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Ausgabe:

1973

Spalte:

828-830

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Keel, Othmar

Titel/Untertitel:

Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament 1973

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

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werden, meint Sch. allerdings feststellen zu können, daß sie
„zum größten Teil den wirklichen Gegebenheiten" entsprechen
(S. 235). Das ist nun freilich weder ein überraschendes
noch ein beweiskräftiges Ergebnis. Da die Verfasser von
Gen 14, in welcher Zeit man sie auch immer beheimatet, zweifellos
in Palästina gelebt haben, würde es verwunderlich
sein, wenn ihnen in dieser Hinsicht Irrtümer unterlaufen
wären. Nicht zu iverkennen ist immerhin, daß die Städte
Sodom und Gomorrha/Adma und Zeboim schwerlich historische
Größen sind. Demgemäß bemerkt Sch. dann auch in
der Zusammenfassung seiner Ergebnisse, daß es offenbleiben
muß, ob diese Städte „wirklich bestanden haben" (S.
317). Keine sicheren Hinweise für die historische Zuverlässigkeit
des Inhalts der Überlieferung ergibt schließlich auch
die Untersuchung der Gottesnamen (S. 207-240). Damit ist die
Frage nach dem historischen Wert der Erzählung von Gen 14
negativ entschieden. Noch eindeutiger wäre das Ergebnis ausgefallen
, wenn der Vf. die Frage nach der geschichtlichen
Möglichkeit der geschilderten Vorgänge in das Zentrum seiner
Untersuchung gestellt 'hätte.

Aufmerksamkeit verdient insbesondere die folgende Erörterung
der Indizien, die aus Wortschatz, Traditionsgeschichte
und Stil für Herkunft und Entstehungszeit der Überlieferung
gewonnen werden können. Interessant ist das Ergebnis der
Untersuchung des Wortschatzes (S. 241-262), der neben Wörtern
und Ausdrücken, die an P, E und vor allem an J erinnern
, „13 alttestamentlich seltene Wörter und Ausdrücke
(7 %) und 9 alttestamentlich einzigartige Wörter und Ausdrücke
(5 %)" enthält (S. 258). Dieser Anteil erscheint hoch
und könnte dafür sprechen, daß der Text in seiner Grundlage
aus einer „den bekannten Quellen der Genesis gegenüber
fremden Quelle" stammt (S. 258)2.

Die anschließende traditionsgeschichtliche Untersuchung
befragt die wichtigsten Inhalte und Motive des Textes im
Hinblick darauf, ob sie altes Traditionsgut sind oder enthalten
(S. 263-289). Dabei zeigt es sich, daß Abrahams Beziehungen
zu Lot, Malkizedeq und Jerusalem jung sind. Der
Malkizedeq-Episode selbst wird dagegen der Charakter einer
„alten Überlieferung aus Jerusalem" zuerkannt, „in die später
Abraham eingefügt worden ist" (S. 279). Wird die Erwähnung
Abrahams getilgt, dann bleibt als alte Jerusalemer
Tradition die Gestaltung des Priesterkönigs, der „Vorüberziehenden
" (S. 271) Brot und Wein anbietet, sie segnet und
dafür von ihnen den Zehnten empfängt (S. 273). Ein solches
Geschäft ist zu gut, um als fester Brauch gegenüber unabhängigen
Partnern mit Erfolg etabliert werden zu können,
es sei denn, man erblickt mit J. A. Fitzmyer (CBQ 25, 1963,
S. 375f) in dem ehrwürdigen Malkizedeq eine Art von Heeresverpflegungslieferanten
oder königlichen Marketender,
eine Auffassung, die Sch. immerhin für möglich hält (S. 299).
Im übrigen kann die Beobachtung des Vf.s, daß die Motive
der Malkizedeq-Episode - Darreichung von Brot und Wein,
Segen und Zehntenabgabe - alte kanaanäische und überhaupt
altorientalische Bräuche sind, nicht -die vorisraelitische Herkunft
der Tradition beweisen. Dieses Argument würde nur
dann beweiskräftig sein, wenn dergleichen Bräuche späterhin
nicht mehr geübt worden wären. - Anders verhält es
sich mit dem „Kriegsbericht", d. h. mit dem Bericht über den
Einfall einer Koalition von Königen in Kanaan. Hier könnte
eine alte Tradition verwendet worden sein. Die Verwandtschaft
mit den Kedorlaomer-Tafeln ist jedenfalls nicht zu
verkennen. Mit Recht betont aber Sch., daß von einer „direkten
Übernahme... nicht die Rede sein" kann (S. 272).
Es scheint sich „nicht um ein historisches, sondern eher um
ein typisches Ereignis der Vergangenheit" zu handeln (S.
320).

