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Ausgabe:

1973

Spalte:

147-150

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Autor/Hrsg.:

Schütz, Robert

Titel/Untertitel:

Psychoanalyse und christlicher Glaube 1973

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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ses Abschnitts, wo noch einmal die Umwelteinflüsse betont
werden und es zu der Folgerung kommt: „Ccs images et ces
expressions peuvent donc etre modifiees suivant le genie et la
sensibilite d'autres temps et d'autres peuples. üictes par des
circonstances bien concretes, lc choix et l'interpretation des
textes bibliques eux-memes devraient etre revises cn fonetion
des situations nouvelles, en tenant compte des acquis de
l'ex6gese moderne et en ayant en vue l'edification du peuple
de Dieu. Cette remise en oeuvre est particulicrement neees-
saire pour lesßglises d'A frique et d'Asie. Nous devonsconfron-
ler scientifiquement le message chrelien et les traditions
religieuses de ces peuples" (263/264). Man möchte wünschen,
daß der Vf. sich entschließen könnte,auf der soliden Grundlage
seiner Dissertation die von ihm gesichtete Gegenwartsaufgabe
zunächst für seine Glaubensbrüder in Afrika, nicht
zuletzt auf Grund seiner gewiß intimen Kenntnis afrikanischer
Geschichte und Kultur, in Angriff zu nehmen.

Greifswald William Nagel

Cuneen, Sally: Women and the Liturgy: The Prcsent Paradox
(The American Ecclesiastical Review 165, 1971 S.
167-174).

Krosnicki, Thomas A.: The Christmas Cycle in the Roman
Missal of Paul VI (The American Ecclesiastical Review 165,
1971 S. 271-281).

McManus, Frederick R.: Holy Weck 1971 (The American
Ecclesiastical Review 164, 1971 S. 25-41. 120-136).

PSYCHOLOGIE UND
RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Preuß, Hans G.: Illusion und Wirklichkeil. An den Grenzen
von Religion und Psychoanalyse. Stuttgart: Klett [1971].
201 S. 8°. Kart. DM 19.50.
Schütz, Robert: Psychoanalyse und christlicher Glaube. Eine
Begegnung mit der Tiehuipsychologie. Stuttgart: Calwer
Verlag; Stuttgart: KBW Verlag [1971]. 150 S. 8°. DM9,80.
Das Gespräch zwischen Theologen und Tiefenpsychologen
durchläuft seit den Tagen Oskar Pfisters immer neue Etappen
. Nachdem lange Zeit die Schule C. G. Jungs im Mittelpunkt
der Diskussion gestanden hatte, weil ihre religionsfreundliche
Position den Theologen nahe lag, und daneben
vielleicht noch die „Umwertung der Psychoanalyse" (Daim)
in der sog. Wiener Schule um l'Vankl, Caruso und Daim,
ist mit dem bahnbrechenden Buch von J. Scharfenberg über
Sigmund Freud und seine Religionskritik (1968) die eigentliche
Psychoanalyse wieder der I lau ptgcsprürhspnrl ucr geworden
. Beispiele dafür sind die beiden hier anzuzeigenden
Bücher.

Preuß, Mediziner und Psychoanalytiker mit eigener Klinik
in der Nähe von München, der u. a. bereits durch Veröffentlichungen
über Gruppenpsychotherapie hervorgetreten ist,
will „die vielfachen Beziehungen zwischen Psychotherapie
und Religion durch die Jahrhunderte verfolgen" (14) und den
Nachweis führen, „dal.! Religion und Psychoanalyse keineswegs
identisch sind mit Illusion und Wirklichkeit'' (175), wie
es bei Freud der Fall gewesen sein dürfte,

Nach einem kurzen Eingangskapilel, das sich mit dem Begriff
der Seele und der seelischen Heilung befaßt, gibt P. im
2. und 3. Kapitel einen umfassenden gcislesgeschichtlichen
Überblick über das Verhältnis von Magic und Religion bzw.
Wissenschaft und Psychoanalyse. Seine These gellt, dahin,
daß die Magie ..als die früheste Form der Welt.bewälligung"
(26) zugleich die Wurzel der Religion und der Wissenschaft
sei, und zwar insbesondere in der Verbindung von priesler-
lichem und ärztlichem Handeln. Der Verzicht auf den ma
gischen Allmachtswunsch habe allmählich sowohl zur Knt-

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wicklung des religiösen llochglaubens wie zur rationalen Erkenntnis
und Beherrschung de r Welt durch die Wissenschaft
geführt. Beste magischen Denkens bestehen nach I'. auch in
der modernen Psychotherapie noch fort.

