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Ausgabe:

1973

Spalte:

136-137

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kandler, Karl-Hermann

Titel/Untertitel:

Die Abendmahlslehre des Kardinals Humbert und ihre Bedeutung für das gegenwärtige Abendmahlsgespräch 1973

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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Seite Gottes bestellt, l>is zur christologischcn Begründung
von Bund und Schöpfung (3!)—190).

Nach dieser Hinführung zum Gegenstand der theologischen
Anthropologie: das gesehöpflichc Wesen des Menschen
, wird im 3. Kap. die Durchführung der chrislologi-
schen Begründung der Anthropologie dargestellt (191—322).
Ks muß christologisch von der „Anthropologie" Jesu Christi
ausgegangen werden, weil es zur Bestimmung des geschöpflichen
Wesens des Menschen im allgemeinen kein Kriterium
gehen kann, um dieses Wesen von der sündigen Bestimmtheit
des Menschen unterscheiden zu können. Umgekehrt
geht es nicht um ein bloßes Deduzieren der Anthropologie
aus der Christologie, sondern um die Frage nach dem ge-
Bchöpfüchen Wesen des Mensehen Jesus und dann um die
zweite Frage Dach dem Menschen im allgemeinen (264). Der

Angelpunkt beider Fragestellungen liegt in der Identifizierung
des Menschen, dem Gott gnädig ist, mit dem Menschen
Jesus als der Quelle unserer Erkenntnis des menschlichen
Wesens. Barth benützt dabei den Begriff des „wirklichen
Menschen" in zwei Bedeutungen: der Mensch „von oben"
gesehen in der Teilnahme am „1 leilandswerk" Jesu in der
Realisierung seiner Offenheit für Gott, also als der Gottes
Gnade teilhaftige Sünder — dann der Mensch „von unten"
gesehen im allgemeineren Sinne der grundsätzlichen, durch
des Menschen Sünde und Gottes Gnade nicht veränderten
Offenheit für Gott (= theologische .Anthropologie in Kl)
1II/2). Solches Menschsein ist zu bestimmen als Zusammensein
mit Gott, als Geschichte und als Milmenschlichkeit
(272ff.) — wobei die onlologischc Bestimmung des Menschen
darin besteht, daß in der Mit ti' aller Menschen einer eben der
Mensch Jesus ist (Kl) 1II/2, 158). Dieselbe Intention verfolgen
el wa K Rahner und D. Wiederkehr — dies wird im 4. Kap.
gezeigt: Möglichkeiten, Grenzen und Bedeutung der ehristo-
logischcn Anthropologie (323—39^) —, wenn sie den Mensehen
als möglichen Bruder Christi, die Menschheil aufgrund ihrer
Verwandtschaft mit Christus als Volk Gottes, also dir Anthropologie
im Horizont einer solidarischen Christologie bestimmen
(355ff.). Während sich aber bei K. Rahner transzendental
-dialogische Christologie und Anthropologie, bei D.
Wiederkehr solidarisch!; Christologie und soteriologischc An-
ihropologie gegenseitig bedingen, baut Barth die theologische
Anthropologie einseitig auf den Gegenstand der Christologie
, nämlich auf dir' von der Zwei-Naturen-Lehre her verstandene
lebendige Person Jesus Christus auf (3Clff.). Da
Barth die Besonderheil des Menschseins Jesu so letzt lieb

nicht begründen kann, denn diese Besonderheit, beruht auf
Jesu Einheit mit, Gott, kann er auch nicht mehr deutlich
machen, daß Jesus in der anthropologischen Dimension uns
gleich ist. D. Wiederkehr z. B. geht in Mysterium Salutis
1II/1, 477fr., im Rahmen des Wellverhältnisses Gottes und
des Gottesverhältnisses der Welt von der solidarischen Gemeinschaft
Jesu mit uns Menschen aus — im Sinne des KT-
kenntnisweges —, um darin den spezifischen etchatOlogischen
Gottesbezug Jesu, seine Einheit mit Gott, und damit
eine soteriologischc Anthropologie zu entfallen (3()3ff.). Wird
die menschliche Wirklichkeit Jesu in Analogie zur ewigen
Solinschaft gesehen, dann läßt sic h von hier aus nach der Er
möglichung dieser Analogie im Medium der Geschöpflichkeit
so zurücktragen, daß zwar keine explizite Anthropologie dargestellt
werden muß, wohl aber der christologische Rahmen
aller Anthropologie konstituiert ist. Barth hingegen versteht
Jesu Menschheit von der Erwählung Jesu Christi her, so daß
sich für ihn eine anthropologische „Verifikation" der Christologie
erübrigt, obwohl er nach einer anthropologischen Voraussetzung
des Fürseins Jesu für uns Menschen fragt und die
Schöpfung als äußeren Grund des Bundes deutet (372ff.) —
was II. U. von Balthasar bekanntlich als „christologische
Engführung" bezeichnet hat, weil die relative Eigenständigkeit
der (Schöpfung) Anthropologie fehlt.

