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Ausgabe:

1973

Spalte:

898-900

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Congress Volume Uppsala 1971 1973

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 12

89R

anläge und der Inhalt einen guten Querschnitt durch den
gegenwärtigen Stand der Psalmenforschung.

Die Übersetzung ist flüssig und liest sich gut. Sie ist
angereichert mit jenen Ausdrücken, die nun einmal die
Umgangssprache zu beherrschen und zu bestimmen scheinen
wie: Hochnäsig, Dreck, Plunder, Schurke, Schufte, schinden,
hochmütig, Profit, pfeifen auf alles und alle, Mundwerk,
Grundordnung, aalglatt, klatschen, Rufmord, Schmiergeld,
Wanst, Bande, Verbrecher, Muskel, Schreckgespenst, Maul,
blamieren, kaltmachen ( töten), wildfremd, eingebildet,
umkippen wie eine Mauer, wachsender Wohlstand, struppig.
Großprotzige, Verräterpack. Aber diese umgangssprachlichen
Wendungen stören nicht, sondern fügen sich dem ganzen
gelockerten Übcrsetzungsgcfüge gut ein. Freilich läßt sich
die Frage stellen, ob denn eine solche Übersetzung den
biblischen Psalmen und ihrer Sprache wirklich angemessen
erscheint. Die Herausgeber betonen das kultische Element
der Psalmen, indem zahlreiche Ereignisse und Erscheinungen
des Lebens im Tempel gefeiert bzw. vorgebracht wurden
, so dafj doch eine gewisse Sakralsprache, eben wie sie
im Tempel üblich zu sein pflegte, diese Psalmen in ihrer
Wortwahl bestimmte, sicher auch in der Wahl ihrer Bilder,
mit denen sie das Handeln Gottes veranschaulichen wollte
Das Übcrsetzungsproblem besteht nun darin, wie diese
Sakralsprachc heute sinngemäß erfaßt und wiedergegeben
werden kann. Die Übersetzer lösten das Problem damit,
daß sie die gegenwärtige Umgangssprache wählten, um
offenbar dem modernen Menschen einen Zugang zu der
Welt der Psalmen zu bieten. Die Problematik, um die es
sich dabei handelt, wird an Ps 84,12 deutlich. Dort heißt
es: »Denn Sonne und Schild ist Jahwe, der Herr gibt Gnade
und Ehre." Die vorliegende Übersetzung sagt dafür: „Denn
Gott der Herr wärmt und schützt uns". Das ist weniger als
der hebräische Urtext sagt. Sonne ist nicht nur Wärme,
Sonne kann auch Tod bedeuten. Das Tremendum und das
Fascinosum sind in diesem Bild gleichermaßen vorhanden.
Auch die Wendung „schützt uns" ist blaß, während das Bild
vom Schild zugleich den Gedanken des Kampfes der Verteidigung
und des göttlichen Mitkämpfers enthält. Freilich
übersetzt der Herausgeber das folgende .Der Herr gibt
Gnade und Ehre" mit „Er gibt uns Kraft und Ansehen",
wobei ich chen nicht gerade mit Kraft übersetzen würde.
Sollte in dieser Übersetzung noch etwas nachgetragen werden
aus den kraftvollen Bildern von Sonne und Schild?
Vielleicht darf ich noch an den Begriff der epischen Gehaltenheit
der Bibelsprache erinnern, der vor über 40 Jahren
sehr zur Debatte stand. In der Bildersprache der Psalmen
und der Klagelieder kommt diese epische Bestimmtheit
vielfach zum Ausdruck, und es fragt sich, ob man nicht
doch gewisse Bilder stehenlassen müßte, ohne sie in
Begriffe und Formulierungen der Umgangssprache einzu-
fangen. Die Sonne und der Schild sind leicht eingängige
Bilder, während beispielsweise der öfter vorkommende
Begriff „Stellholz" eigentlich einer Erklärung bedürftig
gewesen wäre, so daß die Frage entsteht, ob man hier nicht
einen anderen Begriff hätte wählen können. Aber diese
Hinweise sollen nur zeigen, wie stark der Eindruck dieser
neuen Übersetzungen ist, und daß zahlreiche mustergültige
Übertragungen gelungen sind, insbesondere hinsichtlich der
häufig vorkommenden Termini für Loben und andere Wendungen
wie hälal, bärakh, saedaeq, mischpät etc. Man wird
diese Leistungen mit Dankbarkeit in der eigenen Arbeit
verwenden und sich durch sie anregen lassen.

Für die nächste Auflage wäre zu erwägen, ob nicht ein
wenig über den Begriff der Umgangssprache gehandelt
werden könnte. Die Umgangssprache wird als bekannt vor
ausgesetzt und ist doch ein sehr vielschichtiges Gebilde, das
keineswegs so einfach zu erfassen ist. Vielleicht können
an Hand des Werkes von Elise Riesel, Der Stil der deutschen
Alltagsrcde, Leipzig 1970, einige Hinweise gegeben
werden.