„Magie, Religion und Wissensehalt werden immer nur Versuche
des Menschen bleiben, die Angst aus seinem Dasein zu
eliminieren" (90) — mit diesem Satz leitet I'. zum . Kapitel
über, in dem er „Die Aspekte der Angst" behandelt, anfangend
bei Kierkegaard über Heidegger, Tillich bis hin zu T.
Riemann (Grundformen der Angst). Trends mechanistisch«

Angsttheorie wird abgelehnt; sein späterer Versuch, die
Angstbewältigung als Aufgabe der Ich-Analyse anzusehen,

wird bejaht und in dem folgenden 5. Kapitel („Die Wiederentdeckung
der moralischen Verantwortung") weitergeführt.
Nach der Kritik an Freuds psychischem Determinismus wird

die Position der heutigen [ch-Psychologie (z. Ii. Heinz Hart"
mann) geschildert, nach der „das Ich nun nicht mehr Spielball
äußerer, und vor allem innerer Mächte, sondern selbst

ein aktiver Gestalter seines Lebens ist" (123). Spätestens in

diesem Kapitel wäre zu erwarten gewesen, dal.! eine übet
Trend hinausweisende Psychoanalyse die soziale Dimension
• Iis Menschen in den Blick nimmt. Denn „Verantwortung'
kann doch nicht eine nur individuelle oder- gar nur metaphysische
Kategorie sein. P. schreibt zwar: „Wir haben den
Menschen vornehmlich als soziales Wesen seilen gelernt, dessen
tiefste... Seelenangst nicht erlebt wird im körperlichen
Schmerz..., sondern wenn er sieh als Person und Mensch
entfremdet, entehrt, schuldhaft und erniedrigt fühlt" (123)-
Aber konkret aufgewiesen wird dies gerade nicht! Wenn man
im Zitat das Wort „fühlt" durch „ist" ersetzte, käme man
auf wesentliche Ursachen der Neurose und ihres llnuplsym-
ptoms, der Angst. Die neurotische Fehlhaltung kann u. E.
nicht von den gesellschaftlichen Umständen isoliert betrachtet
werden, wie es hier geschehen ist, wo höchstens der zeitgenössische
Hintergrund ganz vage als angsterregend und
pathogen angedeutet wird. Auch die positive, ja therapeutische
Bedeutung sozialer Erscheinungen wie Familie, Beruf,
Gesellschaft und kirchlicher Institutionen müßte viel ausführlicher
zur Sprache kommen.

Im (i. Kapitel findet sieh die zentrale 'Themaiil< „Illusion
oder Glaube (Psychoanalyse und Religion)". Bei der ausführlichen
Darstellung der T'rcudschen Ueligionskritik slelll
P. fest: „Als naturwissenschaftliche Methode kann die Psychoanalyse
niemals den Ursprung und die- Bedeutung Gottes
für den Menschen erhellen" (127). Trotzdem versucht er,
einige psychodynamische Phänomene als Motive religiösen
Verhaltens einsichtig zu machen, weil eben der Psychoanalytiker
durch den Umgang mit seinen Patienten doeb immer
wieder auf die Fragen nach Sinn und Ursprung der Beligio"
gestoßen werde. Allerdings wirkt clas dazu Gesagte, kaum aufschlußreicher
als Freuds eigene Erklärungen. Jung, dessen
Standpunkt nur gestreift und z. T. auch verzeichnet wird
(z. Ii. was die- Bedeutung der Christusgestalt als Symbol ih'S
Seihst betrifft), kommt mit seinen Analysen u. E. dem Walen
der Beligion sehr vied näher. Immerhin ist die Einsicht«
daß es dem Psychoanalytiker „nicht möglich ist, der Religio"

clas zu rauben, was dem religiösen Menschen Lebensinhalt
ist" (150), auch schon bemerkenswert; aber das hätte man
längst wissen oder bei Jung lesen können.

Im letzten Kapitel erörtert P. „Wege zur Heilung (Psychotherapie
und Seelsorge)", und damit auch das viele!iskuIierte
Verhältnis von Arzt und Seelsorger. Im Erlaben des Vertrauens
und der Kommunikation mit dem Ziel der Angstbewältigung
haben seelsorgerliche und therapeutische Hilfe il"-
Gemeinsames; unterschiedlich ist ihre Aufgabe u. a. darin,
daß — hier schließt sich P. an Tillich an — der Arzt für 'l'1'
neurotische, der Seelsorger für die existentielle Angst kompetent
ist. Wie schon oben angedeutet, hallen wir die- /.n-
spitzung auf die ngstproblematik fcir eine psychoanaT/'
tische, letztlich dogmatische Einengung der Vielfalt denkbarer
Konflikte und Aufgaben in Psychotherapie und See''
sorge, so dominant auch in der heutigen Praxis die Angst att»'

Theologische Eileralurzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 2