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Ausgabe:

1973

Spalte:

815-818

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Von Konstanz nach Trient 1973

Rezensent:

Rogge, Joachim

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815

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 11

816

II. Vaticanum von der Kirche zugestandenes Versäumnis bewußt
geworden: „Die Notwendigkeit der Betonung des
hierarchischen Priestertums gegenüber dem Protestantismus
hat den Gedanken an das allen Christen gemeinsame pneumatische
Priestertum sehr zurücktreten lassen" (24 Anm. 18).
In dieser Hinsicht ergeben sich für M. wesentliche Aspekte,
indem er untersucht, weshalb Rom sich der „Akklamation
in der Taufliturgie" im Unterschied zu fast allen alten orientalischen
Riten versagt hat. Wenn „die Teilhabe der Gläubigen
am universalen Priestertum der Kirche" hier noch von
der Firmung her begründet wird, ergänzt er sieben Jahre
später diese Erkenntnis dahin, daß er jene Teilhabe bereits
von der Salbung mit Chrisam bei der Taufe herleitet (Das
Mysterium der Vollendung). Dabei will er die Auswirkung
dieser Berufung des Christen nicht auf den Kirchenraum begrenzt
wissen. Kein Gebiet des natürlich-menschlichen Lebens
weiß er von ihr ausgenommen; gerade auch das öffentliche
Wirken des Christen erhalte so „die Weihe einer
direkten Sendung für das Reich Christi unter den Völkern
und im eigenen Volk" (36). Wesentlich für das Verständnis
heutiger katholischer Liturgietheologie erscheint mir, daß
der Schüler Odo Casels mit Nachdruck darauf hinweist, my-
sterium bedeutet nicht „Geheimnis" ( = arcanum), sondern
bezeichne einen „/Vorgang', von Anfang an verborgen in
Gott. Es gehört zur statischen Gottesvorstellung, wenn
man von .Geheimnis' spricht, aber nicht zur dynamischen
" (49). Nicht nur die katholische Theologie sollte es
sich sagen lassen, „daß eine Theologie, die sich ihre Inspiration
nicht immer wieder von den Grundtatsachen des Heils
holt, wie sie durch die Heilige Schrift überliefert sind und
wie sie in engster Verbindung mit dem Kult der Kirche in
Wort und Handlung aktualisiert werden, im Rationalismus
enden und verkümmern muß" (51). Darum betont der Vf.
auch, daß er nicht erst seit dem II. Vaticanum eine Erneuerung
der heutigen Studienordnung vertreten habe. Man
sollte im Vollzug der Liturgiereform bei denen, die es angeht
, auch manche theologisch begründete Warnung gerade
dieses Mannes hören, der seit Jahrzehnten zu den Wegbereitern
einer Erneuerung der kirchlichen Spiritualität aus liturgischem
Geist gehört, z. B. wenn er für die Verdeutschung
der Liturgie „eine gründliche Klärung der Begriffe und Läuterung
der Worte" fordert, die „von der idealistischen und
neuerdings der existentialistischen Philosophie bestimmt
wurden" und darum nicht ohne weiteres „als sakrales Gefäß
für den erhabenen Inhalt der liturgischen Theologie
dienen" können (Innovatio: Erneuerung der Liturgie. 159).
Es könnte sonst „die Dynamik der Aussage" und damit „der
theologische Gehalt, der schon in den ersten Jahrhunderten
bei der Übertragung aus dem Griechischen ins 'Lateinische
gelitten hatte, in einer konventionellen und noch nicht sakralen
Sprache verlorengehen" (52). Vielleicht sollten auch
evangelische Gottesdienstreformer bedenken, daß die Sprachgestalt
der Liturgie ihre Hinweiskraft einbüßen kann, wenn
man ihr nur durch Gegenwartsnähe um jeden Preis bis hin
zum Saloppen glaubt genügen zu können.

Ich muß mich mit diesen wenigen inhaltlichen Hinweisen
auf den reichen, vielseitigen und immer wieder auch aktuellen
oder eine Aktualisierung herausfordernden Gehalt dieser
gelehrten Studien begnügen. Der greise Vf. hat in seinem
Lebenswerk bewährt, was er an einer Stelle in dem
Satz ausspricht: „Jede Zeit hat die Aufgabe, neu zu schöpfen
, was in der unerschöpflichen Fülle der Tradition gegeben
, vielleicht auch manchmal verschüttet ist" (43).

Greifswald William Nagel

[Franzen, August:] Von Konstanz nach Trient. Beiträge zur
Geschichte der Kirche von den Reformkonzilien bis zum
Tridentinum. Festgabe für August Franzen, hrsg. v. Remigius
Bäumer. München-Paderborn-Wien: Schöningh 1972.
XIII, 745 S„ 1 Porträt gr. 8°. Lw. DM 78,-.

