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Ausgabe:

1973

Spalte:

846-850

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ziegenaus, Anton

Titel/Untertitel:

Die Trinitarische Ausprägung der göttlichen Seinsfülle nach Marius Victorinus 1973

Rezensent:

Simonis, Walter

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

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In die Probleme der Hippolyt-Forschung führt uns der
Aufsatz S. Hippolyte de Rome (Sp. 531-571) von Marcel
Richard ein. Er beleuchtet die Schwierigkeiten, die der
Schriftsteller H. heute noch bietet (in der Forschung herrsche
une veritable anarchie, Sp. 534), erwähnt Nautins These, die
bei H. zwei Autoren auseinanderhalten will (Sp. 533), liefert
eine eingehende Beschreibung des ganzen Schrifttums (Sp.
536-545) und schließt mit einer genauen Analyse der hippolytischen
Gedankenwelt.

Charles Kannengießer hat einen umfänglichen Beitrag
über Hilarius v. Poitiers beigesteuert (Sp. 466-409), in dem
nur ein Mißverhältnis zwischen den wenigen Seiten, die dem
geistlichen Leben gewidmet sind, und dem Hauptteil des
Artikels (Sp. 466-489) auffällt, der eine genaue Analyse der
Schriften dieses Vaters bringt. Der Mt-Kommentar wird besonders
eingehend gewürdigt, seine Bedeutung für die
Exegese aufgewiesen, und die Beziehungen zu Origenes
werden erörtert. Die Bücher von De Trinitate und die Hymnen
werden anschließend sorgsam gemustert (Sp. 476-481),
ihr Werdeprozeß wird geklärt. In diesen literargeschicht-
lichen Ausführungen liegt der Wert dieses Artikels bechlos-
sen.

Unergiebig sind dagegen die Darlegungen über Isaak den
Syrer (Sp. 2041-2054), bei denen man ein Doppeltes vermißt
. Es fehlt jede Quellenscheidung, vielmehr werden alle
82 Traktate dem Isaak zugeschrieben, obwohl sich doch die
Forschung darüber seit langem einig ist, daß in dieser Zahl
manches unechte Stück enthalten ist, ja Spuler sogar die
These von den zwei Autoren aufstellen konnte (RGG III 903).
Sodann werden die Vorlagen Isaaks nur recht obenhin behandelt
, vor allem wird sein Verhältnis zu Bvagrius nicht
klargelegt.

Da ist der kleine Aufsatz Hesychasme (Sp. 382-399) von
Pierre Adnes schon ergiebiger, der im Anschluß an Hausherr
dessen ältere Formen behandelt, während der mit dem
Athos zusammenhängende als Neu-Hesychasmus bezeichnet
wird. Wortgeschichte und Definition eröffnen diese Untersuchungen
, äußere wie innere t)ov/i'awcrdcn in ihren verschiedenen
Ausprägungen beschrieben, wobei zahlreiche Belege
aus den Apophthegmata und aus Climacus angeführt
werden.

Recht instruktiv sind mehrere Artikel, die mittelalterlichen
Mystikern gewidmet sind, etwa der über Hadewijch
(Sp. 13-23), der in vorbildlicher Kürze über alles Wissenswerte
orientiert, über die Entdeckungsgeschichte, über die
Autorin und ihr Milieu, über die Lehre, deren Quellen sowie
den Einfluß, den ihre Schriften ausgeübt haben. Besonders
gern habe ich den Beitrag von J. A. Bizet über Henri Suso
(Sp. 234-257) gelesen, der umsichtig das Quellenproblem
erörtert, eine feinsinnige Analyse der vita bietet (Sp. 23ff),
dabei immer bemüht, die w a h r e Persönlichkeit von allen
legendären Übermalungen zu befreien und auf dem Hintergrund
einer turbulenten Zeit sich abhoben zu lassen
(Sp. 243f). Dabei ist es von besonderer Bedeutung, daß die
Interpretation untersucht wird, die Meister Eckhart durch
Suso erfahren hat i(Sp. 248-251), und daß abschließend auch
Bonaventura als Vorbild für diesen gewürdigt wird
(Sp. 254).

