Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Spalte:

156-158

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schnell, Ursula

Titel/Untertitel:

Das Verhältnis von Amt und Gemeinde im neueren Katholizismus 1973

Rezensent:

Schnell, Ursula

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

155

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 2

Realisiert man nun diese vom UT insistierte Aufnahme-
weise, dann wird aus den eben genannten Vorstellungen etwas
weiteres ersichtlich, offenbart sieh in ihnen also ein weiterer
Sinngehalt, der durch die sprachlichen Vorstellungen
sinnlich faßbar und anschaulich wird (vgl. z. B. Lk 1,7, wo
die Vorstellung ,Kinderlosigkeit' den zusätzlichen Sinngehalt
,Strafe Gottes' wahrnehmbar macht). Und: Auf der Basis
dieser mitwahrnehmbaren Sinngehalte erweisen sich sowohl
die einfachen als auch die komplexen Vorstellungsdetails zu
einem Sinnzusammenhang koordiniert.

Für den UT muß demnach hinsichtlich seiner Vcrwen-
dungsweise von Sprache festgestellt werden, daß er darin der
Dichtung gleicht, fm Hinblick auf den Umgang mit einem
derartigen Text ergibt, sich daraus zunächst, prinzipiell «lies:
nicht bei den Vorstellungen als der illustrierenden Zwischenschicht
stehenzubleiben. Vielmehr kommt es darauf an, nach
dem zu fragen, was durch sie ersichtlich und wahrnehmbar
gemacht werden sollte.

Nach «lieser prinzipiellen Peststellung zur I. E. wird in «ler
Arbeit dann auf einzelne Merkmale am UT in seiner I. E. eingegangen
, Ii ml dies«' werden genauer erlaßt, /.«mächst stellte
sich angesichts des vorangehenden Resultats besonders dringlich
die frage nach «ler Bedeutung und der Funktion der
sprachlichen Vorstellungen gegenüber dem Sinngehalt, den
■ie sichtbar werden lassen. Diese Funktion der Vorstellungen
ist einmal dadurch gekennzeichnet, daß sie in einer Weise finden
Sinngehalt einen Dienst leisten, der drin modus trac-
tiniili der Chria entspricht. I). h.: Die Sinngehalte, die als
solche abstrakt-infinit sind, werden konkretisiert, also: sie
werden in konkret-finites Vorstellungsgut eingekleidet, wodurch
sie näher bestimmt (z. B. autorisiert) werden.

Nun vermitteln aber die Vorstellungen von den durch sie
wahrnehmbar gemachten Sinngehalten aueb jeweils eine bestimmte
Anschauung, wodurch jene eben vorstellbar werden
. Als solche Anschauungen von Sinngehalten sind die Vorstellungen
vordem Hintergrund von Kants Unterscheidung
zw ischen ,si beinatischer und symbolischer Versiinilichung'
bestimmt worden. Von hier aus sind die im UT verwendeten
Vorstellungen als Veranschaulichung der Sinngehalte in
praktischer Funktion zu bezeichnen; d. h.: zwischen Vorstellungen
und Sinngehalten besteht eine Analogie nur in der
Art und Weise, über beide zu reflektieren. Die Vorstellungen
sind also Regeln der Reflexion, die eine von Symbolen entnommene
Anschauung auf die Sinngehalt«: übertragen und
somit den Zugang zu etwas ermöglichen, was anders nicht
nachvollziehbar ist.

Die Vorstellungen haben also gegenüber dem Sinngehalt
eine gewichtige Bedeutung. Sie dürfen keinesfalls zugunsten
der Sinngehalte übergangen werden; denn: Vorstellungen
und Sinngehalte bedingen einander.

Als weiteres Merkmal fiel bei der Darbictungsweise lies
Sinngehaltes als dem AhhaniUungsgegenstand des UTs auf,
daß er nicht als (IIaubensaussage ausdrücklich gekennzeichnet
ist. Vielmehr wird hier ein Glaubensinhalt in der Form
einer Seinstntsache dargeboten. Statt argumentierender Darbietung
mit der Absicht, den Leser als Entscheidunggfäller
anzusprechen, wird «lie theologische Textaussage vor dem
passiv betrachtenden Leser entfaltet. Dieses Verfahren isi
von dem Anliegen bestimmt, den Textgegenstand für seine
Aneignung durch den Leser qualitativ und da ml i auch quantitativ
zu vereinfachen: An Stelle abstrakter Aussagen stehen
bctrachtbnre Bilder, statt diskursiven Nach-Denkens ist vom
Leser ein intuitives Aufnehmen gefordert. Dieser Sachverhalt
bekommt bei der Eigenart des Textgegenstandes ganz
besonderes Gewicht; denn dieser ist als geistiges Gut nur in
dem Maße hcilculsnm und relevant, als er QachvollzOgen und
angeeignet, wird.

