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Ausgabe:

1973

Spalte:

60-62

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Buri, Fritz

Titel/Untertitel:

Zur Theologie der Verantwortung 1973

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

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59

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 1

Hit

Kreise), Erik Wolf durch Erhebung „biblischer Weisungen
", die zwar nicht Rechtssätze, aber Rechtsgrundsätze
darstellen. Hermeneutisch steht die Rechtsbegründung
aus der Offenbarung vor denselben Schwierigkeiten wie
das Naturrecht (S.84), H. referiert anschließend unter der
Überschrift „Christologische oder trinitarische Rechtsbegründung
?" über die Göttinger Arbeitstagung „Kirche
und Recht" 1949 und die Treysa-Konferenzen 1950 („Gerechtigkeit
in biblischer Sicht", Genf 1950) sowie über die
Arbeitstagung in Hemer 1955 (Recht und Institution,
Witten 1956). Ein Exkurs über „das Verhältnis von Gesetz
und Evangelium in seiner sozialethischen Bedeutung"
will „eine geraffte Zusammenfassung der vielschichtigen
und weitverzweigten Erörterung dieses Themas geben,
soweit sie für unsere naturrechtliche Arbeit relevant
ist" (S.94).

5. Die Infragestellung des Naturrechts durch das Faktum
der Sünde. W.Künneth kommt mit seiner Lehre von
den Erhaltungsordnungen nach II. zu einer Engfükrung
des sozialethischen Ansatzes, wenn er „bei der Beurteilung
des Staates ausschließlich auf die göttliche Satzung
als Ordnungsmacht zur Niederhaltung des Bösen
abstellt und den Staat grundsätzlich nur von seiner
obrigkeitlichen Funktion her betrachtet" (S. 107). H.Thie-
licke leugnet, darin bewußt über Luther hinausgehend,
infolge seines totalen Sündenverständnisses alle „quasiintakten
Ordnungen in dieser Welt" (S.108). Trotz dieser
extremen Ausgangsposition streitet er dem Naturrecht
nicht jede Bedeutung ab. „Es hat nämlich für ihn
, zeichenhafte Bedeutung' als Ausdruck des menschlichen
Suchens nach dem Absoluten" (S.117).

6. Kein absoluter Gegensatz von Naturrecht und Offenbarung
. H. stellt fest, daß die Vorurteile gegen das
Naturrecht „protestantischerseits heute mehr und mehr
abgebaut werden und die oft mißachtete menschliche
Vernunft rehabilitiert wird" (S.123). Er beruft sich auf
Karl-Heinz Becker, Hans Dombois, H.H.Walz, H.-D.
Wendland, W.Trillhaas und D.Bonhoeffer. Als „Be-
rührungsebenen mit dem Naturrecht" nennt er das Gespräch
zwischen den Fakultäten, Menschenrecht und
Menschenwürde sowie die evangelischen Akademien.

7. Ergänzungsverhältnis von Naturrecht und Offenbarung
. H. beruft sich auf Stimmen, „die nicht nur von
einer gewissen Neutralität oder einem äußerlichen Zusammenhang
, sondern auch von einer inneren Bezogen-
heit von Naturrecht und Offenbarung sprechen" (S.141f).
Er referiert über Christian Walther, Wolfgang Schweitzer,
Walther Schönfeld, Werner Wiesner, Theodor Heckel,
Heinz-Horst Schrey und Erik Wolf. Besonders bei diesem
findet er eine Nähe „zu ähnlichen fundamentalen Einsichten
der katholischen Naturrechtslehre" (S.158).

8. „Christliches", relatives Naturrecht. Bei Edmund
Schlink findet H. eine bedingte Bejahung des Naturrechts.
H.Liermann hat aufgezeigt, „daß die Rückkehr zum
Naturrecht nicht einfach ,Katholisieren' bedeute, sondern
die Rückkehr zu den Vätern" (S.161). An F.Delekat
richtet er die Frage, ob er „nicht laugst mit einem Fuß
auf dem Boden eines ,christlichen' Naturrechts steht"
(S.163). Nach kurzen Bemerkungen zu Helmut Wenz und
Constantin von Dietze bespricht H. ausführlich die Positionen
von Emil Brunner (Christliches Naturrecht),
H.-D.Wendland (kritisch-eschatologisches Naturrecht)
und D.Bonhoeffer (christologisches Wirklichkeitsverständnis
).