Gegenüber diesem fesselnden Porträt wirkt der Artikel
Henri de Harp (Sp. 346-366) bei aller Belehrung doch recht
schematisch mit seinem Aufzählen der Opera oder der Einflüsse
, die in Länder aufgeteilt vorgeführt werden. Durch
irgendein Versehen ist der Beitrag über „Die vier Bücher
der Imitatio Christi" an den Schluß des Bandes gerückt
(Sp. 2338-23-58). Er ist bedeutsam durch die ausführliche
Erörterung der Verfasserfrage (Sp. 2338-2351). Ich war immer
der Meinung, daß nach dem zweibändigen Werk von
L. M. J. Delaisse und dem anderen von P. Debongnie - J.
Huyben dieses vielgequälte Problem allmählich zur Ruhe
käme, was aber keineswegs der Fall zu sein scheint. Der Autor
Albert Ampe trägt eine neue Hypothese vor, wonach das

Werk in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zu setzen
sei (Sp. 2351-2354). Wir wollen die kritische Prüfung dieses
neuen Ansatzes den Spezialisten überlassen und uns lieber
an den Inhalt des umkämpften Werkes halten, den Bernard
Spaapen umsichtig skizziert hat (Sp. 2355-2368). Daß
es in den Kreis der devotio moderna gehört und nur von
dort aus recht verstanden werden kann, dürfte doch wohl
feststehen.

Neben diesen bedeutsamen Beiträgen lesen wir noch eine
Fülle von Kurzbiografien meist weniger bekannter Persönlichkeiten
- ich habe sie nicht gezählt, es mögen etwa 150
sein -, die immer neben dem Lebenslauf eine genaue Aufzählung
der einzelnen Werke bieten nebst Angabe von Ort
und Jahr der ersten Drucke und abschließend ein Literaturverzeichnis
. Für bestimmte Forschungsanliegen ist das sicher
eine willkommene Arbeitshilfe.

Überblickt man den überaus reichen Inhalt dieser beiden
stattlichen Halbbände, so ist man von (Bewunderung erfüllt
angesichts des ungewöhnlich großen Maßes von Wissen, einfühlendem
Verständnis, geduldiger Arbeit und unerschütterlichem
Fleiß. Daher vermittelt die Lektüre auch auf allen
Gebieten eine reiche Belehrung, mag es sich um Einzelfragen
der Patristik oder um Phänomene des mystischen Innenlebens
handeln. Man hat stets das Gefühl, von sicherer Hand
geleitet zu werden, man gewinnt Freude an den Darlegungen
, und es erwacht nicht selten der Wunsch, selbst die Quellen
zu studieren und sich am Gang der Diskussion zu beteiligen
. Der VII. Band ist daher eine würdige Fortsetzung seiner
Vorgänger.

Mainz Walther Völker

Ziegenaus, Anton: Die trinitarische Ausprägung der göttlichen
Seinsfülle nach Marius Victorinus. München: Hue-
ber 1972. XVI, 376 S. gr. 8° = Münchener theologische
Studien, hrsg. v. K. Mörsdorf, H. Tüchle, W. Düring, II.
Syst. Abt., 41. Bd. DM 40,-.

Dem Rhetor, Philosophen und Theologen Marius Victorinus
, der in der 2. Hälfte des 4. Jh.s in Rom wirkte, ist vor
allem im deutschsprachigen Raum, wenn man von der Monographie
E. Benz', Marius Victorinus und die Entwicklung
der abendländischen Willensmetaphysik, Stuttgart 1932, absieht
, noch keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet
worden. Dennoch müßte gerade eine Zeit, in der die Fragen
des Verhältnisses der Philosophie zur Theologie oder des
Studiums der 'Schrift zum immer neu aufgegebenen Umsetzen
der Offenbarungswahrheit in eine verständliche, jeweils
moderne Sprache und Denkweise bewußt reflektiert
werden, mit besonderem Interesse auf das Werk eines Mannes
blicken können, der in einer ähnlichen Situation, wenngleich
anderthalbtausend Jahre früher stand. Seit 1960 in den
Sources chretiennes die kritische Ausgabe P. Heurys der
theologischen Werke des Marius Victorinus erschienen ist,
welcher eine französische Übersetzung und ein reicher Kommentar
von P. Hadot beigegaben wurde, ist zumindest die
Möglichkeit des Zuganges zum Denken des V. erleichtert.
Die vorliegende Abhandlung, eine Münchener Dissertation,
geht das zentrale Thema der theologischen Überlegungen
des Afrikaners an. In neun Kapiteln, die von einer Einführung
zur Person und von einem zusammenfassenden Rückblick
und Ausblick umrahmt werden, wird versucht, die trinitarische
Spekulation vorzustellen, ihre Bedeutung herauszuarbeiten
und sie auf dem Hintergrund der geistesgeschichtlichen
Bewegungen von Plato bis zur Zeit Vs. zu
würdigen. Eine große Zahl von Philosophie- und theologiegeschichtlichen
Einblendungen ist eingearbeitet, die dem
Leser zwar nichts Neues bieten, ihm aber doch als nützliche
Repetitorien dienen.

Da V. in der Auseinandersetzung mit den Ananern und
auch mit den Homöusianern schrieb, als Philosoph zudem