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Ausgabe:

1973

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 1

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Kechnung tragend, daß Christus im NT nicht nur „Wort",
sondern auch „Bild" des unsichtbaren Gottes genannt
wird (Kol 1,15). Die vielfältigen Aussagemöglichkeiten,
die das christliche einst gerade in den Functiones Sacrae
fand bis hin zum Einbau von Kurzspielen, Tanz und ähnlichen
Stilmitteln in gottesdienstlichc Vollzüge, werfen
angesichts heutiger „Gottesdienste in neuer Gestalt"
geradezu die Frage auf, ob nicht die Spirifrualisierung
zumal des evangelischen Gottesdienstes fruchtbare liturgische
Gestaltungsmöglichkeiten vergessen ließ.

Überhaupt spürt man dem ganzen Werk immer wieder
ab, wie hier Liturgiegeschichte bestimmt von jenem im
II. Vaticanum freigelegten „Heilshumanismus" getrieben
wird, für den „der Mensch wieder mehr in den Mittelpunkt
gerückt ist, weil Gott ihn in die Mitte gerückt hat"
(144). Darum ergibt sich für den Vf. - in dem bedeutsamen
Einleitungsparagraphen 3 „Theologische Durchblicke
und Perspektiven zu den Mainzer Ritualien" - auch als
die ihn bei seiner Forschung leitende Grundfrage: „Inwiefern
versuchte die Kirche unserer früheren Ritualien
den Anspruch Gottes zu verwirklichen, inwieweit läßt
sich erkennen, daß sie Mühe aufwandte, die Formen im
Rahmen des ihr gegebenen Verständnisses zu gestalten?
(Der Erfolg ist ja ohnehin nicht von uns allein abhängig!)"
(144). Die zusammenfassende Antwort bietet der genannte
Paragraph unter den drei Blickpunkten Kerygma-Kult-
Pastoral. Es ergeben sich beachtliche kerygmatische Bestandteile
, vor allem auch in Gestalt volkssprachlicher
Anrede, die „einerseits historisch gesehen, anderseits
unter mehr systematisch-theologischem Aspekt sowohl
für die Frage nach dem ,Gehalt' des Kerygma als auch für
die entsprechenden Fächer (z.B. Homiletik; Katechetik)
von Bedeutung sein dürften" (150). Für die liturgietheologische
Schau der Ritualien erschließt sich Wesentliches
aus der in dem durchforschten Material vorliegenden Verwirklichung
der drei Hauptmomente liturgischer Feier:
Form-Raum-Zeit. Hier sei nur darauf hingewiesen, wie
z.B. in der sprachlichen Formung die Kultsprache zum
Problem wird, was mit der Agende von 1551 zu einem
weitgehenden, später wieder reduzierten Einbruch der
Volkssprache führt, bis es zuletzt zu deren heutiger Anerkennung
kommt. Schließlich lassen sich gewisse pasto-
rale Schwerpunkte in den Mainzer Ritualien nicht übersehen
(etwa im Zusammenhang mit der Eheschließung,
der Betreuung Kranker und Sterbender und der Beichte)
bis hin zu pastoral-technischen Abschnitten, die eigentlich
kaum in diese Bücher gehören.

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß für die in den frühen
Agenden fehlende Firmung die Mainzer Kathedralliturgie
mitherangezogen ist, ebenso ergänzende Quellen
für die Sakramentalien, so daß dieser Teil sich zu einer
„Darstellung der allgemeinverbindlichen Ordnungen dieses
Komplexes" ausweitet. Ein zusammenfassendes
Schlußkapitel und die Register wird der II.Teilband bringen
.

Die eindrucksvolle Leistung des Vf.s gewinnt unter drei
Gesichtspunkten allgemeine Bedeutung: sie führt um
einen großen Schritt dem Ziel einer deutschen Liturgiegeschichte
näher; sie zeigt die Bedeutung des Gottesdienstes
der Teilkirchen und bestätigt damit deren Notwendigkeit
und Funktion im Sinn des II.Vaticanum;
sie kann zur Anerkennung jeweils dem Hier und dem
Jetzt angepaßter regionaler Gottesdienstgestaltung bereiter
machen.

Grelfnwald William Nagel

Michels, Thomas: Mysterien Christi. Frühchristliche Hymnen
aus dem Griechischen. 2. Aufl. Münster/W.: Aschcndorf
[1972]. 79 S. kl. 8°. Lw. DM 4.-.

