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Ausgabe:

1973

Spalte:

952-955

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Klaiber, Walter

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der Iustificatio Impii für die Ekklesiologie des Paulus 1973

Rezensent:

Klaiber, Walter

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12

952

haupt davon reden kann - in den Blick genommen (S. 157
bis 186). Nach der Formulierung des Ergebnisses werden
in knapper Form die Verbindungslinien gezogen, die
zwischen Herrmann und seinen Schülern Barth und Bultmann
im Blick auf die Gottesfrage bestehen könnten
(S. 187-206).

Keyser, Paul-Gerhard: Sapientia Salomonis und Paulus.
Eine Analyse der Sapientia Salomonis und ein Vergleich
ihrer theologischen und anthropologischen Probleme mit
denen des Paulus im Römerbrief. Theol. Diss. Halle 1971.
XX, 325 S.

Ein umfassender Vergleich zwischen Sap (ientia Salo
monis) und Paulus wurde zuletzt 1892 von E. Gräfe vorgelegt
Ein neuer Vergleichsversuch, der nicht nach literarischer
Abhängigkeit oder gemeinsamen Traditionen,
sondern nach vergleichbaren theologischen und anthropologischen
Themen fragt, muß zunächst Aufbau und Eigenart
der Sap erfassen. Dem dient Teil I der Arbeit, die Analyse
der Sap.

Die Verwendung des Begriffes oocpLa , der Aufbau von
Sap 10, die Siebenzahl und der chiastische Aufbau in einzelnen
Abschnitten, die Rede von Gott und seine Anrede,
der Gebrauch von eeöc, und wpioc. . der Einbau der
beiden Einschaltungen und die „Wlr-Stücke" unterstreichen
die ^insbesondere durch Fichtner begründete Erkenntnis,
dalj in der Sap verschiedene Stoffe und Vorstellungen durch
einen Verfasser zu einem Ganzen gestaltet wurden.

Obwohl der Vf. der Sap die aoipCct im Eingangskapitel
zweimal erwähnt, in 3,11 an sie erinnert, von ihr in
Sap 6-9 entscheidend handelt, sie durch den Aufbau von
Sap 10 zum Zentralbegriff seiner Schrift erhebt und in
Sap 14 nochmals an sie erinnert, kann die Sap nicht in
allen ihren Teilen von dem Begriff der aoipCcc her interpretiert
werden.

In den Kapiteln, die die ao<pua nur nebensächlich oder
überhaupt nicht erwähnen (Sap 1-5. 11-19), handelt Got-
vor allem durch den yiocnioc, bzw. die vixlauG • ^e Be"
deutung beider Begriffe für den Vf. der Sap kann an der
Gestaltung der Geschichtsvergleiche und an ihrer Verwendung
in der ganzen Sap einschließlich der von der oocpCa
bestimmten Kapitel erkannt werden.

Das entscheidende Anliegen der Geschichtsvergleichc
(Sap 11.16-19) mit Ausnahme des sechsten (Sap 18,5-25)
ist die Darstellung, daß Gott durch die Natur in ein und
derselben Situation bzw. durch ein und dasselbe Mittel,
aber in verschiedener Wirkung, nämlich zugunsten der
Gerechten und zuungunsten der Gottlosen handelt, und daß
die Betroffenen durch dieses eigenartige Verhalten der
Natur Gott erkennen.

Der nicht immer klar hervortretende Gegensatz zum
■höouoq wird durch den OavaxoQ gebildet. Er ist aber
kein dualistischer, vielmehr handelt in einer einheitlichen,
zum Sein bestimmten Welt deruoauoi; bzw. die htCchc;
in Gottes Auftrag und empfängt der allerdings in der Welt
bereits vorhandene öÄvaxoQ seine wirksame Kraft durch
die, die ihn mit Wort und Tat herbeirufen und ihm verfallen
werden.

Diese durch griechisch-mythologische Aussagen ergänzte
woonoQ-dcivaTOg-Anschauung soll, wie die ganze Sap, in
einer hellenistisch gebildeten Welt die herrschenden Kreise,
insbesondere Ägyptens, ansprechen, damit sie für die in
der Diaspora-Situation bedrängten Juden Partei ergreifen;
sie soll ferner die Bedränger der Juden warnen und die
Juden selber im Vertrauen auf ihren Gott stärken.

