Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Spalte:

909-916

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Sajdak, Jan

Titel/Untertitel:

Kwintus Septimusz Florens Tertulian 1973

Rezensent:

Starke, Arnold

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

909

Theologische Literarurzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12

910

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Florens, Kwintus Septymiusz: Tertulian: Wybör Pism.

Wstep Emil Stanula, Opracowanie W. Myszor i E. Stanula.
(Tertullian: Ausgewählte Schriften. Eingeleitet durch
E. Stanula, bearb. durch W. Myszor u. E. Stanula).
Warszawa: Akademia Teologii Katolickicj 1970. 215 S. 8° =
Pisma starochrzescijanskich pisarzy, V (Schriften altchristlicher
Schriftsteller, V).

Band I dieser Reihe („Die Briefe Cyprians") wurde in
ThLZ 96, 1971 Sp. 599 ff besprochen. Wie der erste, so ist
auch der jetzt vorliegende Band offenbar nicht so sehr für
Fachleute bestimmt, sondern aJlgemein für den „zeitgenössischen
Leser", S. 214. Ihm soll die Tertullian-Auswahl
zeigen, „wie der Mensch, der der konkreten geschichtlichen
Wirklichkeit verpflichtet ist, die . . . Fragen des christlichen
Lebens lösen kann". So steht es auf polnisch und fran
zösisch im Nachwort der Schriftleitung, die aus den Pfarrern
Marian Michalski und Wincenty Myszor sowie den
Patres Andrzej Guryn, Mateusz Bogucki O. P., Jacek Bojarski
O. P. und Emil Stanula CSSR besteht.

Stanula hat die meisten hier gebotenen Schriften T.s
übersetzt, auch die Einleitung (S. 11-29) verfaßt Obwohl
die Ausgabe einem breiteren Leserkreise zugedacht ist, so
wendet sich der „Eingang" offenbar doch besonders an
geschichtlich und theologisch Gebildete. Darauf deuten auch
die Hinweise auf polnische und ausländische, besonders
französische Forscher.

Hier wird daran erinnert, daß 1924 in Polen mit der
Herausgabe altchristlicher Schriften in polnischer Sprache
begonnen wurde. Von T. wurden nur das „Apologeticum"
und „De praescriptione hacreticorum" übersetzt. Stanula
pflichtet Labriolle bei, der die apologetischen und antihäretischen
Schriften T.s nicht als die wertvollsten und
anziehendsten Teile seines Werks ansehe. Die ethisch-
aszetischen Schriften führten besser dazu, Lage und Haltung
der Christenheit (besonders in Afrika) um die Wende
vom II. und III. Jh. und auch die Person des Kirchenvaters
kennenzulernen. Daher sollten gerade solche Schriften hier
- schon im vorliegenden Band - erscheinen. Ihnen wird '
jedoch eine neue Übersetzung von „De praescriptione"
vorausgeschickt, die leichter lesbar sei als die frühere von
Professor Czuj.

Dieser habe in seiner Einleitung den Sinn des Titels
nicht genügend erklärt. Daher erläutert Stanula nun ausführlich
den Begriff „Praescriptio", für den Czujs Über
Setzung „przcdawnienie" ( Verjährung) nicht ausreiche,
auf Grund des altrömischen Rechts und der Verwendung
bei T. Urteile ausländischer Gelehrter werden dabei herangezogen
. Auf mehr als zehn Seiten wird der „praescriptio"-
Bcgriff, wie T. ihn besonders in seiner großen antihäretischen
Schrift verwendet, eingehend erörtert, da »diese
Abhandlung eine Reihe von Einzelfragen darbietet, die in
den patrologischen Handbüchern noch nicht klar genug
dargestellt worden" seien.

Stanula bespricht dann kürzer und allgemeiner T.s mehr
auf das praktische Leben abzielende Schriften. Er hält sie
für viel anziehender als die dogmatisch-polemischen und
apologetischen, da jene die Haltung umschrieben, die die
Christen der damaligen Kultur gegenüber einnehmen sollten
. Im Anschluß an Labriolle und an J. Sajdaks polnisches
Werk über T. (Poznan 1949) macht der Vf. in der Einleitung
klar, daß die christliche Gesellschaft schon zu T.s
Zeit nicht so ideal und einheitlich gewesen sei, wie es
scheinen mochte: neben schlichten Gläubigen gab es Gebildete
, die an verwickelten Fragen der Metaphysik ihre
Freude hatten; neben freiheitlich gesinnten auch Eiferer
wie T., auf dessen strenges Verständnis vom Christentum
und vom Wesen Gottes Stanula eingeht. Dabei hebt er die

Kleinlichkeit hervor, mit der T. z. B. in „De idololatria" die
Lebensführung seiner Mitchristen zu bestimmen suchte.
Neben den strengen Tönen findet Stanula freilich - z. B. in
„De paenitentia" - auch milde und friedliche, sogar „Stellen
voll mystischer Süße, voller Mitgefühl und zarter Liebe"
(S. 28). Eine ähnlich heitere Stimmung herrsche in „De pa-
tientia" und in „De oratione". Ein anderes - männliches -
Gepräge kennzeichne die Schrift „De martyribus". In der
zutage tretenden asketischen Neigung sieht Stanula die
tiefste Grundlage in T.s Wesen, wofür zahlreiche Beispiele
aus seinen Anweisungen für ein christliches Leben angeführt
werden.

