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Ausgabe:

1973

Spalte:

903-904

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stemberger, Günter

Titel/Untertitel:

Der Leib der Auferstehung 1973

Rezensent:

Delling, Gerhard

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toratreuen Sinn verarbeiten kann, aufgeschlossen ist für
die gegenwärtigen sozialen und politischen Probleme der
Gegenwart. Josephus (S. 273. 321) und Philo (vgl. Register)
werden positiv einbeschlossen, aber auch im weiteren Sinn
Plato, Aristoteles, Seneca, Plotin tu a. Dies traditionell bestimmte
Judentum ist geistesgeschichtlich keineswegs eng,
in halachischer Hinsicht aber abgegrenzt. Auffallend ist,
daß die gegenwärtige religionswissenschaftliche Arbeit Israels
nicht stärker herangezogen wurde (vgl. die Nennung
M. Bubers und G. Scholems, letzterer fehlt sogar im Register,
das auch sonst nicht sorgfältig ist) auf S. 462 bei der
Behandlung des Chasidismus, die auch sonst nicht ganz
befriedigt. Auffallend ist, daß historische Fragen
völlig zurücktreten und Namen der Verfasser großer
historischer Untersuchungen kaum genannt werden (vgl.
das in dieser Hinsicht aufschlußreiche Register: ich vermisse
vor allem H. Grätz und Dübnow). Selbstverständlich sind
geschichtliche Fragen des Judentums oft angedeutet, aber
nicht expliziert behandelt. Die Aufteilung des Buches behandelt
: Philosophie, Religion, Halacha, Wissenschaft, nicht
aber Geschichtswissenschaft. Das ist eine Schwäche des
Ganzen. Die intcntionale Bestimmung der
Philosophie durch Dr. Belkin halte ich für ausgezeichnet
und würde ihr zustimmen.

Tübingen Otto Michel

NEUES TESTAMENT

Stemberger, Günter: Der Leib der Auferstehung. Studien
zur Anthropologie und Eschatologie des palästinischen
Judentums im neutestamentliehen Zeitalter (ca. 170 v. Chr.
bis 100 n. Chr.). Rome: Biblical Institute Press 1972. Vni,
139 S. gr. 8" = Analecta Biblica. Investigationes scienti-
ficae in Res Biblicas, 56. Lire 3.600,-.
Die vorliegende Arbeit wird nicht zuletzt das besondere
Interesse der Neutestamentier finden, zumal angesichts der
Ankündigung einer „Studie über die Vorstellungen vom
Auferstehungsleib" in 1 Kor 15 und 2 Kor 5 durch den Vf. (4).
Die Begrenzung der vorbereitenden Untersuchung auf das
palästinische Judentum wird vermutlich in der folgenden
spezieller begründet werden. Die Einordnung des 2 Makk
in die palästinische Literatur, für die sich St. auf sachkundige
Vorgänger berufen kann (6 f), zeigt einmal mehr, wie
schwierig die Abgrenzung palästinisch- und hellenistischjüdischer
Vorstellungen ist', so wenig auf die Unterscheidung
verzichtet werden kann.

St. bemüht sich um eine möglichst weitgehende Differenzierung
der verschiedenen Aussagen, nicht nur durch
die gesonderte Behandlung der einzelnen Schriften bzw.
ihrer Teile (zumal in 1 Henoch), ein Verfahren, das zur
Erkenntnis einer Entwicklung der Auffassungen führt, die
allerdings „durchaus nicht geradlinig vor sich" geht (115).
St. unterscheidet zwischen einer Auferstehung in „volle(r)
Leiblichkeit" (38. 51), einem „materiellen Leib" (49), einerseits
und einer „Auferstehung des materiell selben Leibes"
(17, vgl. 20. 25), „des verstorbenen Leibes" (115 f), in einer
„Wiedervereinigung von Leib und Seele" (17), andererseits
Die Untersuchung wird nicht zuletzt dadurch erschwert, daß
die betreffenden Schriften nur begrenzt unmittelbare Auskunft
auf die gestellte Frage geben. Doch tragen zu ihrer
Beantwortung Untersuchungen zur Anthropologie, zum Verständnis
des Todes und des Zustande« der Toten teilweise
Wichtiges bei, auch wenn manche Schlüsse hypothetisch
bleiben müssen.

