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Ausgabe:

1973

Spalte:

790-791

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Jacob, Günter

Titel/Untertitel:

Verkündigung und Zukunft 1973

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Seite 1, Seite 2

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789 Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 10 790

Kirchenleitung und Lehramt Predigten zum ersten Drittel bearbeiten, sondern Jesu Wort und Verhalten für heutiges

der I. Perikopenreihe vor. „Niemand meine, ihm sollten hier Leben als relevant zu erweisen. Auf die- den Texten inne-

fremde Federn angeboten, er sollte in Versuchung geführt wohnenden Christologien achten die Autoren unterschiedlich

werden, sich von der eignen Bemühung zu dispensieren. Sic stark, selten sehr genau. Die im Niveau ansprechenden,

wird vielmehr herausgefordert, evoziert, wie man ein Stich- häufig von Professoren gehaltenen und darum nicht immer

wort zuruft, einen Ball zuspielt, ein paar Takte vorsingt - leichten Predigten versuchen, den Menschen Jesus in seiner

und nun mache man sich seinen Vers draus, nun komponiere Menschlichkeit zu bezeugen. Hier wird V1Chtiges ausgesagt,

man die eigene Melodie" (Vorwort, S. 7). ohne daß die Aufdeckung des Textbezuges immer in gleicher

Trotz unterschiedlicher Welterfahrung und Theologien Sorgfalt bedacht wird. Auch bleibt der chrislologische Grund

*«igen sich in den Predigten Tendenzen, die für die heutige der Predigten unter dogmatischen Aspekt in vielen Fallen

Art der Verkündigung in der BRD charakteristisch sein undeutlich. Der Herausgeber findet das gut: „Den Vorwurf

durften: 1. fällt auf ein großer Verbrauch von „Welt" mit einer bereits . . . vorprogrammierten Einseitigkeit des Jesus-

'hren vielschichtigen Problemen aus psychologischer, poli- Bildes nehme ich auf mich. Die Formulierungen . . . kehren

'ischer und gesellschaftlicher Sieht. Durchweg liegt dabei ein nichts von der .Göttlichkeit' Jesu hervor . . . Ich gehöre zu

antirestaurativer Zug in der Wcltbcurteilung vor. Welt- der Generation der .. . Leute, die es mit Rilke halten:,Ich

Bewältigung ist stärker gefragt als Bewältigung von innerlich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sic sprechen alles

verstandenen Problemen des Glaubens. Die Sorge, nicht mit so deutlich aus.'" So berechtigt dieses Zitat sein mag: ein

«•er Zeit mitzukommen, diktiert oft eine apologetisch gc- aufmerksamer Leser ist gewiß auch daran interessiert zu

Ritzte Feder, die die Geheimnisse des Glaubens in eine Flut erfahren, ob Jesus noch mehr als ein Lehrer und ein Beispiel

von Informationen einlagern möchte: Weisheit soll das ist. Darauf wird weniger genau geantwortet, obwohl die

Evangelium einsehbar und sinnvoll machen. Das gelingt unterschiedlichen Auffassungen an dieser Stelle auch wieder

unterschiedlich oft so-ar gut. Die Predigt zu Luk 8,4-8 zutage treten. Der Spannungsbogen zieht sieh von einer

nietet allerdings auf vier Seiten rein situationsbedingte Predigt über Luk. 21,25-28 (D. Schupp) hin zu einer

Gedanken zur Vergeblichkeit „guter Früchte", um sich dann Predigt über 2. Kor. 5,19-21 (W. Fürst). Dort heißt es:

«cht kurz über gute Früchte" der Liebe zu äußern (S. „Jesus von Nazarcth ... hat die Träume der ums Leben

H5ff.): hipr hat die Situation das Kerygma zurückgedrängt. Betrogenen ernst genommen. Er versprach ihnen nicht einen

Eine umgekehrte Tendenz, daß ein abstraktes Kcrygma die himmlischen Thronsaal, sondern das Reich Gottes; ein

Situation verdrängt hätte, war nicht festzustellen. - Die wirklich menschliches Leben . . . Erlösung, was ist das? .. .

