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Ausgabe:

1973

Spalte:

863-865

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Schmitz, Philipp

Titel/Untertitel:

Die Wirklichkeit fassen 1973

Rezensent:

Wiebering, Joachim

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863

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

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Fichter, Joseph H.: The Concept of Man in Social Science:
Freedom, Values and Second Nature (Journal for the
Scientific Study of Religion 11, 1972 S. 109-121).

Galland, Corina: Introduction a la Methode de A.-J. Grei-
mas (EThR 48, 1973 S. 35-48).

Gounelle, Andre: Les quatre sens de l'ecriture (EThR 48,
1973 S. 7-10).

Griff in, David: Whitehead and Niebuhr on God, Man, and
the World (JR 53, 1973 S. 149-175).

Huizing, Petrus J. M.: De functie van het Petrus-ambt in
de kerk (TijdschrTh 13, 1973 S. 58-74).

Kappus, Walter: Die Hauptsache Gott - was denn sonst?
(FrChr 25, 1973 Sp. 227-229).

Köberle, Adolf: „Holt die Natur in das christliche Denken
und Leben zurück!" (FrChr 25, 1973 Sp. 220-226).

Kohls, Ernst-Wilhelm: Vorwärts zu den Tatsachen. Zur Überwindung
der heutigen Hermeneutik seit Schleiermacher,
Dilthey, Harnack und Troeltsch. Separatdruck der Theologischen
Zeitschrift Basel erweit. 2. Aufl. Basel: F. Reinhardt
[1973). II, 56 S. 8°. Kart. DM 5,-.

Lapointe, Roger: Bloomusalem ou langage de l'esperance, in:
Le Point Theologique, 4: L'esperance chretienne dans un
monde secularise, hrsg. v. A. Naud. Paris: Beauchesne
1972 S. 49-71.

Lempp, Rudolf: Zur Theologie vom Tode Gottes. Eine
ernsthafte Legende (FrGhr 25, 1973 Sp. 226-227).

Murphy, Steven E.: A Note on Clergy-Laity Differences
Among Lutherans (Journal for the Scientific Study of
Religion 11, 1972 S. 177-179).

Myre, Andre: L'esperance et le royaume de Dieu dans l'ecriture
, in: Le Point Theologique, 4: L'esperance chretienne
dans un monde secularise, hrsg. v. A. Naud. Paris: Beauchesne
19/2 S. 103-111.

Oshima, Sueo: Barth's Analogia Relationis and Heidegger's
Ontological Difference (JR 53, 1973 S. 176-194).

Pitters, Hermann: Die Bedeutung des Kreuzes und der
Auferstehung Jesu Christi für das Heil der Welt (Kirchliche
Blätter 1, 1973 H. 3 S. 5-6).

Prien, Hans-Jürgen: Palavra Divina e Palavra Humana na
Biblia, ou a QuestSo: Onde estä a Verdade? (Estudos
Teolögicos 12, 1972 S. 80-93).

Richard, Jean: L'esperance a l'epoque de la „Mort de Dieu",
in: Le Point Theologique, 4: L'esperance chretienne dans
un monde secularise, hrsg. v. A. Naud. Paris: Beauchesne
1972 S. 73-101.

Tillich, Paul: Ostern (FrGhr 25, 1973 Sp. 217-220).

Troizki, German: Karl Barth und die dialektische Theologie
(Stimme der Orthodoxie 1973 Heft 2 S. 43-47).

Ware, Robert C.: Christologie en historisch onderzoek (TijdschrTh
13, 1973 S. 75-81).

Wiesenfeldt, Georg Christoph: Der Begriff der Natur und
das Problem des Natürlichen in der Theologie Karl Barths
(Theologische Dissertationsschrift, Göttingen 1973).

Winquist, Charles E.: Reconstruction in Procress Thcology
(AThR 55, 1973 S. 169-181).

ETHIK

Schmitz, Philipp: Die Wirklichkeit fassen. Zur „induktiven"
Normenfindung einer „Neuen Moral". Frankfurt'Main:
Josef Knecht [1972]. VII, 127 S. 8° = Frankfurter Theologische
Studien, hrsg. von H. Bacht, F. Lentzen-Deis, O.
Semmelroth, 8. DM 21,-.