9. Neue Impulse und Ansätze. Auf die Naturrechtsdiskussion
der evangelischen Theologen wirkten auch
Einflüsse von außen. H. bespricht drei, nämlich den Einfluß
der Ökumene und der Weltkirchenkonferenzen
(S. 183-190), die sozialethischc Rezeption des Institutionsbegriffs
(S.191-201) und den Einfluß der philosophischjuristischen
Rechtslehre (S.201-208).

10. Zusammenfassung und Ausblick: Giundslnikturen
eines .evangelischen' Naturrechts. Nach II. besteht im
großen und ganzen heute in folgenden Punkten ein Konsensus
: „Das Naturrecht ist die einzige Möglichkeit der
Rechtsfindung für den Nichtchristen". El ist „ein ständiger
Protest gegen bestehende Ungerechtigkeit und
Rechtswillkür" (S.21G). Sein unbestreitbares Wahrheitsmoment
ist, „daß es eine legitimierende Größe vor und
über dem positiven Recht geben muß". „... tatsächliche
Gerechtigkeit gibt es auch außerhalb der Kirche". „Damit
verbunden ist eine Rehabilitation der menschlichen
Vernunft". „Deshalb kann nicht ... den zivilisatorischen
Bemühungen der Menschen ... jeder Eigenwert bestritten
werden" (S.217). Nach H. orientiert sich protestantische
Theologie eben doch nicht allein an der Schrift, sondern
hat „unausgesprochen als zweiten Ausrichtungspol die
vorgegebene Wirklichkeit im Auge". „Ebenso wenig gibt
es ein ,katholisches' Naturrecht, das nicht stillschweigend
oder gar expressis verbis auf die Schrift rekurriert"
(S.221). Kein Wunder, daß evangelische und katholische
Theologie „oftmals zu den gleichen Ergebnissen und
Lösungen kommen" (S.220).

Errata: S.31 lies: Ritschis, S.7G Z.14 lies: Ellul, S.1G3
Z.24f lies: Überlegungen, S.221 Z.4 lies: das.

Ilnlle/Saalc Krdmann Schott

Buri, Fritz: Zur Theologie der Verantwortung, hrsg. v» G. Hauff.
Bern-Stuttgart: Haupt [1971]. 40.3 S. 8°. Lw. DM 28,—.

Bei dem Buch handelt es sich um 31 Veröffentlichungen
Fritz Buris, die von Günther Hauff - mit einem Vorwort
und einem instruktiven Nachwort versehen - ausgewählt
und herausgegeben wurden, außerdem enthält
der Band dankenswerterweise eine 19 Seiten umfassende
Bibliographie Buris. Da viele wichtige Veröffentlichungen
Buris in Publikationsorganen erschienen sind, die nicht
zur Standardliteratur auch größerer theologischer Bibliotheken
gehören, wie beispielsweise Baseler und Züricher
Zeitungen oder auch, trotz ihrer Qualität, die
Schweizerische Theologische Umschau, so ist diese Auswahl
sehr zu begrüßen. Sie basiert auf einer ausgezeichneten
Kenntnis der Theologie Buris und vermittelt einen
instruktiven Einblick in die Vielfalt und die Wandlungen
seines Denkens, zugespitzt formuliert: vom Schüler
Albert Schweitzers und Martin Werners zum „Links-
barthianer".

Im ersten Teil „Orientierung im Gespräch" sind 14Bei-
träge gesammelt, in denen Buri sich mit dem Denken von
Zeitgenossen auseinandersetzt. Karl Barth, Rudolf Bultmann
, Karl Rahner, Friedrich Dürrenmatt und andere
sind hier seine Gesprächspartner, vor allem aber die beiden
Männer, von denen Buris Denken am stärksten bestimmt
wurde: Albert Schweitzer und Karl Jaspers. Dieser
Teil schließt mit einem interessanten Aufsatz über
gegenwärtige buddhistische Philosophie in Japan. Buri,
der 1968/69 neun Monate in Japan lebte und lehrte, trägt
hier bewußt drei Fragestellungen seines eigenen Denkens
an buddhistisches Denken heran, vor allem die Frage, „ob
es im buddhistischen Denken ein Verständnis gibt für
unbedingt verantwortliches Personsein", wobei für Buri
das letztlich monistische Denken des Buddhismus zu jenem
„Kollaps der Ethik" führt, der nach Albert Schweitzer
jedem monistischen Denken droht, während das
ethische Prinzip des wesentlich dualistischen Christentums
die Verwirklichung verantwortlichen Personseins
in Gemeinschaft ist. „Es stehen sich gegenüber ein Selbstverständnis
des Berufenseins zu einem unbedingten Ver-
antwortlichscin in Gemeinschaft und ein Selbstverständnis
, für das solches Personsein nur ein Ausfluß de» Lebens-