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Ausgabe:

1974

Spalte:

188-191

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Mussies, Gerard

Titel/Untertitel:

The morphology of koine Greek as used in the apocalypse of St. John 1974

Rezensent:

Bertram, Georg

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als ein wesenhaft zusammengehöriges Heilsgeschehen zusammen
; und darin nimmt Passion und Auferweckung eindeutig
die entscheidende Mitte ein: Gottes Tat hebt die
Tat der Menschen gegen seinen Messias auf. Das wohldurchdachte
Verhältnis zwischen Lukas-Evangelium und Apostelgeschichte
, das sich gerade in der Struktur der Actareden,
deren Mitte die im Evangelium bezeugte historia Jesu ist,
besonders deutlich zeigt, ist völlig verkannt, wenn die
Erhöhung Jesu für sich als das eigentliche, soteriologisch
allein entscheidende Ereignis der Heilsgeschichte herausgestellt
wird. Das gilt nicht einmal für den Hebriierbrief, in
dessen Konzeption die Erhöhung wohl am gravierendsten
die Mitte christlichen Glaubens bildet.

Vf. setzt sich in gewichtigen Punkten in Gegensatz zu
Einsprüchen gegen den von ihm mitvertretenen common
sense, wie sie besonders eindrucksvoll von J. Dupont in
seinem Aufsatz: Les discours missionnaires des Actes des
Apotres d'apres un ouvrage recent, RÜ Ü9 (1962) S. 37 — 60,
abgedr. in: Etudes sur les Actes des Apotres, Lectio divina
45, 1967, S. 133—145, vorgetragen worden sind. Daß Vf.
darauf nicht eingeht — Duponts Aufsatz findet sich nicht
einmal im Literaturverzeichnis —, ist ein spürbarer Mangel
des Buches, das zu einer Zeit erschienen ist, in der eine
erneuerte Rezeption der ,komposilionsgcschichtlichen' Interpretation
der Actareden ohne ausführliche Stellungnahme
zu jener Kritik eigentlich nicht angängig ist. Deren wichtigste
Punkte betreffen u. a. die Frage nach einer Ilcils-
bedeutung des Todes Jesu und die Frage, ob nicht nur
hinter einzelnen Topoi, sondern auch hinler der Konzeption
der Reden als Ganzen vorlukanische Tradition steht. Was
das erste betrifft, so legt Vf. überzeugend dar, daß — trotz
der Lk 22,19f und Act 20,28 übernommenen Sühnetod-
Tradition — der Passion Jesu bei Lukas keinerlei Heils-
bedeutung zukommt (zusammenfassend S. 119f.209.213);
insbesondere stammt der Titel nalQ ötov nicht aus Jes 53
(S. 125ff). Als ,Knecht Gottes' ist Jesus „ein von Gott
erwähltes Werkzeug, dessen er sich bedient zur Ausführung
seines auf die Menschen gerichteten Heilsplans" (S. 127);
und seine Passion ist der Gipfelpunkt seiner Bestreitung
durch die Juden — nicht mehr. Sie geschieht zwar als
Erfüllung des göttlichen Hcilsplans, aber dal Heil Gott«!
liegt in seiner Person; und indem Gott den Gekreuzigten
auferweckt hat, gründet in dieser Tat Gottes sowohl die
endgültige Realisierung des Heils als auch die Möglichkeit
der Heilsteilhabe für alle Menschen.

Ist darin Vf. durchaus zuzustimmen, so hat er leider dem
traditionsgeschichtlichen Problem nur im Detail, nicht im
Blick auf das Kerygma der Reden im ganzen seine Aufmerksamkeit
gewidmet. Er lehnt zwar mit Recht die von mir
vorgetragene Hypothese ab, Lukas habe das Schema der an
Juden gerichteten Predigten nach dem Vorbild des traditionellen
hellenistischen Kerygmas der an Heiden gerichteten
Predigten selbst gebildet. Doch ersetzt er diese Hypothese
nicht durch eine überzeugendere. Da er das wichtige Buch von
O. H. Steck, Israel und das gewaltsame Geschick der
Propheten (1967) nicht kennt, in dem fruchtbare Ansätze
zur Lösung dieses bislang unbewältigten Problems enthalten
sind — zu Act 7,52 fehlt S. 112f eine Bezugnahme auf Steck —,
ist Vf. dazu auch nicht in der Lage. Steck arbeitet einen
breiten jüdischen Traditionszusammenhang an Juden gerichteter
Bekehrungspredigt seit dem deuteronomistischen
Geschichtswerk heraus, dem er überzeugend auch die
Actareden zuordnet2.

Zur lukanischen Konzeption der Actareden trägt das Buch
also Wichtiges, wenn auch im allgemeinen nichts Neues bei.
Das traditionsgeschichtliche Problem dagegen wird nicht
weiter gefördert.