LeipziK Hans Hardtkc

Congress Volume Uppsala 1971. Leiden: Brill 1972. vm,
293 S. 8° Supplements to Vetus Testamentum, ed. by
G. W. Anderson, P. A. H. de Boer, G. R. Castellino, H. Capelles
, J. A. Emerton, E. Nielsen, H. G. May, W. Zimmerli
XXII. Lw. hfl. 96,-.
Der durch P. A. H. de Boer bevorwortete Band enthält
eine Reihe der Referate, die auf dem unter dem Vorsitz von
H. Ringgren vom 8.-12. August 1971 abgehaltenen Inter
nationalen Alttestamentlerkongreß in Uppsala vorgetragen
wurden. Aufgenommen sind außerdem zwei Beiträge anderer
Herkunft, während einige Kongreßreferate an anderen
Stellen publiziert werden.

Die Vormittagssitzungen beschäftigten sich mit je einem
Thema - daraus ergibt sich für die Aufsätze z. T. eine
sachliche Gruppierung -, wogegen nachmittags freie Mitteilungen
möglich waren.

Den Reigen der in dem vorliegenden Band vereinigten
Artikel eröffnet H. S. Nyberg (Die schwedischen Beiträge
zur alttestamentlichen Forschung in diesem Jahrhundert.

I- 10), der in einem herzerfrischenden Plaudcrton darlegt,
wie der Weg, den die Forschung am Alten Testament in
Schweden ging, von der Begegnung mit der Wellhausen-
schen Kritik her begriffen werden muß, und wie sie ihren
eigenen Standort gefunden hat. Von Interesse ist dabei die
Bemerkung, man solle die Bezeichnung ,Uppsalaer Schule
(das gleiche gilt für die Prägung .Schwedische Schule') meiden
und statt dessen von der .skandinavischen Schule'
sprechen.

Drei Beiträge befassen sich mit der im Raum der alttestamentlichen
Wissenschaft neu aufkommenden Methode
der Strukturanalyse. M. Weiss (Die Methode der „Totalinterpretation
" - Von der Notwendigkeit der Struktur-Analyse
für das Verständnis der biblischen Dichtung, 88-112)
spricht davon, es sei „eine radikale Revision der herkömmlichen
Methode von Nöten", bezieht sich dabei auf die
Gattungsforschung und legt seine Überzeugung anhand von
Beispielen ausführlich dar. Verdienen die Äußerungen als
Korrektiv mancher Auswüchse in der Formkritik ernsthafte
Beachtung, so geht es andererseits zu weit, wenn die
Gattungsforschung überhaupt als unangemessen verdrängt
werden soll. Freilich ist dem Verfasser auch darin zuzustimmen
, daß dann, wenn man die Traditionsgebundenheit
überbetont, man die gedankliche Leistungsfähigkeit des
biblischen Autors schmälert, der eine vorgegebene Gattung
benutzt, um Eigenes mit ihr auszudrücken. Prinzipielle
Erwägungen zur Sache bringt P. Beauchamp (L'Analyse
structurale et l'Exegese biblique, 113-128), der darauf hinweist
, daß keine Einhelligkeit in der Definition des Begriffes
„Strukturalismus" besteht und ihn von seinem Ursprung
her zu verstehen sucht. Die Forschungsrichtung geht bis ins
vorige Jahrhundert zurück. B. illustriert mehrere Möglich
keiten der Strukturanalyse. Schließlich bespricht R. C u 11 e y
(Some Comments on structural Analysis and biblical Studies,
129-142) die durch E. Leach vorgetragene Analyse biblischer
Texte kritisch und macht Einwendungen dagegen. C. ist in
seinem Urteil zurückhaltend. Die Strukturanalyse sei hilfreich
, könne aber nicht die einzige Methode werden, einen
Text zu erklären.

Eine das Verständnis des gesamten Alten Testaments
umgreifende Äußerung stammt von J. Barr (Semantios
and biblical Theology - a Contribution to the Discussion,

II- 19). Am Ende seiner Ausführungen formuliert er den
Satz: „... any biblical theology working on the Old
Testament must over a certain area rest upon a sufficient
grounding in the Hebrew language and its modes of
expression; and it must show an adequate knowledge of
modern semantic studies in Hebrew ..."

Mehrere Forscher beschäftigen sich mit dem heute vie!
verhandelten Problem der Apokalyptik. Dabei wendet sich
R. North (Prophecy to Apocalyptic via Zechariah, 47-71)
der Frage zu, inwieweit die beiden literarisch zu unter-