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Ausgabe:

1973

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Stille weitergearbeitet wird" (218). Zu seiner Hoffnung, daß
in der Stille auch „die Praxis der Beichte immer mehr an Boden
gewinnt" (218), wird man leider einstweilen noch ein
Fragezeichen machen müssen. Doch hilft immerhin dal Studiendokument
dazu, diese Aufgabe nicht aus den Augen zu
verlieren, wenn es unter seine Empfehlungen an die Mitgliedskirchen
eine These wie die fünfte aufnimmt: „Besonderes
Gewicht ist auf die Erhaltung und Erneuerung der Ein-
zelbeichte zu legen. Die lutherischen Bekenntnisschriften haben
ausdrücklich an der Einzelbeichte festgehalten. Der

Mensch von heute sucht Menschen, bei denen er sieh aussprechen
kann, er konsultiert Arzte und Psychotherapeuten,
er ruft seine Schwierigkeiten und Verfehlungen in Literatur
und Kunst öffentlich hinaus, um eine Antwort, zu erhalten.
Die Kirche würde ihrem Auftrag ungetreu, wenn sie nicht die
Möglichkeit schüfe, daß Menschen ihre Sünden vor Menschen
bekennen und die Vergehung Gottes erhalten, Christus hat
den Aposteln den heiligen Geist verliehen, damit sie Boten
seiner Versöhnung sein können. Vornehmlich auch in der Kin-
zelbeichte soll solche Botschaft ausgerichtet werden,"

Jedenfalls sollte dieses gewichtige Zeugnis aus dem Welt-
luthertum jedem, dem es um Kirchenreform im Zentralen
geht, das vorliegende Buch zur „Pflichtlektüre" machen. Erneuerung
der Einzelbeichte kann nämlich „nicht allein von
der theologischen Arbeit, ja nicht einmal von ein/' Inen See]
sorgern ausgehen; sie muß das Werk der gesamten Kirche
sein, eine Frucht der ,Buße der Kirche' selber" (122). Dem
entspricht es, wenn diese „pastoraltheologische Dokumentation
" sich nicht etwa auf Wertung und Praxis der Einzelbeichte
im Luthertum konzentriert; in einer so wohl nur einem
Außenstehenden mögliehen Objektivität kommt das reformierte
„Pro et contra" (oder soll man hier umgekehrt sagen
?) gleichgewichtig zur Darstellung. Andererseits wird
auch gezeigt, wie nicht selten die Argumentation im einzelnen
ihr«! Anhänger und Gegner quer durch beide evangelischen
Konfessionen hat. Immerhin bedeutet es für den Bez. eine
beiläufige Frucht dieser Lektüre, daß an diesem konkreten
Gegenstand kirchlicher Praxis und theologischer Problematik
die verschiedenartige Grundhaltung eines lutherisch oder reformiert
geprägten theologischen Denkens wieder einmal offenkundig
wird, eine Tatsache, die auch bei «lein gegenwärtigen
Bemühen um eine Konkordie zwischen beiden evangelischen
Konfessionen nie außer Sicht bleiben sollte.

