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Ausgabe:

1973

Spalte:

862

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schütz, Paul

Titel/Untertitel:

Evangelium 1973

Rezensent:

Dilschneider, Otto A.

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Seite 1

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861

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

862

wie der klassischen Philosophie eine größere und tiefere
Welt zeigt, als das neopositivistische (wie auch existentia-
listische) Weltbild nur gelten läßt. Allerhand .Para'probleme
wie in der ausführlich besprochenen Parapsychologie geben
zu denken. Man wird gewiß verschiedener Meinung darüber
sein können, ob es theologische Relevanz genug bedeutet
, wenn die größere und geheimnisvollere Welt als solche
gezeigt wird. Man muß aber doch konstatieren, daß es eben
der christliche Schöpfungsglaube ist, der einen Impuls dazu
auslöst, daß hier jemand energisch die Rückfrage nach
letzten Ursachen und Sinnzusammenhängen will und sich
nicht zufriedengibt mit den ihn oberflächlich anmutenden
reinen Wie-Erklärungen der „empirischen Wissenschaften"
(wie Entstehung des Lebens und seiner Zweckmäßigkeiten
als rein zufälliges oder mechanisches Auswürfeln oder das
bloße Hinwerfen des Wortes .Instinkt' mit dem Anspruch
einer Problemlösung) - und sich ärgert über eine diese
Bescheidung auch noch deckende Strömung in der heutigen
evangelischen Theologie. Das Wort „Mysterium des Seins"
(S. 260) bezeichnet am treffendsten die von Beck empfundene
analoge Denkhaltung von „wissenschaftlichem Eros"
und theologischer Frage nach dem Gründenden der Welt.
So ist an die Stelle einer logisch-sachlich deduzierenden
Apologetik (etwa des physiko-theologischen Gottesbeweises,
doch vgl. S. 152 u. 172) das Modell des subjektiv-charismatisch
vom Schöpfungsglauben inspirierten Denkers getreten,
der mehr von der Schöpfung her als auf diese hin redet.
Diesem Ansatz entspricht, daß als ein Hauptproblem die
bloße Verstärkerwirkung der Technik in der Hand des Menschen
in den Blick tritt („Das Aufregende der vorliegenden
Schrift ist der Versuch, tatsächlich zu zeigen, daß es immer
wieder der Mensch sein und bleiben wird, der plant, steuert
, investiert, programmiert, kontrolliert, Ziele und Prioritäten
diktiert", Hendrik van Oyen im Geleitwort, S. VIII).

Allerdings ist es denkbar, daß dieses Buch es beiden Seiten
nicht recht macht (ähnlich wie einst Karl Heim, auf den
sich Beck vielfach beruft und den er gern zu Ehren gebracht
sähe - von dem er sich nur, leider, fundamental in Art und
Stil unterscheidet). Mancher wird sich nämlich ein ruhigeres
und weniger sprunghaftes oder kreisendes Erörtern der in
übergroßer Fülle nur »angerissenen" Probleme wünschen
(und manchmal e i n wirklich zwingendes Argument) - und
weniger Details, die doch nur ein Leser nachdenken könnte,
der zugleich etwas von Mathematik und Kybernetik, von
Biologie, Psychologie, Physik, Linguistik, Logik u. v. a. versteht
und der die Geistesgeschichte gern in kurze scharfe
Blicke gebannt sieht. Zu viel Namen und Titel werden einfach
nur ausgeschüttet. Ein manchmal zu brillierender Kurzstil
tut ein übriges, daß weite Partien dieses Buches, paradoxerweise
, mehr emotional als rational ansprechen. -

Doch stecken in diesem Buch (aus einer Basler theol. Diss.
hervorgegangen) Gedanken und bringt es aufschlußreiche
Apercus auch zu einschlägig theologischen Problemen wie
zu Bultmann (S. 242f). Vor allem hat es Profil, ist es engagiert
und auf Praxis in „Gemeindeseminaren und Fortbildungskursen
" (wie von solchen bestimmt, S. 4) angelegt.
Nach der Titelformulierung wird man sein Anliegen so zu
verstehen haben (vgl. S. 185), daß jede heutige „Weltformel
" auf das bloße Sosein der Welt beschränkt bleibt, während
der christliche Glaube (überhaupt, in der Einheit aller
drei Artikel) mit philosophischem oder wissenschaftlichem
Eros dies gemein hat, auf die Warumfrage nach letzten Ursprüngen
und die eigentliche Sinnfrage im Erahnenwollen
von „Seinsprinzipien des Ganzen" (S. 263) zu orientieren -
wofür die Sprache des Mythos sachgemäßer und reicher sei
als die Strukturformel der Logik.

