Statt dessen kommentiert Quapp:
„Da Gott nicht versöhnt ist durch das stellvertretende
Leiden seines Sohnes kann der Mensch kein ruhiges

Gewissen haben und muß daher ständig vor sich selbst
zittern!" (152, 128.) Quapp übersieht, daß es in Schl.s
Predigttext (Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und
Zittern, Phil 2, 12) nicht allein um ein ruhiges Gewissen
geht. Zudem meint Quapp auf S. 163 doch selbst: „Die
wahre Bestimmung des Menschen umschreibt Sehl, als das
höhere Glück, mit sich selbst übereinzustimmen."

Wenn Schi, in einer Predigt über 1 Thess 5,21 (Prüfet
alles, und das Gute behaltet) der Wahrheit der Schrift alle

Ni igunge i. d< r ieele zum Opfer gebracht und de,- Erreichung

des Zweckes, den ein gerader, unverfälschter Sinn, d. h. die
Vernunft, als den vornehmsten ansieht, alles übrige aufgeopfert
wissen will, folgert Quapp: „Da das Opfer Christi
auf Golgatha nicht anerkannt wird, muß der Mensch bei der
Erfüllung der Pflichten . . . .alles übrige aufopfern'" (151f).
„Alles" ist nicht in dem ausgedehnten Verständnis zu