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Ausgabe: | 1973 |
Spalte: | 152-154 |
Kategorie: | Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Rogness, Michael |
Titel/Untertitel: | The church nobody knows 1973 |
Rezensent: | Krusche, Günter |
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Theologische Litcraturzeitung 98. .lahrgang 197H Nr. 2
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MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE
Aring, Paul Gerhard: Kirche als Ereignis. Ein Beitrag zur
Neuorientierung der Missionstheologie. Neukirchen-Vluyn :
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins [1971]. 155 S.
8°. Kart. DM 15,-.
Seit den sechziger Jahren ist die Missio Dei ein zentraler
Begriff der missionstheologischen Diskussion. Die westeuropaische
Arbeitsgruppe der bekannten ökumenischen Studienarbeit
über die Strukturen einer missionarischen Gemeinde
hat ihn nicht nur häufig verwendet, sondern auch durch verschiedene
ihrer Arbeiten definitoriseh umrissen. Er gehört in
den Rahmen der holländischen sogenannten ,,Apostohits-"
Theologie, die die Mission konsequent als die Mission Gottes
versteht und die Kirche ausschließlich als eine von der Missio
Dei abgeleitete Funktion beschreibt. Es ist sicher berechtigt,
Hans Hoekendijk als einen Kronzeugen für diese theologische
Betrachtungsweise anzusehen. Er und seine Freunde haben
aber nie eine systematische Konzeption der Missio-Dei-Theo-
logie vorgelegt. Paul Gerhard Aring versucht es. Sein Buch
ist eine verkürzte Fassung der Dissertation, die er der Come-
nius-Fakultät in Prag für das Fach Praktische Theologie
1969 vorgelegt hat. In der hier zu behandelnden Form ist es
u.E. in mehrfacher Hinsicht eingewagtes Unternehmen, aber
eben gerade dadurch interessant, zumal sich der Verfasser
der Gefahren dieser Aufgabe bewußt zu sein scheint.
Missio Dei ist ein antithetischer und Oberhöhender Begriff.
Jeder Versuch, seiner habhaft ZU weiden, ist schwierig, bei
systematischen Abhandlungen ebenso wie bei dem Bemühen,
kirchliche Arbeit unter diesem Zeichen zu konstruieren. So
bleibt die Monographie Arings am Ende auch mehr bei Fragen
, Appellen und Kritiken stehen, als daß sie Wege weist.
Das ist vielleicht kein Sehade. Im Gegenteil: Wir können
nicht sensibel genug sein gegenüber der stets gegenwärtigen
Versuchung, institutsegoistisch, d. h. ekklesiozentrisch oder
klcrikalistisch zu denken. Das soll es ja eben auch bei Mis-
sionsorganisalionen geben und ist bei den „Integrationsge-
sprächen" zum Thema Mission und Kirche in der DDR nicht
minder festzustellen. Trotzdem — auch das Aringsche Werk
endet mit dem Kapitel „missio ecclesiae". Auch wenn in diesem
Kapitel nur vom „Ereignis Kirche" gesprochen wird —
ist der Titel nach allem, was vorher gesagt wurde, noch gerechtfertigt
?
Auch im Blick auf die Form der Arbeit wird die Problematik
sichtbar, die dem Missio-Dei-Gedanken innewohnt. Oh es
nur an der Verkürzung liegt, die bei der Übertragung der
Dissertation vorgenommen werden mußte? Jedenfalls fällt
die flüssige, oft ins Journalistische übergehende Sprache auf.
An vielen Stellen wird mit Pauschalurteilen gearbeitet, deren
Argumentationskraft dem Leser nicht auf Anhieb einleuchtet
. Aber wahrscheinlich muß man hier eine gewisse
Unsicherheit in Kauf nehmen. Über Missio Dei kann man nur
wie der Verfasser engagiert, und parteiisch reden. Das scheint
jedenfalls die Stärke des Buches zu sein, gleichzeitig aber natürlich
auch seine Grenze.
Von den Beispielen, die diese Beobachtung belegen können,
seien nur einige genannt. Der Versuch, die Ketzergeschichte
für eine Missionsgeschichtsschreibung unter dem Gesichtspunkt
der Missio Dei fruc htbar zu machen (S. 144ff.), ist
sieher sehr beachtlich. Er wird von Aring aber nur sehr ansatzweise
durchgeführt. Darum bleibt die Frage übrig, ob die
Ausgangsposition richtig ist: In der Ketzergeschichte kommt
die Missio Dei mehr zum Tragen als in der üblichen kirchenzentrierten
Art, die Geschichte zu betrachten. Die Unsicher-
heil gegenüber der Argumentationsweise wird hier übrigens
noch verstärkt durch die Tatsache, daß der Verfasser vorwiegend
mit Sekundärliteratur arbeitet und wenig auf die Quellen
verweist.
