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Ausgabe:

1973

Spalte:

877-878

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Ökumenischer Katholizismus 1973

Rezensent:

Boor, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

878

verweigert" (54), zum anderen, daß die »Chance eines offenen
und werbenden Ökumenismus .. . nicht wahrgenommen"
(62) wird.

Die an dem römischen Entwurf geübte Kritik trifft aber
nach D. ganz genauso den protestantischen Konkordien-
entwurf, in dem „die anstehenden drei großen Themen in
Kirche und Kircherwerfassung - communio, Dualität der
Verfassung und Einheit - in der gleichen Weise, wenn auch
spiegclverkehrt, ... vorkommen" und „ungelöst verdrängt
werden" (58). D. bejaht nachdrücklich das Ziel einer inner-
protestantischen Einigung. „Weder von der geistlichen Wirklichkeit
unseres Zusammenlebens noch von dem Bestände
verbindlicher theologischer Aussagen her läßt sich die Ausschießlichkeit
der getrennten Konfessionen aufrechterhalten
" (60). Um so gewichtiger ist seine Kritik. „Diese Art von
Kirchengemeinschaft stellt eine geistliche Zollunion dar, in
der die Zirkulation von möglichst vielen Hindernissen befreit
wird. Charakteristisch ist, daß eine positive Verbundenheit
und gegenseitige Verpflichtung der einzelnen Kirchen
nicht zu den konstitutiven Merkmalen, sondern nur zu den
Folgen gerechnet wird" (75). Mit dem „satis est" von CA
VII wird „ein grundsätzlicher Partikularismus legitimiert"
(ebd.). „Das gleiche Subjektverständnis, welches sich im
souveränen modernen Nationalstaat wie im bürgerlichen
Rcchtsgcdankcn ausgeprägt hat, ist die Voraussetzung für
die Bildung dieses Begriffs von Kirchengemeinschaft" (ebd.).

Den Kern des Problems schält D. klar heraus i „Die theologischen
Aussagen sind" im Konkordienentwurf „durchgängig
einer zweiwertigen Logik unterworfen worden, in welcher
es allein die Alternative zwischen Wahrheit und Irrtum
gibt. Angewendet auf das Problem kirchentrennender
Lehren bedeutet dies, daß die bestrittenen Aussagen entweder
entscheidende und damit kirchentrennende oder sekundäre
und dann erträgliche, nichttrennende sind. Eine andere
Verhältnisbestimmung zwischen unterschiedlichen Aussagen
kommt nicht in Betracht" (81). „Nun stellt sich jedoch gerade
die Wahrheit des Evangeliums in dialektischen, para-
doxalen, antinomischen und nach neuerer Einsicht womöglich
sogar komplementären Seins- und Denkformen dar"
(ebd.). Daran gemessen erscheint die Methodik des Kon-
kordienentwurfs als fragwürdig. Er vollzieht lediglich „eine
defensive Kontraktionsbewegung. Man trifft sich in der
Mitte auf dem Boden eines milden, akademisch-humanistischen
Mclanchthonianismus" (100). Diese „Kontraktionsbewegung
steht parallel zu der thematischen Beschränkung
der Kodex-Reform auf die Schaffung einer Lex Ecclesiae
Fundamentalis. Das defensiv deutlich abgegrenzte Feld wird
übersichtlicher, die nicht behandelten Fragen werden partikular
und relativ unwichtiger. Beide Teile stellen sich auf
das, worin sie ihre unangreifbare Stärke sehen ... Im übrigen
werden die theologischen Vorstädte niedergebrannt.
Die Felder werden nicht bestellt, sondern geräumt" (ebd.).

Das sind Einwände, die keine der betroffenen Kirchen
auf sich beruhen lassen kann. Sie müssen entweder überzeugend
widerlegt oder zum Anlaß genommen werden, noch
einmal von vorn zu beginnen und zunächst die nach D.s
Meinung geflissentlich umgangenen Prinzipienfragen zu
stellen. Billiger ist im ökumenischen Zeitalter weder ein
neuer Kodex noch eine Konkordie zu haben.