Ganz ungewöhnlicherweise hat diese Festschrift kein Vorwort
. Das wird auch durchaus nicht als Mangel empfunden
; denn die Thematik der Festgabe, eine große Zahl ihrer
Beiträge und die - abgesehen von vielen nicht gezählten
Rezensionen - 51 Nummern umfassende Bibliographie des
Geehrten (Gertrud Gerdemann) weisen einprägsamer und
überzeugender auf sein wissenschaftliches Werk hin, als das
eine Vorwort-Laudatio hätte tun können.

Die repräsentative Gabe zum 60. Geburtstag von August
Franzen ist im ganzen ein bedeutender Forschungsbeitrag.
Wer über die Zeit von etwa 1415 bis 1563 und noch darüber
hinaus etwas wissen will, findet 36 Aufsätze, deren Themenkatalog
zwar großenteils sehr spezielle Untersuchungen ankündigt
, deren zusammengefaßte Aussagen jedoch ein Bild
der Kirchengeschichte von ca. 150 Jahren vermitteln, das
viel Althergehörtes korrigiert bzw. hilfreich ergänzt.

Wir haben alles andere als eine in ihren Einzelteilen zufällig
zustande gekommene Festschrift vor uns. Der Herausgeber
hat es verstanden, die Angebote zudem so geschickt
und sachgemäß zu ordnen, daß auch die der Detailforschung
gewidmeten Beiträge sinnvoll zu einem Gesamtbild der zum
Teil - was das 15. Jahrhundert angeht - weniger beachteten
Zeit zusammengefügt erscheinen. Die Aufsätze auf 727
Seiten wurden drei Themenkomplexen zugewiesen: I. Von
den Reformkonzilien bis zur Glaubensspaltung, II. Das Zeitalter
der Reformation und III. Das Tridentinum und seine
Auswirkungen. Ein relativ ausführliches, wenn auch leider
nicht vollständiges Personenregister führt in den großen
Kreis der zitierten Autoren ein.

Die wohlüberlegte Reihenfolge der Aufsätze enthebt den
Rezensenten einer mühevollen Suche nach systematischen
Einbindungskriterien für seine Anzeige. Chronologie und
thematische Zentrierungen sind abgewogen berücksichtigt
worden. So kann man die Aufsatzfolge in der Kurzcharakteristik
im allgemeinen beibehalten und braucht lediglich
auf die Akzente aufmerksam zu machen.

Im Mittelpunkt steht zunächst das große Reformkonzil
von Konstanz, das - wie R. Bäumer an Hand der katholischen
Kontroverstheologie des 16. Jahrhunderts zeigt - „zu
den einflußreichsten Konzilien des 2. Jahrtausends" zählt
(547). Es wird „in seiner Ausstrahlungskraft und seinem
Reformwillen nur durch das Trienter Konzil übertroffen".
P. Stockmeier weist darauf hin, daß im Konzilsgeschehen,
auch davor und danach, die „unterschiedlichsten Gruppen"
(7) auf die Alte Kirche als Leitbild einer Reform rekurrierten
(1). Bei Luther wird die Alte Kirche „zu einem Gegenbild
der mittelalterlichen Christenheit geformt" (11).

Welche Bedeutung das Konstanzer Konzil für die Verbreitung
der kirchlich-politischen Reformgedanken Dantes
(O. Heggelbacher, 25) und die Verhaltensweisen der Königin
-Witwe Violant von Aragon zwischen dem von ihr abhängigen
Klerus und der Kurie (J. Vincke, 41) hatte, wird
sehr schön herausgearbeitet.

Die Sache des Johann Hus ist nur durch einen Aufsatz
angesprochen und erfreulicherweise mit einer ekklesiolo-
gisch-christologischen Thematik, in deren Verfolg besonders
der unzureichende Geschichtsbegriff des tschechischen Reformators
im Horizont der Ekklesiologie herausgestellt
wird (H. Riedlinger, 47). Die Rolle zweier bedeutender Kardinäle
(Branda und Beaufort) im Zusammenhang mit dem
Vorgehen gegen die Hussiten nach dem Konzil untersuchen
A. Madre und K. Schnith. Der durch gesamtkirchengeschicht-
liche Darstellungen in den letzten Jahrzehnten hervorgetretene
H. Tüchle bringt eine Reihe von Belegen für Brandas
Reformwillen auch in anderer Beziehung. Er kommt zu dem
Schluß, daß die Reformversuche „eines der besten Kardinäle
jener Zeit" (112) an der „allzu starren gesellschaftlichen
Struktur der deutschen Kirche" gescheitert seien.

An Hand der Instruktionen für die Gesandten der Kabhe-
dralkapitel der Kirchenprovinz Reims zum Konzil von Pa-
via-Siena führt W. Brandmüller in die Probleme der „Stel-