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Ausgabe:

1973

Spalte:

112-115

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Beyse, Karl-Martin

Titel/Untertitel:

Serubbabel und die Königserwartungen der Propheten Haggai und Sacharja 1973

Rezensent:

Bič, Miloš

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legen P. A. II. de üocr als Herausgeber und W. Saara als
Mitherausgeber die Prinzipien dar, naeh denen die Bearbei-
I iiiig des Textes erfolgen soll.

Der kritischen Ausgabe ist, wie nicht anders zu erwarten,
der Codex Amhrosianus (7a 1) aus Mailand zugrunde gelegt,
der — nebenbei bemerkt auch Für den kritischen Apparat
der Biblia Hebraica Stuttgartensia als syrischer Hauptzeuge
herangezogen wird. Da der aus dem 7. Jh. stammende Kodex
nicht alle Apokryphen enthält, sind hierfür die jeweils
ältesten Handschriften mit dem trollständigen Text herangezogen
; grundsätzlich gilt, daß die Herkunft des edierten
Textes am Rande vermerkt ist. Der kritische Apparat gliedert
sich in drei Teile: der obere Apparat enthält sämtliche
Besonderheiten der edierten Handschrift, die aus dem Text,
selbst nicht erkennbar oder nicht in denselben aufgenommen
worden sind, beispielsweise die prima manus oder in der Regel
spätere Korrekturen; der Zwischenraum zwischen dem
oberen und dem unteren Apparat ist Hinweisen auf den Zustand
der Handschriften vorbehalten, die Für den unteren
und eigentlich kritischen Apparat kollationiert worden sind,
z. B. hinsichtlich ihres mehr oder weniger vollständigen Erhaltungszustandes
; der textkritische Apparat schließlich bietet
die Varianten aller Handschriften, die für die Texlaus-
gabe ausgewählt worden sind, vermehrt durch die Lesarten,
die der I (auptherausgeber selbst durch Kollation der masore-
tischen Handschriften und der Lektionarien gewonnen hat.

Jedem einzelnen Buch isi ein ..Index Orthographicus"
angefügt, der — fußend auf dem Grundtext — die Orthographischen
und teilweise auch morphologischen Inkonsequenzen
iles gedruckten Textes bietet, die die Editoren mit Recht
nicht zugunsten eines höchst fragwürdigen Purismus beseitigt
haben.

Was nun die drei Probetexte im einzelnen betrifft, so ist
Canticum von J. A. Emerton bearbeitet worden, [n einer
umfangreichen Einleitung bespricht er — fußend auf der
„List of Ohl Testament Peshitta Manuscripts"' und sie er-
gänzend — die einzelnen, neben dem Codex Amhrosianus
herangezogenen Texte und vermittelt so dem Benutzer ein
anschauliches Bild von den Handschriftenverhältnissen, wobei
gilt, daß Canticum ganz nach der Grundhandschrifl ediert
werden konnte. Der „Index Orthographicus" (S. 10—23) ist
durch „Varietates quac ad orthographiam et ipsam signi-
Gcationem nominum proprium spectant" (S. 18) erweitert.

Anders liegen die Dinge beim Buche Tobith, das Jürgen
C. II. Lobram bearbeitet hat. Für dieses Buch konnte I'. A.
11. de Boer 1965 eine aus dem 8. Jb. stammende, vollständige
hcxaplarische Handschrift zugänglich inachen (Dair as-
Suryan, Syriac Ms., no. 27, fol. 83a—94a= 8fl), wodurch
möglich geworden ist, anstelle des bisherigen gemischten Textes
nunmehr eine einheitliche Handschrift vorzulegen. Für
Tobith 1,1—7,10 dient demnach 8fl als Grundtext; von Kapitel
7,11 bis 14,10 wird neben 8fl auch der bisherige Text,
allerdings wiederum erstmalig, naeh der sogenannten Bucha-
nan-Bibel aus dem 12. Jh. (12al) geboten; der hier fehlende
Schluß — 14,11—15 — wurde einer Handschrift aus dem
18. Jh. entnommen (18/16g6), die von 12a 1 abhängig ist. Die
umfangreiche Einführung (S. II—XII) wird am Schluß durch
„Varietates, quac ad orthographiam et ipsam significationem
nominum proprium spectant", ergänzt, die den Obertitel
darstellen zu dem „Index Nominum" und dem „Index
Orthopraphicus" (S. 47-55).

Das 4. Esra-Buch hat R. J. Bidawid herausgegeben; es
stellt gleichsam das Gegenstück zum vorhergehenden Probetext
dar, da es — soweit wir bisher wissen — nur im Amhrosianus
erhalten ist. Lediglich einige Varianten aus Lektio-
narieUtexten konnten in einem bescheidenen kritischen Apparat
zusammengestellt werden; der kurze „Index Orthographicus
" (S. 48) wird durch einen „Index Kmendalionum"
(S. 49—51) ergänzt, in dem auf die bisherige wissenschaftliche
Bearbeitung von 4. Esra Bezug genommen wird.

