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Ausgabe:

1973

Spalte:

932-933

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heijne, Rien

Titel/Untertitel:

Sprache des Glaubens 1973

Rezensent:

Demke, Christoph

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Theologische Litcrarurzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12

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englischen Sprachraum bereits viel beachteten gründlichen
Untersuchung der marianischen Frage vor. Sie trägt zur
ökumenischen Aufgeschlossenheit bei Protestanten und
Katholiken die Lehrtradition und -entwicklung vor aus
einem Gebiet, das früher polemische Entzweiung und heute
interessierte Sachklärung bringt. Wie keinem protestantischen
Theologen vor ihm gelingt es Benko, über die
katholischen marianischen Vorstellungen die wichtigsten
Grundkenntnisse überschaubar zu machen und die biblischen
Grundlinien wie die Entfaltung in der kirchlichen
Tradition bis zur Aufspaltung der marianischen Theologie
in Mariologie und Josephologie darzulegen.

„Maria im Neuen Testament" behandelt B. im ersten
Kapitel, im zweiten und dritten stellt er die Dogmen über
Maria und die marianischen Thesen dar. „Obwohl mariologische
Spekulationen viele Thesen hervorgebracht haben",
z. B. die „fromme Ansicht" der körperlichen Himmelfahrt
Josephs (die „vom Papst Johannes XXIII. als .annehmbar als
frommer Glaube' bezeichnet" wurde), „gibt es nur vier,
welche als Glaubensartikel für Katholiken als bindend angenommen
werden. Diese sind: 1. Die göttliche Mutterschaft
Marias; 2. Die immerwährende Jungfrauschaft Marias;
3. Die .Unbefleckte Empfängnis'; 4. Die körperliche Himmelfahrt
Marias." Obwohl B. protestantischen Lesern die
Unterscheidungen einschärft, um die Wucherungen frommer
Ansichten von definierten Wahrheiten - als wohl auch
ihnen mehr oder weniger akzeptabel - abzuheben, beleuchtet
es schon hier den Trend der Dogmatisierungen: von
frommen Ansichten gilt es zu wahrscheinlichen und zu theologisch
sicheren Thesen zu gelangen, wie das letztverkündete,
d. h. als „göttlich offenbarte" Wahrheit von Pius XII. promulgierte
Dogma der Himmelfahrt Marias, das „vor der
eigentlichen Proklamation . . . als ,eine beinahe definierte
Wahrheit' bezeichnet worden" (S. 22) war.

Wie schwierig dieser Vorgang an sich nachvollziehbar
sei, verschweigt B. keinesfalls, auch nicht, „daß die Heilige
Schrift und die Tradition kaum eine Rolle in der Promulgation
des Dogmas und in seiner Verteidigung nachher
gespielt haben"; er stützt sein zustimmendes Verständnis
aber auf den Gedanken der Kirche bzw. des für Lehre zuständigen
„lebendigen" Magisteriums („d. h. die Bischöfe
der Welt zusammen mit dem Papst" S. 39, der also „,auf
dogmatische Überlegung' aufgebaut sei" (S. 35). Wie bald
(oder auch nicht) marianische Thesen der Co-redcmtrix, der
Mcdiatrix, der Dispensatrix aller Gnaden, der Himmelskönigin
, des Typs und der Mutter der Kirche zu „beinahe
definierten" und schließlich „definierten Wahrheiten" aufsteigen
, hängt demnach an der (zu- oder abnehmenden)
Popularität solcher „frommen" Ansichten. „Der Schutz und
die unfehlbare Interpretation des Glaubens wurde von Gott
einem lebendigen Organismus, der Kirche, anvertraut, und
weil die Kirche von heute dieselbe moralische Person ist,
die sie im ersten oder im zweiten Jahrhundert war, so
folgt logisch, dafj alles, worüber die Kirche von heute
lehrt, zum originalen Depositum der Offenbarung gehört..."
(J. B. Carol). Auf diese „als beste Antwort" auf die Frage der
Dogmatisierung „legendärer" Vorstellungen (S. 37) zitierte
Meinung des amerikanischen Mariologen wirkt die unsichere
Erwartung B.s in Sachen Josephinismus wenig
überzeugend. Gewifj lieft sich die Kurie in ihren Entscheidungen
immer mitleiten vom Trend in der Kirche, sie
lenkte ihn aber, und weckte ihn mehr als sich ihm zu
beugen (cf. S. 40; S. 59: „Gefahr der Subjektivität und der
Willkür"; S. 51: „Offb 12,1 ff." auf Maria zu deuten, „wird
unter Katholiken mehr und mehr populär").

