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Ausgabe:

1974

Spalte:

209-211

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Conditt, Marion W.

Titel/Untertitel:

More acceptable than sacrifice 1974

Rezensent:

Rogge, Joachim

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deutlich zum Ausdruck gebracht hat, der aber nach der
Meinung des Vf.s „nie daran gedacht (hat), auch nur um
Haaresbreite vom Wege der katholischen Kirche abzurücken
" (79) — eine These, die nur um den Preis einer
ganzen Reihe von (v\ alt.samkeitcn und Widersprüchen in
der Kin/.elintcrprclalion durchgehalten werden kann. Allerdings
war, was den Sic},'der Reformation im Erzbistum Köln
verhindert bat, letzten Kndes noch etwas anderes als die
Taten oder Unterlassungen einzelner oder gar der (ieldrische
oder Schmalhaidisehe Krieg: es war . das Eigengewicht
und die Eigengeselzlichkeit des niederrheinischen Katholizismus
" (10!)). Das Much schließt: „Das rheinische Volk . . .
hielt all diesen liclastiingcn stand. Es blieb in seiner überwiegenden
Mehrheit katholisch, nicht wegen, sondern trotz
seiner Itischöfe" (111). Warum, bleibt unerklärt.

Eazil: Das Büchlein zeigt, wenn man genauer hinsieht, daß

auch unter heutigen katholischen Reformationshistorikern

dl! geprägten Kategorien und Vorstellungen, die entwickelt
wurden, als man Kontroverstheologie noch mit Vorliebe mit
den Mitteln det Kirchenhistorie betrieb, zum Teil nach wie
vor Verwendung finden können, zumal auf dem Gebiet der
Lnndcskirchcngcschichlc. Vielleicht gilt etwas Entsprechendes
auch da und dort in der evangelischen Kirchenhistorie?

Jedenfalls hinterläßt die Lektüre dieses Buches bei dem
kritischen Leser vor allem den Wunsch, es möchte sich doch
noch einmal ein souveräner, gründlicher und gelassener
Historiker des Themas annehmen.

GAtftngOfl Bernd Moeller

Condiii, Marion W.: More Acccplable thanSacrlBee. Ethics
nnd Election as Obedience to God's Will in the Theology
of Calvin. A Dissertation. Hasel: E. Reinhardt i. Komm.
1073. 157 S. 8" = Theologische Dissertationen, hrsg. v. Ho
llei.ke, X. Kart. DM 18,80.

Die anzuzeigende Arbeit lag 10G1 der Theologischen
Fakultät der Universität Hasel vor. Ilauptrefercnt war
Karl Harth. Die Tatsache, daß die „maschinenschriftlich
gedruckte" Studie erst relativ spät einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich wurde, mag zwar bedauert werden, stellt
aber nicht in jeder Hinsicht einen Mangel dar, weil der Vf.
an der konleinporänen Debatte in der Calvinforschung —
zumindest exprossis verhis — kaum teilnimmt. Das Sekun-
därliteralurverzeichnis enthält 15 Titel, deren Abfassungszeit
großenteils Jahrzehnte zurückliegt. (Z. B. werden die
einschlägigen Arbeiten von Ernst Troeltsch und Max Weber
aufgeführt.) Nun wäre eine Auseinandersetzung mit den
großen europäischen So/.ialelhikern des Protestantismus von
^soliderem Wert gewesen, vornehmlich unter dem Umstand,
daß der Autor presbylerianiseher Pfarrer in Texas/USA ist.
Aber mich diese Diskussion wird nicht geführt. Bedeutung
und Gewicht der Arbeit liegen vielmehr in einer sorgfältigen
Calvin-()uellenanalyse, die sub voce „obedience" im Horizont
der Thematik .Ethik und Erwählung' erfolgt.

Die Relevanz dieser Fragerichtung bedarf keiner Begründung
. Der Vf. kommt allerdings nicht zuerst von den
ethischen Neuansätzen in der Theologie unserer Zeit her.
Mit Tillich, Troeltsch, Weber wird auch von einer Andcrs-
hefragung Calvins her nicht gestritten. Conditt wendet sich
"i einer heutigentags seltenen methodischen Klarheit und
SpurtrCUa einem partiellen Calvinstudium zu, dessen Erlebnis
eine verläßliche Auskunft über im Grunde nur einen
liegriff ermöglicht. Was vorn Gehorsamsverständnis Calvins
her an theologischen Sachverhallen und im Zusammenhang
Christlicher Lebenspra xis alles thematisch wird, weiß der Vf.
">it Geschick und überzeugender Gliederung vorzustellen.
Kr untersucht fast ausschließlich die betreffenden Kapitel
»•* Inslilutio und der Kommentarwerkc des Genfer Reformators
. Er zitiert die seine Argumentation tragenden
Belegstellen fleißig aus dem Corpus Reformatorum, allcr-
''"'gs zumeist in englischer Übersetzung.