MISSIONSWISSENSCHAFT
ÖKUMENF

Mbiti, John S.: New Testament Eschatology in an Afrivan
Background. A Study of the Encounter between New Testament
Theology and African Traditional Concepts. London:
Oxford University Press 1971. XI, 216 S., 1 Kte. 8°. Lw.
£ 2.25.

Der Verfasser gehört zu dem Volk der" Kamba in
Kenya, hat Theologie in Uganda, den Vereinigten Staaten
England und Westdeutschland studiert, ist Geistlicher
der Anglikanischen Kirche und wirkt jetzt als Professor
der Theologie und der Religionsgeschichte an der Universität
Makerere in Uganda. Er bringt somit gute Voraussetzungen
mit, ein wichtiges Problem des Neuen Testaments
in seiner Relevanz für die nichtchristliche Vorstellungswelt
Afrikas zu behandeln.

Mbiti beschreibt im ersten Kapitel, wie die christliche
Botschaft zu den Kamba kam. Anfängliche Versuche von
Kraph in den 40er und 50er Jahren des 19. Jh.s, der -
nicht erwähnten - Hersbrucker Mission von 188G und der
Leipziger Mission bis zum 1. Weltkrieg zeigten kaum Erfolge
. Die eigentliche Christianisierung erfolgte durch die
1895 einsetzende Afrika-Inland-Mission. Deren bibli-
zistische Grundhaltung hat naturgemäß auch ihren Niederschlag
in der Theologie gefunden. Das 2. Kapitel enthält
Überlegungen über Time, History and Eschatology,
wobei die drei nicht aufeinander abgestimmten Sichten
der Kamba, des Neuen Testaments und der Theologie der
Afrika-Inland-Mission dargestellt werden. Das 3. Kapitel
behandelt die materialistische Sprache der Eschatologie,
das 4. die Eschatologie der Sakramente, das 5. die Nähe
der Geisterwelt, das 6. die Auferstehung als korporative
Eschatologie. Ein abschließendes Kapitel enthält einige
Folgerungen. Immer wieder wird auf die religiöse Welt
der Kamba Bezug genommen. Eine Bibliographie und
Indices bilden den Abschluß. Hier wäre es wichtig, auch
einen Index der dankenswerterweise zahlreich angeführten
Bezeichnungen aus dem Kamba zu geben.

Eine Arbeit über Eschatologie muß sich mit dem Zeitbegriff
auseinandersetzen. Mbiti versucht, an Hand der
neun verschiedenen Zeitformen des Verbums die Zeitvorstellung
der Kamba zu verstehen. Es gibt eine Gegenwart
und fünf Formen für die Vergangenheit. Die letzteren
unterscheiden sich, je nachdem das Ereignis unmittelbar
oder in den letzten zwei Stunden, am Tag vorher, irgendwann
vor dem gestrigen Tage oder irgendwann in der Vergangenheit
stattgefunden hat. Zum Ausdruck des Futurums
gibt es drei Möglichkeiten, etwa 2 bis 6 Monate ab
heute, innerhalb einer kurzen Zeit, innerhalb einer voraus-
sehbaren Zeit, die nicht über zwei Jahre von heute entfernt
ist. Immerhin ist hier die bisweilen von Nichtfach-
leuten geäußerte Ansicht, afrikanische Sprachen hätten
kein Futurum, rektifiziert. M. E. ist aber die von Mbiti ange-
gebene Zeit von 2 Jahren zu kurz bemessen. Auch für afrikanische
Verhältnisse dürfte die voraussehbare Zeit länger
sein, Man wird z.B. von einem Jungen sagen können, daß
er nach 15 Jahren heiraten wird. Mbiti teilt nun die neun
„Tempora" in zwei Gruppen ein und bezeichnet diese mit
Kamba-Ausdrücken, die er auch später in seinen theologischen
Ausführungen benutzt. Die Zeiten, die mit dem Menschen
hic und nunc zu tun haben, von der überschaubaren
Vergangenheit bis zur überschaubaren Zukunft, ist die
mituki-Periode. Demgegenüber sind die beiden über gestern
hinausgehenden Vergangenheiten die tene-Periode.
Alles Geschehen verläuft von der mituki-Zeit in die tene-
Zeit. Da die Zukunft nur eine kurze übersehbare Zeitspanne
umfaßt, fehlt die Möglichkeit, die Geschichte teleologisch
oder in der Dimension der Erfüllung zu sehen1.