Weithin, auch im Kapitel TV und V beim Vergleich der
protestantischen und der römisch- katholischen Behandlung
der marianischen Frage und beim Ergebnis des Vaticanum
Sccundum, berichtet B. zutreffend, wie überhaupt sich
fast alles als Wiedergabe einer dogmatischen Entwicklung
zeigt: bis hin zum protestantischen Versuch, „Maria als

die Figur der Kirche" zu verstehen (VI.), zur Josephologic
(VII.) und der Erörterung des Kenosis-Motivs, das als ein
„neues Prinzip" der Mariologie (VIII.) angesehen werden
soll. Leider hat Vf. die „Mariologie" von Michael Schmaus
(V. Band der Kath. Dogmatik, München 1961!) nicht berücksichtigt
(auch E. Göfjmann, Die Verkündigung an Maria,
ebenfalls im Max Hucber Verlag, München, nicht). Denn
die wünschenswerten Konzentrierungen auf biblische Entfaltungen
solcher Lehre, wie sie Schmaus aus dem „Ganzen
der Theologie, insbesondere aus der Christologie" laut Vorwort
versucht, würde auch B. gegenüber spekulativen Ausformungen
der Lehre zu schärferer Kritik geführt haben.
Das scheint mir als eine Warnung angebracht. Wahrscheinlich
dürfte Cullmann mit seiner, vielleicht etwas zu emphatischen
Äußerung, „dafj auch im deutschen Sprachraum
dieses bedeutsame Werk seine ökumenische Mission" erfüllen
werde, recht behalten. - Fraglos ist diese äußerst
knapp und klar eine Fülle von Material verarbeitende
Information sehr hilfreich, um den katholischen Standpunkt
weithin richtig zu sehen und zu verstehen. Es ist ein
„Arbeitsbuch", an dem die Diskussion sich gerade deshalb
fruchtbar entzünden kann, weil die Fülle der Aspekte nicht
verschwiegen und die Grenzen zwischen spekulativer katholischer
Lehrentfaltung und protestantischer Besinnung auf
die Schriften des Neuen Testamentes m. E. um der ökumenischen
Einheit willen deutlich bleiben sollten.

Jcn.-i Morst Beintker

Heijne, Rien: Sprache des Glaubens. Systematische Darstellung
der Theologie von Ernst Fuchs. Tübingen: Mohr
1972. VIII, 192 S. 8°. DM 29,-.

Das Buch gibt einen Durchblick und Überblick über die
Theologie von Ernst Fuchs, indem es sie in ihrer Eigenbewegung
unter Verzicht auf alle Bezugnahme zu ihrem
theologiegeschichtlichen Ort reproduziert. In der Einleitung
werden einige wichtige Begriffe (nicht die für E. Fuchs
charakteristischen termini) in ihrer Verwendung bei Ernst
Fuchs erläutert. Dann wird in einem ersten Teil mehr die
sprachphilosophische Seite, in einem zweiten Teil mehr
die sprachtheologische Seite der Arbeit von E. Fuchs dargestellt
. Das Problem ist natürlich der Zusammenhang
zwischen beiden Teilen: Was im Werk von Fuchs ver
schränkt ist im Dienst der Textauslegung, das tritt hier
auseinander, so dafj der Vf. die Zusammengehörigkeit im
Vorwort betonen muß. Aber die systematische Problematik
des Zusammenhangs wird nicht erörtert. Die Darstellung
bleibt ganz der Theologie von E. Fuchs immanent, so daß
Ernst Fuchs im Nachwort dem Vf. bescheinigen kann:
„Seine Präzisionsarbeit entspricht sowohl dem Wortlaut als
auch den Intentionen meiner Theologie".

In der Tat: der Wortlaut des Buches besteht so überwiegend
aus Texten von E. Fuchs, daß der Autor auf diplomatisch
getreue Bezeichnung des Zitierten verzichten muß
und sich auf einen im ganzen korrekten Nachweis der
Fundstellen beschränkt. Es handelt sich um eine systematische
Darstellung, die mit dem Mittel der Montage von
Originaltexten durchgeführt ist. Das wird an der Auskunft
des Autors, er habe „soviel als möglich die gleiche Sprache
zu sprechen versucht" (VII), nicht hinreichend deutlich:
der Autor spricht nicht selbst, sondern er läftt E. Fuchs
sprechen (So muß auch das häufige „Wir" oder das gelegentliche
„Ich" im Text verstanden werden). Darin bietet
er eine Leistung, die in der wissenschaftlichen Literatur
wohl einzigartig ist. Aber kann man sich in der wissenschaftlichen
Literatur dergleichen leisten? Man wird in dem
Verfahren das Bemühen um völlige Sachlichkeit sehen
müssen. Aber Verwirrung kann dadurch erst recht entstehen
: Wehe dem, der das Verfahren nicht erkennt (weil
er vielleicht die Originaltexte nicht zur Hand hat)l Und