Besonders kennzeichnend war am UT inn h das Ordnungsprinzip
hei der Abhandlung di's Textgegenstandes: Dieses
entspricht «ler Topik als der Technik des l'roblemdcnkens
und besteht in der Konsequenz, mit der der Textgegenstand
dargeboten wird. Gleich topischen Aspektekatalogen bieten

die einzelnen Darstellungsdetails jeweils einzelne Aspekte
zum Gegenstand, der auf diese Weise in den Blick kommt.
Von der Topik her sind ebenfalls die weitgehenden Übereinstimmungen
erklärbar, die sowohl innerhalb der lk. Vorgeschichte
als auch gegenüber all. Vergleichsstellen festzustellen
sind.

Abschließend w urde als das Beden I sa nie a in UT als litera-
rischem Gebilde dies fixiert, daß hier ein Sinngehalt als geistiges
Gut objektiviert und damit in eine den geistigen Akt
überdauernde Form gebracht wird. Ein sonst nicht faßbarer
geistiger Inhalt wird durch den UT vergegenständlicht, womit
ihm eine besondere geschichtliche Seinsweisc verliehen
ist. Der geistige Inhalt ist damit auch anderen Menschen als
nur dem Autor konfrontiert. Durch die besondere Weise des

Objektivierens, nämlich in bildhaft-anschaulicher Form, ist
zudem die ebengenannte Konfrontation ganz besonders intensiviert
. Mit dem Erkennen dieser Seins weife des UTs als
Objcktivation geistiger Inhalte ergibt sieb für dessen sachgerechte
Betrachtung: Er gehört in den Bereich der vielfältigen
Objeklivationen geistigen Gutes hinein, zu denen er in
Konkurrenz tritt. Die Interpretation des UTs ist deshalb gehalten
, nach den mit Ihm konvergierenden bzw. konkurrierenden
Vergleichsphänomcnen zu fragen, innerhalb dessen er
seine besondere Bedeutung zu erweisen hat.

Die Untersuchung erbrachte einige gewichtige Merkmals
der 1. E. eines theologischen Textes. Die Ausschöpfung der
sich nahelegenden Konsequenzen sowie weitere präzisierende
Fragen (z. B. nach der speziellen Funktion des UTs in seiner
formalen Seinsweise) mußten im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert
werden.

Schnell, Ursula: Das Verhältnis von Amt und Gemeinde im
neueren Katholizismus. Eine kontroverslhi-ologische Untersuchung
. Diss. Heidelberg 1970. 28'« n. XXX S.
Die Arbeit untersucht die Verhältnisbestimmung von Am1
und Gemeinde. Hier hat im Laufe der Kir« hengeschichle ei»
Wandel stattgefunden; 'las wurde für die Epochen des Tri-
«huitinum bis zur Gegenwart aufgezeigt in den verschiedene»
katholisch-theologischen Disziplinen (Exegese, Dogmatil'.
Moraltheologie, Kirchenrecht, Katechelik, Pastoral, Litur-

Wurde in der Zeil vom Triilentinum bis ca 1917 fast durchgängig
«las Amt betont und das allgemeine l'rieslert um ab"
gewertet (Ausnahmen finden sich in den Laienbcwegungc»
des 19. und 20. .lahrhunilerts und bei Mühler), so ändert*
sich die Situation nach dem 1. Weltkrieg: ausgehend vo»
einer Ekklesiologie, die alle Gläubigen, nicht nur die Kleriker
umfaßt, wurde von mehreren Theologen an erster Stelle dw
Gleichheit «ler Gläubigen und erst dann der Unterschied, bedingt
durch «lie Weihe, herausgestellt; neben Arbeiten vo»
Cerfaux, Wikenhauser, LubaC, Ratzinger, Arnold, Bösscr u»1'
anderen war vor allein bedeutend das Werk von Y. (oiig»r
„.Talons pour unc Ideologie du Iaicat" von 1953; er versteh1
Kirche unter dem doppelten Aspekt von Struktur und Leben
, Institution und congregatio fidelium, was JHeran h»'
und Laien entspricht; demzufolge haben aueb die Laien an)
prophetischen, priesterlichen, königlichen Amt Christi teil-

Diese Gedanken nahm das Zweite Vatikanische Konz"
(1962—1965) auf; besonders in der Constitutio «loginaliC
„Lumen gentium" wird einerseits die Gleichheit aller Gl»»'
bigen, das allgemeine Priestertum, andererseits aber and1
ein Unterschied hinsichtlich der Funktion und des W«'SC»S
lies Amtes, begründet durch die Weihe, herausgestellt.

Danach setzte sich das Bingen um das Verhältnis von An1*
und Gemeinde fort. An praktisch durchgeführten Reform6'
sind die Errichtung von Pfarrgemeinderäten (entspreche»1'
den evangelischen Kirchenällesten), die stärkere Beleiligu»!-
von Laien am Gottesdienst zu nennen. — In «ler theolog1'
sehen Debatte nehmen manche 'Theologen die Linie des 2. »»'
tikanum auf (Küng. Batzinger, Rahner, Schill« bceck*>