Die gegenwärtige Diskussion um zeitgemäße Normenfindung
und Normorientierung in der theologischen Ethik ist
unter anderem auch durch eine Strömung in der Theologie
provoziert worden, die unter dem Stichwort „new morality"
bekannt geworden ist. Ihre Hauptvertreter kommen aus
dem angelsächsischen Raum. Mit drei ihrer Repräsentanten
- Joseph Fletcher, Harvey Cox und John A. T. Robinson
- beschäftigt sich die vorliegende Studie. Ihr Verfasser
, aus der Philosophisch-Theologischen Hochschule der
Jesuiten in Frankfurt am Main hervorgegangen, teilt mit
den behandelten Autoren die Voraussetzung, dafj bei der
Formulierung der sittlichen Normen „mehr empirische, wechselvolle
, dem Leben nahe Data zu berücksichtigen" seien
(S. 6). Darum begrüßt er eine „induktive" Normenfindung
und fragt bei den drei Theologen nach dem Ergebnis ihres
Versuches einer neuen Begründung der sittlichen Normen.
Indem er die breite Literatur vor allem aus dem angelsächsischen
Raum mitverarbeitet, verhilft er zu einer angemesseneren
Beurteilung jenes Grundlagenstreits.

Die drei Autoren verbinden nach Meinung des Verfassers
eine „säkuläre Fragestellung in sozialer Denkform" (S. 5)
mit einer mehr oder weniger ausgesprochenen Neigung zu
reiner Situationsethik. Alle wehren sich gegen die traditionelle
Ethik und werfen ihr mangelnde Wirklichkeitsnahe
und deduktives Verfahren vor. Bei Joseph Fletcher, dessen
Buch „Situation Ethics" (dt. unter dem Titel „Moral ohne
Normen?", 1967) zum Standardwerk der „new morality"
geworden ist, lautet der Zentralbegriff: Erfahrung, ohne dafj
dieser Begriff freilich präzise erläutert würde. Die Konsequenzen
solchen Ansatzes werden sichtbar im Relativismus,
Pragmatismus, Positivismus und Personalismus der neuen
Ethik. Unter diesen Voraussetzungen versucht Fletcher, die
sittliche Norm zu formulieren. Sittliche Prinzipien werden
nicht schlechthin verworfen, aber sie sind „Illuminatoren,
nicht Direktiven" (S. 21), sollen also flexibel angewandt
werden. Die Umstände ändern die Regeln und Prinzipien
und haben insofern normierende Bedeutung, denn sie konstituieren
das konkrete Wesen des Menschen mit. Wenn Fletcher
von der „Situation" oder den „Umständen" spricht,
vernachlässigt er den Gesichtspunkt, dafj sie durch einen
historischen Prozeß bedingt sind und sich die Vergangenheit
nicht aus der sittlichen Entscheidung verbannen läfjt.
Auf diese Weise erhält die ethische Entscheidung etwas Zufälliges
und Willkürliches. Kritisch betrachtet wird auch der
Satz Fletchers: „Liebe ist die einzige Norm." Einerseits wird
der Begriff der Liebe von Fletcher sehr vielschichtig verwandt
, und zum anderen droht die Gefahr eines Rationalismus
und Formalismus, weil Liebe identifiziert wird mit dem
„Richtigen", d. h. aber dem von der Gerechtigkeit Bestimmten
. Die Indentifizierung von Liebe und Gerechtigkeit zeigt,
wie „die Gestaltlosigkeit der Liebe jede mögliche Konkretisierung
des Sittlichen verschlingt".

Dem Autor Harvey Cox hält der Vf. zugute, dafj er nicht
mit einem abstrakten Prinzip, sondern einer bildhaften Fassung
der Norm arbeitet, nämlich mit dem Symbol der „secu-
lar city". Allerdings vermag Cox das Symbol der „säkularen
Stadt" nicht mit dem Sprechen von Gott zu verbinden. Die
Realität des Absoluten kann innerhalb dieses Symbols nicht
zur Anschauung gebracht werden, so dafj die Brauchbarkeit
des Symbols für die theoretisch-ethische Begründung
damit fragwürdig wird.

Der dritte Autor, mit dem sich der Vf. beschäftigt, ist J.
A. T. Robinson, dessen Bücher „Honest to God" (dt. „Gott ist
anders" 1963) und „Christian Morals today" (dt. 1964) etwas
viel Staub aufgewirbelt haben. Hier werden die personalen
Beziehungen in den Mittelpunkt der Weltdeutung gestellt
und wieder eine Ethik aus einem erfahrungsmä5igen Ansatz
zu erheben versucht. Liebe wird als sittlicher Grundakt und
als einzige gebotene Norm verstanden, aber das konkrete
Modell wird in der Gestalt Christi gesehen. Bei der Durchführung
stellt der Vf. aber eine erhebliche Unscharfe in der
Gedankenführung fest. Christus als Leitbild der Liebe wird
nur andeutungsweise erfaßt, und es bleibt offen, ob Jesus
Träger der göttlichen Selbstmitteilung oder mit uns allen
auf der Suche nach Gott ist. Damit sind sowohl sein wahres
Menschsein wie seine Göttlichkeit zweifelhaft. Auch die Vermittlung
des Modells Christi für die ethische Normorien-