Dem Benutzer der bisher vorliegenden Probe texte bietet
sich somit ein ausgesprochen buntes textgeschichtliches Bild,

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wie es freilich bei einer I Ibcrsetzungslilcratiir, wie der all-
testamentliche Teil der l'csc Iiiita sie darstellt, auch nicht
wundernimmt. Der Weg, der hier erst malig beschritten wurde,
um einen brauchbaren syrischen Text zu gewinnen, ohne dabei
die Problematik der verwickelteo Uberlieferung zu verschleiern
, verdient höchstes Lob, und Rezensent, der selbst
größere Partien intensiv durchgearbeitet hat, ist der Meinung
, daß die Leidener Peschitta auf dem besten Wege ist,
der Göttinger Scptuaginta würdig an die Seite zu treten.

Jena Rudolf Weyer

1 l.ist of Old TeetamenI PeehltU Uannseript*. Prelimlnary ls»uo.
Bdited by the Peshitta Institute Leiden UntVenity (Leiden 1961)i

vgl. hierzu ThLZ !»0, l»«5 S|>. 8281,

Beyse, Karl-Martin: Serubbnbel und die Königserwartungen
der Propheten Eiaggai und Sacharja. Eine historische und
traditionsgeschichtliche Untersuchung. Berlin; Evangelische
Verlagsanstalt [1971]. 108 S. gr. 8° = Aufsätze und
Vorträgt? zur Theologie und Religionswissenschaft, hrsg.
E. Schot t und H. Urner, 52.

Durch den Titel des Buches ist dessen Inhalt genau erfaßt.
Allerdings beschränkt sich der Vf. nicht nur auf die beiden
genannten Prophetenbüeher, sondern zieht zum Vergleich
und zur Ergänzung die gesamte nachexilisebe biblische Lite-
ratur heran und bietet auf dii-se Weise ein höchst eindrucksvolles
Bild der judäischen Verbältnisse jener Zeit. Positiv ist
auch seine Kenntnis der Fachliteratur zu werten. Bei Dicht
seltenen Meinungsverschiedenheiten der Gelehrten führt er
abweichende Ansichten gewöhnlich in Fußnoten an. Manchmal
hätten diese Anmerkungen ausführlicher und vollständiger
sein können, damit auch Leser, denen das eine oder
andere Werk nicht zugänglich ist, genauer informiert werden.
Bei der Beurteilung einer Arbeil muß man gewiß vor allem
nach der Absicht des Autors fragen, aber der Rezensent kann
doch nicht unerwähnt lassen, daß seiner Überzeugung nach
eine Dissertation — und um eine solche handelt es sich
(Halle 1908) — mehr selbständiges Gut bieten sollte. Die Wissenschaft
braucht ständig neue Anregungen.

Die Arbeil zerfällt in zwei Teile: A. Serubbahel und seine
Zeit, B. Die Königserwartungen llaggais und Sacharjas und
ihre Herkunft. Im ersten Teil folgt nach einer Einleitung

(Off.) eine Untersuchung des geschichtlichen Hintergrunds

(14fL), der Person Serubhabels (28ff.) und seiner ,Ära' (33ff.);

im zweiten Teil (50ff.) Überlegungen über beide Propheten

und ihre Bin her, Erklärungen einzelner Textnbschnitte und

Erwägungen über die Herkunft ihrer Königserwartungen.
Eine kurze Zusammenfassung (I02f.) und ein ausführliches
Literaturverzeichnis (104—108) schließen die Arbeit ab.

Soweit der Vf. die Lage nach 587 in Palästina schildert und
nach der Abstammung Serubhabels sowie nach seiner Beauftragung
fragt, kann man ihm leicht zustimmen. Wo er
sich mit verschiedenen Meinungen anderer Forscher auseinandersetzt
, verläßt er nie den (relativ) festen Boden. Anregend
sind die Ausführungen über die Ruckkehr der Exilierten
. Daß es nur kleine Gruppen waren, ist gut bekannt. Nun
erfahren wir. daß es wahrscheinlich vor allern Gruppen solcher
waren, die irgendwelche bedeutende Persönlichkeit begleiteten
(20). Erst nach dem Sieg des Königs Kambyses über
Ägypten kann man mit einer größeren I leimlw hrerwa nde-
rung rechnen, weil der König das an Ägypten grenzende Gebiet
durch eine zuverlässige Bevölkerung bewohnt haben
wollte. Unter Kyros waren dagegen die Grenzgebiete noch
zu wenig konsolidiert, so daß eine Massenansicdlung da nicht
wünschenswert erscheinen konnte, und unter Darias war es
mit größeren Völkerwanderungen aus.

Unter Kyros handelte es sich offenbar nur darum, daß die
aus dem Jerusalemer Tempel durch die Babylonier geraubten
Gegenstände den luden zurückgegeben und nach Jerusalem
gebracht werden. Auch sollte mit dem Tempclbau begonnen
werden. Damit wurde ein gewisser Scbescbhaz/.ar be-

Tbeologiscbe Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 fit. 2