Teil II vergleicht bestimmte theologische und anthropologische
Probleme der Sap mit entsprechenden des Pau
lus im Römerbrief. Diese können zwischen Sap und
Paulus verglichen werden, weil beide bestimmte Perikopen

des Alten Testaments auslegen, in einem universalen
Aspekt von allen Menschen handeln, vom jüdischen Standpunkt
aus zwei Menschengruppen, die Erwählten und die
Nichterwählten, kennen und von diesen beiden Gruppen
sowohl „individuell" als auch „kollektiv" handeln. Die
Vergleiche konzentrieren sich auf Seiten des Paulus auf
Rom 1-3 und 9-11.

Vergleich A handelt von dem universalen Aspekt. An
dem Gebrauch der Begriffe ävöpwnoc,, itSg, v.oouoc;
und Yfj, an den Aussagen über politische Gewalt und die
Völker, an den Gerichtsaussagen, an den kritischen Aussagen
über heidnische Religiosität und an den Begriffspaaren
, die vom jüdischen Standpunkt aus die Menschen
einteilen, wird sowohl in der Sap als auch bei Paulus der
Blick für alle Menschen deutlich. Beide sind des Glaubens,
daß der Gott Israels für alle Menschen zuständig ist. Entsprechend
ihren Voraussetzungen kommen sie aber zu ganz
verschiedenem Verständnis von Erwählten (Gerechten bzw.
Juden) und Nichterwählten (Gottlosen bzw. Heiden). Dieses
verschiedene Verständnis von Erwählten und Nichterwählten
wird in den Vergleichen B und C untersucht.

Der Vergleich D handelt von den Vorzügen bzw. der
Erwählung Israels. Die von Paulus in Rom 9,4 f. genannten
Vorzüge der Israeliten: die Sohnschaft, die 66£a , die
Bündnisse, die Gesetzgebung, der Kult, die Verheißungen
und die Väter, können alle begrifflich oder der Sache nach
in der Sap nachgelesen werden. Sie sind auch Ausgangspunkt
für mehrere zwischen Sap und Paulus vergleichbare
Fragen nach dem Handeln Gottes in der Geschichte: was
tut er, wenn er sein auserwähltes Volk „dezimiert" (Vergleich
E), wenn sein Erwählen zugleich das .Verwerfen"
anderer Völker bedeutet (Vergleich F), wo bleibt dabei
seine „Gerechtigkeit" (Vergleich G) und wem gilt seine
„Barmherzigkeit" (Vergleich H)? Die Antworten auf diese
Fragen unterscheiden sich im wesentlichen darin, daß die
Sap in einer dem Volk gegenüber unkritischen Weise Gott
auf den Gegensatz Gerechte - Gottlose festzulegen sucht,
während Paulus die Souveränität des göttlichen Willens
betonend, zusammenfassend erklärt, daß Gott alle in den
Ungehorsam hineingeschlossen habe, um an allen Barmherzigkeit
zu erweisen.

Die Analyse der Sap und die Vergleiche mit Paulus lassen
abschließend folgende Charakteristika im Denken des
uns unbekannten Vf.s der Sap deutlich werden: Es ist
pluralistisch, insofern er eine Vielzahl von verschiedenen
theologischen, anthropologischen und die Geschichte betreffenden
Anschauungen vorträgt und sie nebeneinander
gelten läßt; es ist im indirekten Sinne missionarisch, insofern
das Nachdenken über den für die ganze Welt zuständigen
Gott Israels eine beachtliche Horizonterweiterung
bedeutet, die die Voraussetzung für jedes missionarische
Bemühen ist; es ist apologetisch, insofern der Vf. der Sap
versucht, den für alle Menschen zuständigen, aber für
Israel Partei ergreifenden Gott mit einsichtigen Überlegungen
zu verteidigen; und es ist jüdisch, insofern er sich zu
seinem Volk und zu seinen Vätern bekennt und seinen
bedrängten Glaubensgenossen Mut zusprechen will.

Klaibcr, Walter: Die Bedeutung der iustificatio impii für
die Ekklesiologie des Paulus. Theol. Diss. Tübingen
1971/72. III. 287 S.

In der Diskussion um die bleibende Bedeutung der pau-
linischen Ekklesiologie hat sich folgende Frage als entscheidend
herausgestellt: Ist das Verständnis des Paulus
von der Gemeinde und ihrer Ordnung als Provisorium
angesichts der nah erwarteten Parusie zu werten, oder
verdankt er seine Eigenart einem theologischen Denken, das
auch die Ekklesiologie konsequent von seiner zentralen