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1973

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

818

lung des Klerus in der spätmittelalterlichen städtischen Gesellschaft
" (65) ein.

J. B. Schneyer legt die Liste der 1432 auf dem Baseler
Konzil gehaltenen Predigten vor, leider ohne auf deren inhaltliche
Bedeutung einzugehen. W. Marschall führt an der
Aufnahme einer Cyprian-Stelle (ep. 55,24) vor, wie sich dieses
Konzil einen Topos des Klassikers des römischen Bischofsamtes
im konziliaristischen Sinne zunutze gemacht hat
(197).

Beachtlich sind die Aufsätze, die die philosophisch-theologischen
Reformtendenzen zwischen den großen Reformkonzilien
aufarbeiten. E. Meuthen berichtet über das neuentdeckte
Werk des Cusanus (De maioritate auetoritatis) und
beschreibt das Verhältnis zu der nachfolgenden „Concor-
dantia catholica" (170). Dieser bedeutungsvollen Schrift noch
aus der „konziliaristischen Epoche" des späten Kardinals
(171) wendet sich auch K. Ganzer zu und kommt zu der
Feststellung: „Die Grundlage der Gesetzgebung in der allgemeinen
Kirche .. . bildet für Gusanus der Konsens oder, wie
es nach einem Grundbegriff seiner Schrift formuliert werden
kann, die Concordantia" (174). P. de Vooght arbeitet heraus,
dafj die Reformtendenzen der Reformatio Sigismundi mit
denjenigen des gleichzeitigen Hussitismus keine geistige Gemeinschaft
aufweisen (214). E. Reiter referiert über den Niederschlag
von Baseler Dekreten in der Diözese Eichstätt,
und O. Engels geht den Wirkungen von Konstanz bei einer
Reihe von Historiographen des 15. Jh.s nach.

Ein ebenso interessantes wie neues Thema eröffnen W.
Reinhard und W. Müller, indem sie Forschungsansätze zur
Sozialgeschichte des Papsttums und des klerikalen Proletariats
' (301) - dazu gehörten vornehmlich die nichtbepfrün-
deten Kapläne des Säkularklerus - im Spätmittelalter bekanntmachen
. Daß diese „Prolegomena" (261) ausgebaut und
ergänzt werden, sollte nicht nur durch den zitierten Begriff
im Untertitel nahegelegt sein!

Drei Beiträge zur Frömmigkeitsgeschichte bzw. zur innerkirchlichen
Disziplin (E. Gatz: Dürener Annaverehrung, J.
Torsy: Fronleichnamsprozession in Wittlaer 1436 und G.
Denzler: Zölibatsgeschichte von 1414-1545) schließen die
erste große Abteilung ab.

Im nächsten Themenkomplex (Zeitalter der Reformation)
handelt E. Iserloh über Erwägungen zur Aufhebung des „Lutherbannes
" und kommt zu der Überzeugung, daß diese aus
einer Reihe von jurisdiktioneilen und interkonfessionellen
Gründen nicht in Betracht käme (374-377). Ausschließlich
Luther ist nur noch ein Aufsatz gewidmet (W. Günter), der
dartun will, daß sich der Reformator „mit der Ankunft und
dem Schicksal des Wortes (scilicet: Gottes) in Deutschland
identifizierte" (394). Hier mag eingewendet werden, daß die
Tendenz eines solchen Satzes vielleicht doch nicht die ganze
Auskunft zur Sache sein dürfte.

Im Mittelpunkt des folgenden Beitrages steht Zwingli (O.
Scheib). Seine „theologischen Diskussionen", die bislang mit
dem Terminus ,Disputationen' bedacht wurden, hält der Vf.
für äußerst bedeutsam, „da sie sowohl den Städten als den
Fürsten brauchbare Vorbilder gaben, wie man die religiösen
Streitfragen mit Gegnern oder Einigungsfoemühungen
auf der Grundlage der neuen theologischen Prinzipien behandeln
konnte" (417).

Weitere Studien bieten Material zur Erforschung des Reformkatholizismus
während der Reformationszeit. Aufschlußreiche
wenig oder nicht bekannte Stücke zur Aufhellung
der Biographie Kardinal Albrechts von Brandenburg
besonders hinsichtlich der Wirksamkeit in seiner Magdeburger
Erzdiözese (F. Schräder), Einblicke in die Predigtarbeit
des Kölner Kartäuserpriors Petrus Blomevenna (M.
Bernards) sowie Details zum Nachweis einer literarischen
Gemeinschaft zwischen Johann Eck und Thomas More (P.
Fraenkel) vermitteln den Eindruck, daß unser Bild von der
Farblosigkeit der reformkatholischen Initiativen zur Zeit
der Ausbreitung der Reformation überprüft werden sollte.