Leipzig Siegfried Krügel

Krahl, Wolfgang: Ökumenischer Katholizismus. Alt-Katholische
Orientierungspunkte und Texte aus zwei Jahrtausenden
. Bonn: St. Cyprian [1970]. 176 S. 8°.
„Ausgangspunkt und Ziel des ökumenischen Weges der
Alt-Katholiken ... ist die altkirchliche Ökumene, wie sie sich
in der Ungeteilten Katholischen Kirche des ersten Jahrtausends
manifestiert hat. Ihre sichtbare Einheit war vor allem
durch eine echt katholische Synthese von kirchlicher Bindung

und Freiheit gewährleistet - kirchliche Bindung an die
apostolischen Glaubenslehren und Grundordnungen und die
darauf gründenden Konzilsentscheidungen der Gesamtkirche
, kirchliche Freiheit in der Unabhängigkeit und Gleichberechtigung
der Landeskirchen in der Eigengestaltung
kirchlichen Lebens und der Selbstverwaltung kirchlicher
Angelegenheiten sowie in der Teilhabe aller an der Ausübung
der kirchlichen Vollmacht. Der altkatholische ökumenische
Weg ist also der, den die ursprünglichen .alten'
Katholiken im christlichen Altertum in ihrer Gesamtheit beschritten
hatten ... Diesem altkirchlichen ökumenischen Weg
weiter zu folgen, ihn fortzusetzen, sehen die Alt-Katholiken
als ihre Aufgabe an. Diesen Weg in seinen wichtigsten Abschnitten
auf Grund der bedeutendsten zeitgenössischen
Dokumente - die in wesentlichen Stellen wörtlich wiedergegeben
sind - darzustellen, ist die Absicht dieser Arbeit"
(S. llf).

Nach einer Vorbemerkung von Bischof Professor Dr. Urs
Küry-Bern über „die altkirchliche Ökumene" (S. 9-11) und
einer Einleitung über den „ökumenische(n) Weg der Alt-
Katholiken" (S. 11-13) werden zunächst die gegensätzlichen
Lehrentscheidungen des Konstanzer und des I. Vatikanischen
Konzils gegenübergestellt und kommentiert (S. 13-17). Dann
folgen Darlegungen und Quellen über „Grundzüge ökumenisch
-katholischer Kirchenordnung im 1. Jahrtausend" (S. 17
bis 75). Der nächste Abschnitt ist der „Umwandlung der Episkopalverfassung
zum Papalsystem seit dem Mittelalter" gewidmet
(S. 76-83). Im folgenden Abschnitt werden unter
der Überschrift „Tausend Jahre altkatholische Widerstandsbewegungen
" (!) so verschiedenartige Größen wie die orthodoxen
Kirchen des Ostens, das Konstanzer Konzil, die Anglikanische
Kirche, der Gallikanismus, die Utrechter Kirche,
die Versuche 'zur Wiederherstellung der bischöflichen Gewalt
in Deutschland, die italienische Synode von Pistoia
1786 und Wessenbergs Konstanzer Reformbistum zusammengefaßt
(S. 83-110). Die letzten Abschnitte dienen dann
der Dokumentation des eigentlichen Altkatholizismus: „Altkatholische
Opposition gegen das Papstdogma 1870" (S. 110
bis 133), „Alt-Katholische Bewegung - Wahrung altchristlicher
Bindung und Freiheit" (S. 134-146), „Alt-Katholische
Kirchen - Wiedergewinnung der altkirchlichen Ökumene"
(S. 146-173). In Anmerkungen wird auf weiterführende Literatur
verwiesen und am Schluß ein Überblick über lieferbare
einführende und grundlegende altkatholische Schriften
gegeben (S. 174-176).

Das vorliegende Werk ist ohne Zweifel geeignet, den altkatholischen
Standpunkt zu Fragen der kirchlichen Struktur
und der kirchlichen Einheit kennenzulernen.

Halle/Saole Friedrich de Boor

Zorn, Herbert M. i Much Cause for Joy - and Some for
Learning. A Report on 75 Years of Mission in India. Ma-
lappuram, Kerala: Missouri Bvangelical Lutheran India
Mission, u. Vaniyambadi: Concordia Press 1970. XI, 64 S.,
13 Abb. a. 8 Taf. 8°.

Vf. gibt einen Abriß der Geschichte seiner Mission (Missouri
Evangelical Lutheran India Mission, MELIM) 1894
bis 1969, wobei er mehr das Exemplarische herausarbeitet
und entscheidende Wendepunkte darstellt als historische Daten
lückenlos mitzuteilen sucht. Der Weg vom Missionsfeld
zur indischen Kirche (India Evang. Luth. Ohurch, IELC) wird
kritisch nachgezeichnet; ein Ausblick auf künftige Entwicklungen
wird gewagt.

Interessant für deutsche Leser ist die Entstehung dieser
Missionsarbeit aus einem theologischen Disput innerhalb
der Leipziger Mission. Die ersten Missouri-Missionare wie
auch der erste .Missionsdirektor' der Synode in den USA
waren ehemalige Leipziger. Noch 1914 verlor die Mission
5 ihrer 14 Leute in Indien durch Internierung oder Depor-