Doch eine persönliche „Schwäche" habe dieser strenge
Sittenrichter nicht überwunden: seine Liebe zur Rhetorik
mit all ihren Kunstgriffen. Das trete besonders hervor in
seinem originellsten Werk, der Abhandlung „De pallio".
Stanula findet es „verwunderlich, daß einer, der das Menschenleben
so ernst nimmt und von der Erwartung der
himmlischen Heimat so durchdrungen ist, zugleich an derartigen
literarischen Ausführungen Gefallen fand". Dieser
Widerspruch zeige, wieweit T. doch trotz allem ein
Mensch seiner Zeit gewesen sei, und wie tiefe Spuren die
weltliche Kultur in ihm hinterlassen habe, der er doch sein
Vertrauen ganz entzogen hätte. - Aber einen solchen
„Widerspruch" wird man wohl bei vielen streng christlichen
Schriftstellern finden (es sei an Speners Leistungen auf dem
Gebiet der Wappenkunde erinnert).

Die polnische Tertullian-Auswahl gibt folgende Schriften
wieder: I. Ad martyres, II. De praescriptione haereticorum,
III. De spectaculis, IV. De oratione, V. De baptismo, VI. De
patientia und VII. De paenitentia. Nr. III ist von W. Myszor,
Nr. IV von W. Kania übersetzt, alles übrige von E. Stanula.

Was hier im Jahr 1971 über O. W. Szoldrskis Übersetzung
der Briefe Cyprians gesagt wurde, gilt auch von
dieser T.-Ausgabe: es sind weithin freie Übersetzungen, die
dem heutigen Leser den Zugang zu dem alten Kirchenvater
erleichtern sollen. Die kraftvolle Prägnanz der Sprache T.s
kommt so nicht voll zu ihrem Recht, wenn auch der Sinn
des Ganzen durch die Freiheiten der Übersetzung nicht entstellt
wird.

Im einzelnen sei folgendes angemerkt:

Zu „De praescriptione". Wenn T. zu Beginn
dieser Schrift behauptet, Häresien seien dazu da, daß der
Glaube durch Versuchungen bewährt werde, so zieht der
Übersetzer in einer Anmerkung daraus den beachtlichen
Schluß: „Häresien haben nicht nur destruktiven, sondern
auch konstruktiven Charakter". - Zu Abschnitt 6: Wenn
Paulus nach T. die Häresien „taxat", so erscheint die Übersetzung
„potgpia" ( verdammt) dafür zu scharf. - Zu
Abschn. 7 (Anfang) wäre ein Hinweis auf 1 Kor 1, 27 erwünscht
. - Im 10. Abschn. (mehr gegen Ende) sind die
Worte „aliud non esse credendum, ideoque" unübersetzt
geblieben. - Der Anfang des 13. Abschnitts „Regula est
autem fidei" klingt im Urtext lapidarer als in der Übersetzung
, wo es heißt: „Wiara zas nasza ujeta jest w pewna.
regulq" ( Unser Glaube aber ist in eine gewisse Regel
gefaßt). Wenn kurz darauf von der Menschwerdung des
Gottessohnes („natum hominem") die Rede ist, sollte das
Wort „Mensch" auch in der Übersetzung erscheinen. Sollte
man die Worte „facta utriusque partis resuscitatione cum
carnis resurrectionc" zu übersetzen mit „po wskrzeszeniu
tak jednych jak i drugich w ich dawnym ciele" (■= nach
Erweckung der einen wie der andern in ihrem alten
Leibe)? - In Abschn. 15, 1. Hälfte, sind die Worte „statim"
und „in ipso vero congressu" nicht übersetzt, „wielu"
(= viele) für „quod sam" ist zu stark. - Zu Beginn von
Abschn. 17 ist von einer Häresie die Rede, die einige
Bücher der Hl. Schrift nicht annehme. Dann heißt es: »si
quas reeipit . . ." Hier sollte nicht übersetzt werden: „jesli
przyjmuja. wszystkie" ( wenn sie a 11 e annehmen . . ."). -
Für den Schluß des 19. Abschnitts wünschte man sich eine