Dem dient auch, was in zwei Beiträgen an neuen Gesichtspunkten
zur Gropper-Forschung beigebracht worden ist (A.
Schröer und R. Braunisch). Aus vatikanischen Archiven und
durch die Neuibefragung bekannter Quellen („Artikell" der
„Warhafftigen Antwort", 529) fällt Licht auf die Interna der
Religionsgespräche von 1539 bis 1541. Die Autorschaft Grop-
pers für das Wormser bzw. Regensburger Buch wird in Abrede
gestellt (545).

Das Tridentinum und seine Auswirkungen als Leitthema
des dritten Teils der Aufsatzsammlung werden von den Autoren
im allgemeinen als kirchenreformerisch Impulse gebend
dargestellt. Während des Konzils habe es sowohl Aufgeschlossenheit
- Kardinal Pole wird als Beispiel genannt -
und Bereitschaft, gegnerischen Vorwürfen Gehör zu schenken
(Th. Freudenberger, 601), als auch deutlich retardierende
Momente gegeben. Interessant ist der Bericht über die Sammlung
reformatorischer Schriften im Verlauf des Konzils, die
allerdings wesentlich mit apologetischer Absicht erfolgte.
Elemente der Retardierung und „Assimilation an den Geist
der Gegenreformation" (T. Kurrus, 630) lassen sich im Zusammenhang
der Wiedereinführung der aristotelischen Philosophie
in Freiburg/Br. konstatieren, obwohl der Geist, der
aus den Universitätsstädten um 1550 spricht, „der des späten
Humanismus (katholischer Prägung) vor dem Tridentinum
" (633), eine andere Praxis hätte inaugurieren sollen.

(Ein Blick in die Volksfrömmigkeit der nachtridentinischen
Zeit (K. Welker, 633) läßt daran zweifeln, daß die Auswüchse
spätmittelalterlicher Heiligenverehrung (es geht um den
Viehpatron Leonhard) durch die Konzilsabschiede wesentlich
beeinflußt worden sind. D. Kauß zeigt, wie mit Hilfe
von Visitationen im Bistum Straßburg den vorgefundenen
Mißständen begegnet werden sollte (674). Die Visitationen
wurden tatsächlich mancherorts zum Hebel der katholischen
Reform. Von kurialer Seite gab es auch in einer Reihe von
Fällen - besonders bei einigen Hochstiften (B. Roberg, 691) —
durch mehr oder weniger glückliche Personalpolitik Anstrengungen
zur Reform. Einer der Vermittlungsträger zwischen
Papst und deutschen Kirchenfürsten (K. Wittstadt, 702) war
der apostolische Nuntius Amalteo. Ihm schwebte jedoch wohl
eher ein diplomatisches (707) als ein geistliches Reformkonzept
vor, vornehmlich was die Mittel zu seiner Durchsetzung
anbetrifft. Ähnliches wird man in vielen Unternehmungen
der nachkonziliaren Zeit konstantieren müssen. H. Immen-
kötter belegt dieses Phänomen (726) in den Auseinandersetzungen
zwischen >dem Münsteraner Domkapitel und dem
Geistlichen Rat.

Eine Festschrift, die zu einem Sammelthema so viele neue
Gesichtspunkte vermittelt, ist ein Gewinn. Wir sind ein weiteres
Mal aufmerksam gemacht auf die Fragerichtung nach
dem Zueinander und Nebeneinander von Reformation und
Reform. Die Vielzahl der Aspekte, der Fortschritte und Rückschritte
, der Reformwilligkeit und der faktischen Stagnation,
wird deutlich. Die fragliche Zeit zwischen dem Constanciense
und dem Tridentinum kann von evangelischen Historikern
künftig schwerlich undifferenziert negativ beurteilt werden.

Berlin Joachim Rogge

Dupre, W.: Universiteit en herstrukturering. Het probleem
van de theologie in de hedendaagse diskussie omtrent
de struktuur van de universiteit (TijdschrTh 13, 1973
S. 34-57).

Hopf, Friedrich Wilhelm: Zur Erinnerung an Pfarrer Wilhelm
Löhe anläßlich der 100. Wiederkehr seines Todestages
(Missionsblatt 64, 1972 S. 12-19).

Hubery, Douglas S.: The Jesus Movement (ET 84, 1973
S. 212-214).

Lehmann, Arno: Gandhis Bedeutung für die indischen Christen
und für uns (Missionsblatt 64, 1972 S. 112-114).