Erneuerung der Einzelbeichte ist nun nicht ein Ziel, das
erst in unserem Jh. in seiner Bedeutung entdeckt wäre. Auch
der Vf. weiß um das gleiche Bemühen großer Vertreter des
lutherischen Konfessionalismus im 19. Jh. Aber er urteilt
darüber: „Dieser Erneuerungsversuch versandete allerdings
sehr schnell, weil — das ist der entscheidende Grund neben
anderen — die gesamte Beichtbewegung, ihrer Zeit entsprechend
, biblisch und theologisch viel zu schwach fundiert und
orientiert war" (22). Darum stellt er den gleichen Bemühungen
heule die Prognose: „Wie sehr auch die zukünftige Entwicklung
der evangelischen Einzelbeichte im Dunkeln liegt,
eines dürfte feststehen: Ihr Schicksal hängt von ihrer theologischen
Fundierung ab" (219). Er unterläßt es demgemäß bei
der Behandlung der Einzelprobleme nie, energisch darauf hinzuweisen
, wo die an diesem Punkt vorliegenden Problematik
noch nicht gesichtet ist oder vertieft in Angriff genommen
werden muß. Insofern können von dieser Arbeit kräftige Impulse
für die theologischen Bemühungen um die l'.in/.elbehdile
ausgehen. „Werden jedoch all die Fragen und Probleme, die
die Erneuerung der ev. Einzelbeichte aufwirft, von den neuen
Erkenntnissen in der Theologie, vor allem von der Christo-
logie und Ekklesiologie her aufgearbeitet, so dürfte die Ein-
zelbeichte in der evangelischen Kirche wieder Heimatrecht
gewinnen" (219). Das bedeutet also: ein Bückgriff auf die
400jähr. evangelische Tradition reicht nicht aus; es geht hier
um eine Neuorientierung von Grund aus. Dabei werden auch
die Erkenntnishilfen und die Gefährdungen für eine evangelische
Beichtpraxis und -lehre, die von der Tiefenpsychologie
wie der Psychotherapie herkommen, nicht außer An-

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satz bleiben können. Ebenso wird die ab ovo der evangelischen
Beichtpraxis mitgegebene Auseinandersetzung mit der
katholischen Position, die ja heute auch neu bedacht wird,'
vorurteilslos aufgenommen werden müssen.

Das weite Feld, an dessen Darstellung der Vf. sich gewagt
hat, wird in acht, reich unterglieilertcn Kapiteln abgeschritten
. Kap. I gilt der Notwendigkeit und Bedeutung der Er-
neuerung der evangelischen Einzelbeichte; hier werden für
ihre Notwendigkeit die anthropologischen und die theologischen
Gründe, für ihre Bedeutung die Werlverluste aus dein
Beichtverfall wie die Wertgewinne aus der Beichtcrneueriing
aufgewiesen. Im II. Kap. geht, es um Wege, Hindernisse und
Gefahren bei der Erneuerung; für den letzten Punkt nur als
Beispiel: Gefahren für die evangelische Lehre, für den Beichtenden
, für und durch den Beichtiger. Das III. Kap. behandelt
«las Wesen der ev. Einzelbeichte in den drei Abschnitten:
Schlüsselgewall und Einzelbeichte, ihre statische und ihre
dynamische Wesensdefinilion, die letztere z. B. gegliedert in:
B. u. Gebet, B. u. Kreuz, B. u. neues Leben. Kap. I V gilt, dem
in Sündenbekenntnis und Absolution aufgegliederten Inhalt
der Einzelbeichte, während das V. Kap. sie in ihrer Bedeutung
und in ihriun Verhältnis zu anderen Beichtformen wertet
. Das VI. Kap. ist dem Beichtiger und das VII. der Praxis
der Einzelbeichte gewidmet; hier wird z. B. unter E. auf «las
BeichtSlgfll in seiner Bedeutung, Motivierung, Adressat und
Handhabung besonders eingegangen. Im Schlußkap. werden
evangelische Einzelbeicht« und Psychotherapie in ihren Berührungspunkten
, ihren Unterscheidungsmerkmalen und ihrer
gegenseitigen Bedeutung einander gegenübergestellt. Ein
zusammenlassender „Ausblick" beschließt das Buch.

An Druckfehlern möchte ich hier nur folg«:ndcs festhalten! S. 17
Mnhrc«ih«>lz, Chrislhard (nicht: Christard); S. 34 Niehuhr (nicht: Nie-
bur); S. 46 die reformierten Ilckenntnisschriflen (nicht: refnnnatori-
schen).

Greifswald . William Nagel

Camillcri, Nazareno: II mistero della morle „Anima separata"

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Nembach, Ulrich: Seelsorge nach Karl Immanuel Nitzsch
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Wendland, Heinz-Dietrich: Die Krisis der Volkskirche "
Zerfall oder Gestaltwandel? Opladen: Westdeutscher Verlag
[1971]. 81 S. gr. 8° = Rheinisch-Westfälische Akademie
d. Wissenschaften, Geisteswissenschaften, Vortrag"
G 176. Kart. DM 9,30.

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 2