Hinter Friedmanns Ausführungen, die das wichtigste Material
in belesener und geschickter Weise problematisieren,
steht natürlich eine bestimmte Barth-Interpretation, die sich

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sii hei- am besten in der anthropologischen Diskussion durchführen
läßt (3), die aber in der Christologie wurzelt. Wenn
Barth in der Entfaltung der Christologie die neuzeitliche
Subjektivität und Autonomie ganz zurückholt in die Autonomie
Gottes, in die von Congar für die Reformatoren zitierte
Allein wirk samkeit Gottes, dann läßt sich eigentlich die
hier ständig gestellte Frage nach der echten Korndation von

Christologie und relativ eigenständiger Anthropologie cd

nicht mehr stellen. Daß sie aber gestellt werden muß — als
Erbe der Aufklärung und Verpflichtung für unser«; Zukunft —,
zeigt doch, daß sich das Aulonomie-Broblem tatsächlich
nicht durch eine rein christologisch-doginaliscbe Fassung lösen
l.äl.it, weil sonst ih r dogmatische Christus unsere Lcbcns-
geschichte auch zum Dogma macht. An dieser Stelle macht
Friedmann ebenfalls halt — und man ist nun wirklich zur
Diskussion gerüstet und herausgefordert. Und nicht mchi'lind
weniger soll und will diese empfehlenswerte konlroverslheolo-
gische Arbeit leisten.

Stadt HehburK Uwe Gerbet

Kandier, Karl-Hermann: Die Abendmahlslehre des Kardinals
Kunibert und ihre Bedeutung für das gegenwärtige
AbendmahIsgespräch. Berlin-Hamburg: Lutherisches Verlagshaus
1971. 113 S. gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte U.
Theologie des Luthertums, hrsg. v. W. Maurer, K. H.
Hengstorf. F. Somnierlatb u. W. Zimmermann, XXIV.
Kart. DM 22,50.

Den Anstoß zur vorliegenden Arbeit erhielt Vf. von einem
von ihm beobachteten Mangel In der gegenwärtigen Diskussion
über das heilige Abendmahl: das dogmengeschichtliche
Gebiet der Abendmahlslehre vor der Beformalion sei bisher
noch nicht in das theologische Gespräch aufgenommen worden
. Vf. nimmt den Catalogus lestiinnniorum Im Anhang der
Konkordienformel zum Vorbild. „Wenn die lutherische Kirche
,katholische' Kirche sein will, so malt sie auf die Stimme
der Väter aller Zeiten zurückgreifen" (10(1). Die Arbeil ist als
Dissertation von Gerhard Gloege f angeregt und unter Ernst
Somnierlatb In Leipzig zum Abschluß gebracht.

Vf. skizziert eingangs den dogmengeschichl liehen Hintergrund
von Ilumberts Abendmahlslehre, wobei er sich vornehmlich
auf die Ergebnisse röniisch-katholischer Forscher
stützt. Er beklagt erneut das völlige Pehlen einer Behandlung
der allkirchlichen und mittelalterlichen Fragestellung zum
Thema in der heutigen evangelischen Debatte über das Abendmahl
und behauptet, daß nur in Kenntnis dieser Vorgänge
sachkundig in der gegenwärtigen Situation geredel werden
könne.

K. entwickelt Ilumberts Abendmahlslehre zunächst nach
den drei Streiten, in die er verwickelt war, und versucht dann
eine systematische Zusammenfassung. Zuletzt beschreibt er
Kuniberts Bedeutung für die Entwicklung der Abendmahlslehre
und für das heutige Abendmalilsgespräch.

Humbert war erstens verwickelt in den Streit um die theologische
Begründung des Gebrauchs von Azyma in der Feier
der Eucharistie. Er unternahm es, die heftigen Angriffe der
griechischen Theologen gegen die Verwendung ungesäuerten
Brotes beim Abendmahl abzuwehren. Seine theologische Leistung
ist dabei ebenso original wie erschöpfend. Im übrige"
ist, auf diese Phase von Ilumberts theologischer Arbeit nicht
zu viel Interesse zu verwenden, da die Azymafrage beut"
nicht von Belang ist.

Zweitens halte llumbcrt gegen die Simonie Stellung zu beziehen
, was in seinen „Libri tres contra simoniacos" zu verfolgen
ist Vf. befragt sie als erster auf ihre Sakramcntologi«.
„Wir betreten hier Neuland". In sorgfältigem Quellenstudium
erhebt er als charakteristische Merkmale eine ausgesprochene
Typologie altteslainentlicher signa auf die Sakramente
der Kirche, die Heilsnotwendigkeit der Sakrament1'
als signa ecelesiae und ihre Bedeutung als eibus viatorum f"r
die Zeit, zwischen der ersten und der zwei Im , nk u n h Christi-

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 2