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Schütz, Paul -, Evangelium. Sprache und Wirklichkeit der Bibel
in der Gegenwart. Ungekürzte Sonderausgabe von
Band I der Gesammelten Werke. Hamburg: Furche-Verlag
1972. 582 S„ 1 Porträt 8°. Lw. DM 25,-.

Diese Arbeit erschien 1940 in erster Auflage, die danach
zweimal ausgedruckt wurde, und nach einer zweiten Auflage
in dritter Auflage 1948, die ebenfalls zweimal ausgedruckt
worden ist, zuletzt im Katzmann^Verlag in Tübingen.
Dann kam diese Arbeit 1966 als erster Band der Gesammelten
Werke heraus. Und nun liegt mit dieser Sonderausgabe
von 1972 wieder ein ungekürzter Neudruck vor. Wenn ein
Buch innerhalb von 32 Jahren mit seinen rund 580 Seiten
insgesamt achtmal auf dem theologischen Buchmarkt erscheint
, dann sollte das aufhorchen lassen. Jedenfalls ist es
ein Zeichen dafür, daß hier grundlegende theologische Erkenntnisse
vorgetragen werden, die den Wandel der Meinungen
und Schulrichtungen in diesen 32 Jahren überlebt
halben. Dazu gehört die Tatsache, daß Paul Schütz von jeher
ein Theologe war, der von der Pneumatologie ausging und
dessen Denken sich im Raum des dritten Artikels bewegte,
daß er ein Theologe war, der die Kontroversen einer kon-
fessionalistischen Theologie hinter sich gelassen hat. Wenn
Karl Barth an seinem Lebensende auf die Zukunft einer
pneumatologischen Theologie hinwies, so hat Paul Schütz
mit seinen pneumatologischen Denkanstößen recht behalten
. Denn die Zukunft der Theologie gehört einer Theologie
des Heiligen Geistes. Als man Paul Schütz am 10. Mai 1971
den Ehrendoktor in Basel verlieh, sagte Heinrich Ott in seiner
Laudatio: „Aber wenn jemand fragen sollte, welcher
heute lebende evangelische Denker dem christlichen Denken
der Zukunft richtungweisende Winke zu geben vermag, so
müßte ich vor allen anderen Paul Schütz nennen." Was nun
die Ankündigung dieser Sonderausgabe anbetrifft, so kann
auf die Besprechung dieses Buches in der ThLZ 93, 1968
Sp. 68 69 verwiesen werden. Das andere Hauptwerk von
Paul Schütz mit dem Titel „Parusia" wurde in der ThLZ 88,
1963 Sp. 62-67 ausführlich besprochen. Es verdiente, ebenfalls
überarbeitet und als Sonderdruck herausgegeben zu
werden.

Berlin Otto Dilschneider

Baumotte, Manfred, Schütte, Hans-Walter, Wagner, Falk, u.
Horst Renz: Kritik der politischen Theologie. München:
Kaiser [1973], 62 S. 8° = Theologische Existenz heute,
hrsg. v. T. Rendtorff u. G. Steck, 175. DM 7,-.

Bianchi, Eugene C.: A Holistic and Dynamic Development
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Blancy, Alain: Structuralisme et Hermeneutique (EThR 48,
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Brandt, Hermann: Por que Teologia „Cientifica"? (Estudos
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Mutuality, and Performance in the Thought of Alfred
Schutz and Erik Erikson (JR 53, 1973 S. 195-215).

Campbell, Michel M.: La tentation de l'esperance dans quelques
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v. A. Naud. Paris: Beauchesne 1972 S. 25-48.

Christoffersen, Svein Aage: Dogmatikk og eksegese hos
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Crespy, Georges: De la Structure a l'analyse Structurale
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un monde secularise, hrsg. v. A. Naud. Paris: Beauchesne
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