St ordnet im Schlußteil die behandelten Schriften in
drei Gruppen. 2 Makk, 1 Hen 1-90 und die Testamente
der zwölf Patriarchen fassen „die Auferstehung als eine
Rückkehr des Toten auf die Erde ... in seiner vollen

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irdischen Leiblichkeit auf" (115), nicht als eine „Wiedervereinigung
von Leib und Seele" (ebd., s. o. und 24. 51. 60.
71). Ps Sal und 1 Hen 91-108 „geben keine Antwort auf
unsere Frage" (116). 4 Esr, 2 (syr) Bar und der pseudo-
philonische über antiquitatum biblicarum verstehen den
Tod „als Trennung von Leib und Seele" (116). Im lib ant
bibl, dem sich St. z. B. auch in bezug auf seine Anthropologie
besonders eingehend gewidmet hat, stehen allerdings
nach ihm noch alte und neue Auffassung nebeneinander
; der Tod wird auch „vom ganzen Menschen einheitlich
ausgesagt" und dementsprechend die Auferstehung als
„Erwachen zu neuem Leben auf der Erde ... in irdischer
Leiblichkeit" aufgefaßt (116). In 4 Esr kommen die Seelen
aus den Kammern, in denen sie aufbewahrt wurden, „zu
neuem leiblichem Leben" auf der völlig erneuerten Erde
(ebd.); die Vorstellung einer „Wiedervereinigung von Leib
und Seele" ist in 4 Esr „schon sehr nahe" (84). In 2 Bar ist
„Ort des Auferstehungslebens" „das himmlische Paradies"
(90. 117); nach der Auferstehung im alten Leib wird dieser
„vollkommen verwandelt... in eine neue Leiblichkeit" (117).
Bemerkenswerterweise verbindet sich damit in 2 Bar als
vorherrschend „die alte Auffassung, daß der ganze Tote in
der Scheol oder der Erde ist" (ebd., s. 95 f).

Offensichtlich sind die verschiedenen Vorstellungen, die
den Leib und die Seele im Blick auf den Zustand nach
dem Tod und auf die Auferstehung betreffen, nicht leicht
zu rubrizieren *. St. hat sich nachdrücklich um das Verständnis
des gesamten Aussagenbereichs in den genannten
Texten bemüht, in die er sich auch nach der sprachlichen
Seite eingearbeitet hat, auf komplizierte Fragen aufmerksam
gemacht, die sich von ihnen her ergeben können, und
zu ihrer Beantwortung beigetragen.

Hftlle/Saale Gerhard Delling

' St. spricht hinsichtlich der Anthropologio des 2 Makk
von einem „starken hellenistischen Einfluß" (11).

5 K. Schubert, Die Entwicklung der Auferstchnngslehre
von der nachexilischen bis zur frührabbinischen Zeit, BZ NF K.
1962, 177—214, redet entsprechend von einer „Auferstehung der
körperlich-seelischen Einheit des menschlichen Wesens" im
Unterschied zu einer resurrectio carnls (2011. „Anspielungen
auf eine konkrete Wiederbelebung des verstorbenen Fleischesleibes
" finden sich im 1. Jh. vC, am Ende des 1. Jh. n('. „ist
diese Vorstellung voll entwickelt", 4 Esr, 2 Bar (201, s. 2(Hi).

* „Hier macht sich . . . die Unlust des Judentums zu
dogmatischem Denken fatal bemerkbar", Schubert (s. Anin. t)
197, vgl. 191.

Gerber, Uwe, u. Erhardt Güttgemanns (Hrsg.): „Linguistische
" Theologie. Biblische Texte, christliche Verkün
digung und theologische Sprachtheorie. Bonn: Linguistica
Biblica 1972. 248 S. 8" Forum Theologiae Linguisticac.
Interdisziplinäre Schriftenreihe für Theologie und Linguistik
in Verb. m. R. Breymayer u. D. Ellena hrsg. v.
E. Güttgemanns, 3. DM 19,75.

Der im Typoskriptdruck vorliegende Band bringt als
Bericht von der Loccumer gleichnamigen Tagung vom
Februar 1972 die dort gehaltenen Vorträge und Teile der
anschließend geführten Diskussionen.

W. Raible gibt zur Einführung „Textlinguistische Überlegungen
zu neutestamentliehen Texten" (9-26; Diskussion
27-37): Textlinguistik geht über die nur an Einzelsätzen
orientierten Transformationsgrammatik hinaus und beabsichtigt
„das Erarbeiten der Regeln, welche der Verknüpfung
von Sätzen zu Texten bzw. der Verbindung zwischen
Sätzen oder Texten und dem nichtsprachlichen Kontext zugrunde
liegen" (11). Die Bestimmung von Textsorten nach
entsprechenden Gliederungssignalen wird an einigen Erzähl-
Beispielen veranschaulicht, wobei deutlich wird, daß es sich
dabei weitgehend erst um eine Aufgabenstellung handelt.
Geklärt wird als definierte Kategorie vorerst nur „Erzählung
" als Aufeinanderfolge von verschiedenen Situationen

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12