Oder: Niemand wird behaupten, daß Uppsala eine mis-
sionstheologische Wende war (siehe S. 71 fF.)- Warum aber
erwartet man es dann überhaupt? Das kann man doch nur,
wenn man eine Vollversammlung mit einer Fachtagung verwechselt
. Man wird bei einer Arbeil zur- Neuorientierung der
Missionstheologie nicht an einer solchen Konferenz vorbei-
gehen können. Aber ihre Einordnung müßte anders erfolgen.
Übrigens ist es verwunderlich, daß auch hier wieder sein- wenig
auf die Diskussionen in Uppsala seihst eingegangen wird.
W enn dem Verfasser die Quellen dazu noch nicht zur Verfügung
stande n, als er die Arbeit schrieb, hätte bei der Überarbeitung
später sicher Gelegenheit bestanden, den Bedarf
nachzuholen, oder man hatte vermerken müssen, warum man
dara u f verzichtet.
Oder: \ te ist es mit der ., Dialog- Frcnd igkeit" unserer /eil
(S. 144) ? Slimuil die Analyse, die das Ruch durchzieht : Pluralismus
? Offenheit ? Dialog-Freudigkeit ? Überwindung der
-Ismen.' Könnte man nicht ebenso mit genau umgekehrtem
Vorzeichen analysieren? Und wie wäre es dann mit der Missio
Dei? Hat sieb der Verfasser diese Fragen überhaupt gestellt
?
Eins ist sicher: Über die Missio Dei Kann man nur reden,
indem man der Situation und dem Heute höchste hermeneu*
tische Relevanz einräumt. Damit gehört sie In den Bereich
prophetischer Sprache und hat hier ihren theologischen Ort.
Manches entzieht sieh dabei der logischen Nachprüfung, und
das hat seine Oefabren. Oh sieb z. Ii. der Verfasser der Gefahr
der (deologisierung des Missio-Dei-Gedankens bewußt
war, möchte der Rezensent wenigstens im Blick auf Kapitel 9
vorsichtig anfragen. Aber das hindert ihn nicht daran, das
Ruch aufs wärmste zur Lektüre zu empfehlen. Denn es gibt
Anstöße und setzt Lichter auf, die im Rück auf die Gestaltung
kirchlichen Lebens im Zeitalter der wissenschaftlich*
technischen Revolution von großem Belang sind.
Merlin JohnnnrK Althuuscn
Rogness, Michael: The Clmrch Nobody Kuows. The Shaping
of the Future Church, Minneapolis, Mino.: Augsburg
Publishing House [1971]. 126 S. 8°. $ 2,75.
Im Gegensatz zu manch anderem Reitrag zum Thema
„Kirche der Zukunft", das uns von jenseits des Atlantik erreichte
, entwirft der Vf., jetzt Pfarrer einer lutherischen Gemeinde
in den USA, nicht eine prophetische Vision am Himmel
der Zukunft, sondern versucht, einen Weg zu zeigen, der
aus dem Dilemma der ökumenischen Bewegung in der (legenwart
herausführt und Aporien überwindet. Dabei gelingt 1
ihm, in einer Art. Extrapolation weiterführende Elemente für
die ökumenische Bewegung zu ermitteln. Für R. fällt, die
Frage nach der zukünftigen Kirche mit der nach der eine»
Kirche zusammen. Von diesem Ansatz aus entgeht er der
weitverbreiteten Gefahr, die Dynamik des technischen, wis-
senschaftlichen und kulturellen Fortschritts und die Dynft'
mik der ökumenisc hen Bewegung unkritisch incinszusetzen,
so als brauche man sich nur dem Lauf der Dinge anzuvertrauen
, um Einbeil und Zukunft der Kirche zu gewinnen.
Doch nicht auf dem Wege der Evolution, sondern in gehorsamer
Wahrnehmung gegebener Möglichkeiten wird die zu-
künftige eine Kirche Gestalt annehmen, eine Gestalt, die
noch keiner kennt („nobody knows") außer Gottes Gel»*
(17), der „Architekt und Baumeister" der Kirche des Jahr«*
2000 (211). Auf dieser pneumatologischen Basis gewinnt dcf
Vf. die Freiheit ZU kritischer Würdigung des bisherigen W»"
ges der ökumenischen Bewegung wie zu behutsamen und
doch weiterführenden Prognosen.
Die Welt befindet sieb in Aufruhr (tUTmoil), und die Kirch«
ist mitten darin (The Changing Church). Der Wandel ringsum
macht alte Positionen fraglich und entlarvt, viele von ihn**
als Vorurteile. Die Kirche ist im Begriff, zu einer Mindern«»*
in der Welt zu werden. Die Effektivität ihrer Mission wi rd 1»
einer globalen Gesellschaft durch ihre Zerrissenheit rncl'r
denn je in Frage gestellt.. Die ökumenische Bewegung ist def
Wunsch, den Geist der Kirche des Neuen Testaments wiedel"
Zugewinnen, „which was one church despite its diverse e'e'