Hamburg Ulrich Wllckeni

'Unter den neuesten Arbeiten zum Thema fehlt in. W. lediglich
die Dissertation von L. M. Mundy: Tradition and Compositum in the

I8R

Speeche» o( the Early Chaptcr» o( Act». Kmory Universily Ph I) 1965
(Iteligion). University Microfilm», Michigan li>71.

■ Vgl. dazu die 3. Aufl. meiner Monographie über die Mi»sion»rcden
der Apo»tclgcschichtc.

Mussies, G.: The Morphologv of Koinc Greck as used in the
Apocalypse of St. John. A Study in Bilingualism. Leiden:
Brill 1971. XVI, 386 S., 1 Faltplan gr. 8° = Supplements
to Novum Testament um, cd. by W. C. van I Junik, XXVII.
Lw. DM 78,-.

Die wissenschaftliche Arbeit an einem aus alter Zeit überlieferten
Schriftwerk ist eine umfassende Aufgabe. So verlangt
auch das Verständnis der Offenbarung Johannes die
Beschäftigung mit vielen Problemen der Deutung, der Abfassung
, der Zeit der Entstehung und des Autors. Die letzte
Schrift des nt.liehen Kanons enthält Bilder, Symbole und
Rätselworte, die zahlreiche Versuche der Interpretation von
der Zeit ihrer Entstehung an bis auf den heutigen Tag
hervorgerufen haben. In der Einleitung des vorliegenden
Buches kommen zuerst Vorfragen sprachlich grammatischer
Art, der Formenlehre wie der syntaktischen Verbindung der
Worte. Weiter geht es um den Aufbau der Schrift, ihre
Einheitlichkeit sowie die Sach- und Zeilbezichungen der
Visionen. Die Feststellung der Kntstehungszcit führt auf
historische fragen der römischen Kaiserzeit. Die wichtigste
und zugleich am meisten umstrittene Frage scheint die nnch
der Identität des Autors, des Johannes von Patmos, mit dem
Apostel Johannes zu sein. Viele Einzclpruhlcmc sind behandelt
und zahlreiche Lösungsversuche unternommen
worden. Aber eine systematische Untersuchung und Darstellung
des Stils und der Sprache der Offenbarungsschrift
hat bisher gefehlt. Der großangelegte Versuch von B. IL
Charles (1913) und sein Kommentar (1920) vertreten die
Ansicht, daß die Scmitismen der Apk auf die Einwirkung
der Muttersprache des Autors zurückgehen und daß das
vierte Evangelium nicht von demselben Autor stammen
kann. Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse auf den Gebieten
der Morphologie wie der Syntax haben sich in den
folgenden 50 Jahren z. T. aufgrund neuer Entdeckungen
(Qumran) weiter entwickelt. So hat der Vf. des vorliegenden
Werkes sich das Ziel einer grundlegenden Untersuchung der
sprachlichen Gegebenheiten, und zwar zunächst der Morphologie
gestellt und dieses Ziel auch erreicht. Die syntaktischen
Probleme der Grammatik bleiben wegen des Umfangs der
FoTI&ealehN einer späteren eigenen Arbeit vorbehalten. Nur
gelegentlich werden Fragen der Syntax berührt, soweit sich
das für bestimmte Probleme der Formenlehre empfiehlt. Die
vorliegende Darstellung der Morphologie umfaßt nach
Möglichkeit das Gebiet der Koine in ihrer Entfaltung bis zum
4. Jahrhundert. Die Übersicht über die Gesamtheit der
sprachlichen Erscheinungsformen ermöglicht es auch, den
Sprachcharakter der Apk richtig zu beurteilen, darzustellen
und einzuordnen. Denn diese Schrift ist eine eigenartig*
sprachliche Erscheinung auf dem Boden der Koine als eines
weithin kolonialen Idioms. Solche fremden Einflüsse sind
auch in der LXX und im NT zu spüren, die als die wichtigsten
Quellenschriften verwandter Art am meisten herangezogen
werden. Wie die Beispiele zeigen, werden die sprachlichen
Belege daneben auch aus dem klassischen Griechisch
und aus der gesamten Koine herangezogen. Ein umfangreiches
Register macht genaue Angaben über das Slcllcn-
material der griechischen Bibel und der ihr verwandten
Schriften (voran der Apk), dazu des atiüerbiblischen Schrifttums
von Homer und Hesiod bis zu den Inschriften und
Papyri und der byzantinischen Literatur. Di«! Einführung
bietet in ihrem zweiten Teil eine knappe, lehrreiche For-
schtingsgeschichte, ilie sich mit Stil und Sprache der Apk
befaßt hat. Sie beginnt mit Dionysius, «lern Bischof von
Alexandrien (3. Jh.) und stellt die Gelehrten heraus, die sich
mit dem lluch der Offh und seinen wissenschaftlichen und

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. .'!