Die abschließende Untersuchung über den Stil der Erzählung
(S. 291-307) bestätigt im wesentlichen die Ergebnisse
der vorausgegangenen Erörterung von Wortschatz und Traditionsgeschichte
und liefert Ansatzpunkte für die Überlieferungsgeschichte
. Diese ist jedoch im einzelnen in ihren

frühen Phasen nicht mehr zu erhellen. Greifbar werden als
innerhalb des jahwistischen Traditionszusammenhanges gebildeter
Grundbestand die VV. 13-16/17 und 21-24. Hinzugetreten
ist schon „bei Aufnahme des Berichts in den Traditionszusammenhang
von J" die Malkizedeq-Episode von V.
18-20 (S. 322). Diese jahwistische Grundlage ist von deu-
teronomistischer Hand um den erwähnten .Kriegsbericht'
erweitert worden (V. 1-10). Eine wichtige Beobachtung ist
die Verwandtschaft in der deuteronomistischen Kriegsschil-
derung (S. 278f) und überhaupt mit dem deuteronomistischen
Stil in der listenmäßigen Aufzählung von Königen, Städten
und Völkerschaften (S. 294ff). Verwiesen wird auch auf die
auffällige Erscheinung, daß der Weg der Könige in V. 5f
eine Umkehrung der Israeliten nach Dt 1-3 ist (S. 296). Weiterhin
rechnet Sch. auch mit einer Beteiligung von P „an der
Aufnahme des Kapitels in die Genesis" (S. 302) und mit mancherlei
späteren Glossen.

Es bleibt die Frage nach dem Motiv für die Entstehung der
vom Vf. angenommenen jahwistischen Grundlage der Erzählung
durch Vereinigung verschiedener mündlicher Traditionen
. Obwohl der Vf. die Bedeutung der Überlieferung
für die Begründung der Zehntenabgabe an den Jerusalemer
Tempel anerkennt (S. 299) reiht er sich bei der Beantwortung
dieser Frage in das Gefolge der Rowlcyschcn Zadoq-
Hypothesc ein: „Um die Erhöhung der ,fremden' Stadt Jerusalem
zur Hauptstadt Israels und die Einsetzung des heidnischen
Sadoq zum Priester Jahwes annehmbar zu machen,
könnte unser Bericht verfaßt worden sein" (S. 322).

Berlin Karl-Heinz-Bernhardt

1 Das Literaturverzeichnis, dem gewissenhaft auch Texteditionen und
lexikalische Hilfsmittel einverleibt wurden, umfaßt fünfzig Seiten
(S. 335-384)!

2 Um in dieser Sache einige Sicherheit zu erlangen, müßten freilich
zum Vergleich entsprechende Untersuchungen an anderen Genesisabschnitten
vorgenommen werden. Im übrigen bestehen die von Sch. vermerkten
einzigartigen Ausdrücke hauptsächlich nur aus geringfügigen
Besonderheiten in der grammatischen Konstruktion. Von den einzigartigen
Wörtern sind als echte Hapaxlegomena kanaanäischer bzw.
akkadischer Herkunft lediglich duq und chanik in V. 14 anzusprechen.

3 Für die zeitliche Ansetzung der Entstehung der Malkizedeq-Episode
dürfte die Tatsache, daß die Zehntenforderung des Zentralheiligtums
erstmalig im Deuteronomium ausgedrückt wird (Dt 12,6; 14, 22ff),
nicht unwichtig sein, zumal wenn man die von Sch. herausgearbeitete
starke deuteronomistische Prägung von Gen 14 berücksichtigt.

Keel, Othmar: Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik
und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen. Zürich-
Einsiedeln-Köln: Benziger Verlag; Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins (1972). 366 S.
m. 524 Abb., 24 Taf. 4°. Lw. DM 90,-.
Der Verfasser unternimmt das schwierige Werk, auf Grund
der altorientalischen Ikonographie die Aussagen der Psalmen
bildlich zu beleuchten von den zahlreichen Abbildungen
her, die sich in Ägypten, in Mesopotamien, in Kleinasien,
in Syrien und Palästina erhalten haben. Durch die wesentliche
Beschränkung auf die Psalmen ist auf Seiten der Ikonographie
eine strenge Auswahl bedingt. Die kulturgeschichtlichen
Elemente, die so stark die früheren biblischen
Archäologien beherrschten, müssen zurücktreten. Sie gewinnen
eigentlich nur da einen gewissen Raum, wo der Tempel
mit seinen Gebetshaltungen, mit seinen Prozessionen und
mit seinem Opferkult, mit seinem Gesang und mit seiner
Musik, mit den verschiedenen Blas-, Schlag- und Saiteninstrumenten
bezeugt wird. Man muß dem verdienstvollen
Verfasser zugestehen, und zwar aus einem dankbaren Herzen
dessen, der mit diesem Buch arbeiten durfte, daß er
eine ausgezeichnete Auswahl von Themen getroffen hat, die
das Gesamt der Psalmenaussagen sehr wirkungsvoll und
prägnant zusammenfassen.

Der erste Abschnitt bringt die Weltbildvorstellungen, die
zweiteilige Welt, die mehrteilige Wdt etc. zur Darstellung.
Vom Weltbilddenken lenkt der Vf. zu dem größeren Abschnitt
hinüber, „die Mächte der Vernichtung" (S. 53-97).