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Auf chronologische Specifica der Theologie Calvins, der
einzelnen Institutio-Ausgabcn, auf Calvins Abhängigkeiten
von der Tradition in den entscheidenden Termini nimmt
Conditt keine Rücksicht. Er spürt vielmehr dem vorliegenden
Befund gemäß eben Calvins besondere „connexio
verborum" (Luther) auf, und daraus lernt man eine Menge.

W ie Prädestination und ,,work ethics" (S. 5), Glaube und
Gehorsam, Heiligkeit und Gerechtigkeit (righteousness),
christlicher Glaubensgehorsam und allgemeine Wohlfahrt zu-
einander zu stehen kommen in der Sicht des Genfer Reformators
, das sucht Conditt zu erheben. Freiheit und
Mäßigung haben dabei genauso mit der Wirklichkeit des
(Glaubens-)Gehorsams zu tun wie etwa die genuin theologischen
Begriffe Geschöpfscin, Gesetz und Erwählung. Zur
ErlSuterung der Ethik Calvins stellt Conditt den Theologen
vor. Gehorsam ineint bei Calvin nicht die bedingungslose
Unterwerfung der Mensehen unter Kirche und Staat.
Offenbar wendet Conditt dem Soziologen Max Weber gegenüber
in Zusammenhang seiner weit erörterten These über die
Beziehungen zwischen protestantischer Ethik und dem Geist
des Kapitalismus ein, nicht genug auf den Theologen Calvin
gehOrt zu haben. Zu keiner Zeit — so interpretiert der Vf. den
Reformator — kann das Denken über Gott und das Denken
„ahout whal is good" (S. 5) voneinander separiert werden.
Freiheit, Erfüllung, Freude, Verantwortlichkeit sind nicht,
zu trennen von einem Gehorsam, der die beste Beschreibung
des Lebens eines Menschen ist, der weiß, auf wen dieser
Gehorsam seinen Bezug hat. Das ist die eutscheidende Lehre
Calvins für die Gegenwart, so daß ,Gehorsam' als Schlüsselbegriff
zum Verständnis des Reformators und unserer Zeit
in der Intention Conditts gelten dürfte. Wie um hier unbedingt
den Ton rein zu erhalten, hat der Vf. auf die Wiedergabe
aller Nebengeräusche verzichtet. Gehorsam im Lichte
ih r Erwählung Gottes will zuerst beachtet und nicht durch
Erörterungen im Rahmen ökonomisch-soziologischer Belange
beeinträchtigt sein.

Die Abhandlung ist in vier Abschnitte gegliedert. Der
Mensch ist geschaffen zum Gehorsam; das ist Gottes durch
sein Wort geoffenbarter Wille. Calvin geht nun aber uueh
der offenbaren Wirklichkeit nach, daß Ungehorsam und Unklarheit
über Gottes Vorsehung sowie eigene logische Spekulationen
(S. 27) die Menschen leiten. Er verweist darauf, daß
das Aufbegehren (rebellion) gegen Gottes Hatschluß die
vornehmlichste Form des Ungehorsams ist. Gottes Wille in
Gottes Gesetz, in Gottes Wort ist in dem ersten Kapitel
Calvins entscheidender Fragepunkt, wie Conditt betont. —
Diesen Gedanken führt Teil II fort. Gottes aller menschlichen
Rehellion vorauslaufender Versöhnungswille ist hier
das Stichwort. Gottes Treue geschah inmitten menschlichen
Ungehorsams (S. 31); als ihr Ausweis wurde Israel trotz
allem das Gesetz zum Bund gegeben. Unter und in diesem
Licht stehen künftig unvollkommener und vollkommener
Gehorsam. Statt sich der Befolgung des offenbaren Gotteswillens
zuzuwenden, nährt der Mensch fortgesetzt ,,,corrupt
desires, in which the mind enn quietly indulge' and seeks to
perpetuate bis own selfishness in an obedience which IS
satisfied with human success" (S. 37). In diese Situation des
Menschen vor Gott tritt Christus durch seinen Gehorsam bis
zum Tode ein und eröffnet der ganzen Welt die Tür zum
Leben (S. <i4). Im Lichte dieses Gehorsams sieht Gott die
Menschen als gerecht an. Conditt plaziert in diesem Zusammenhang
eine kurze Erörterung der Zwei-Naturen-
Lchrc.

Teil III, der ausführlichste von allen, unter der Überschrift
„Reunion" analysiert Calvins Aurfassung einer Teilnahme
des versöhnten Menschen an Christi Gehorsam, an seiner
Heiligkeit und Gerechtigkeit. Heiligung ist deshalb nicht
Sache menschlicher Aktivität und Hallung, sondern Sache
göttlicher Führung. Daß hier die Grundfrage christlicher
Ethik eine Antwort findet, bedarr keiner längeren Durchklärung
. Von hier aus werden Fragen der Nachahmung bzw.

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1974 Nr. 3