Frage ist, ob es die christliche Gemeinde nötig hat in einer Ein Vermögen an Freiheit. Eine sorglose Freude. Der andere

Welt der Großinformation, auch noch so ausführlich mit Zustand. Boden. Das Glück. Eine Zeit ohne Angst und ein

•nformationen zum Weltgeschehen versehen zu werden. Land ohne Tränen" (S. 57f.). Hier heißt es: „Gott gibt in

* Der Textverbrauch geschieht wohl auch homilieartig, doch Jesus sich selbst zu erkennen, ja er identifizierte sich mit

häufiger unter thematischer Zuspitzung. Dabei kommen diesem Menschen, der im Namen Gottes, unter Berufung auf

redaktionsgeschichtliche Erkenntnisse nicht selten zum dieses Gesetz hingerichtet ... wurde. In diesem Menschen

Z"ge: diese Methode hat sich also auch homiletisch durch- leidet nicht ein Dritter, sondern Gott selbst (S. 110).

gesetzt. Häufig tritt das Bemühen um einen legitimen Text- Derartige Formulierungen sind selten. Im großen ganzen

gebrauch -,1s Predi'Mziel gegenüber dem Bemühen um eine wird mehr theologische Mager- und ethische ollkost geboten;

»ktuelle Ansage der Botschaft zurück, so daß auch leicht- letzteres bis hin zum Einsatz für die Interruptio (S. 13f.) und

f<Ttige Allegorien unterlaufen, die exegetisch mißverstanden für unterdrückte Menschen in allen Kontinenten Da wird

werden können (Mt 8 23-27- S 93ff.). 3. Theologische und bewegt und leidenschaftlich, oft weltnahe und bedruckend,

histologische Aussagen kommen sehr sparsm zu Wort. Eine aber nicht immer froh und befreit von Jesus, dem Zeugen

A»snahme bildet die u. E. theologisch besonders tiefe Predigt in Wort und Tat, manchmal auch dem lebendigen Geber

*u Joh 1 1-14- S 71ff Manchmal hat man den Eindruck, neuen Lebens, gesprochen. - Schade ist, daß diesem Band

daß diejenigen, die in ihrem theologischen Denken mit Jesus ein Schriftstcllenrcgister fehlt.

°'>ne Gott und Christus auskommen möchten, am sichersten Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter
reden zu können meinen, wenngleich ihr Polemikaufwand

h'er und da nicht gering sein kann. Predigten sind gewiß /v

keine dogmatischen Kompendien. Auch haben theologische Verkiin(Iis,]ns un(, ZllUunft. Berlin: Evang.

'•Entfettungskuren" oftmals ihren Sm,,; aber darüber dart Verlairsanstalt [19721. 40 S. 8°. Kart. M 1,60.

«as ,m engeren Sinn theologische Gewicht einer Predigt nicht f . „ , , _., . . . , „ . . . .

*» leicht werden. So sehr man fast jeder Predigt ihre Schule Die kleine Schrift .deren Tile nicht alles sagt, »as dann

«»spürt: das theologische Profil einer Predigt muß nicht nur steht, möchte vermitteln zwischen einer nur je vom Heil

"aeh genauer Lektüre erspürt werden können; es sollte auch oder vom Wohl her orientieren, rem individuellen oder nur

direkte. n i r»ir .;,n /. Hie Kirche kommt sozial sich verantwortlich wissenden Theologie: „Hcils-

•rcKter greifbar um I augenfällig sein. 'i. 1-Me ivirciic »viuiu* «./et; ii T-»:„A„t,.. »

in Ho» TJ- , . i. c,„n„ „erhnllen sich erwarlung und Wcltverantwortung b. 5—13). Die Antwort

n d„ R , weniger gut weg. An dieser S e hv ^ha he gß ^ Sch;ilo rii{ des Alfanl Testamentes, der

'e Predigten weithin unsicher, unruhig und kritisch. ^ ^ ^ ^ ^ Jc

uie durchweg kurzen, an einigen btellen last zu Knapp ~~ _ , . . ....

form l- ™ .. . ■ .,. • i fe „v— ,r,.i durch- diese Gegenüberstellung nicht kenne: „Das biblische

"Emulierten Predigten, sind stilistisch offenbar gut uuren am« " b b . »

izeirk •. • „:..l,f liii-r und Schlüsselwort bchalom (S. 14 —2b). Christen und Kirche

^arbeitet worden und gut lesbar, wenn sie nicht hier uns ocin v /

da .„, i .„. , ,„ , ■ i •.„ durchsetzt müssen es lernen, auf die Zukunft Jesu Christi zu vertrauen,

Ud zu sehr von oszillierenden Wortspielereien durtnstui » ,. v:, ...

8»>d. Für Hörer müßten sie wohl rhetorisch breiter abgefaßt der Hefl und Wohl für den einzelnen, die Kirche und die

We'den. Manche Gedankenhahnen könnte man sich logisch Welt realisiert : Die Schalomgemeinde im Horizont der

|*ehen noch klarer wünschen. - Die Anfrage, ob das Zukunft" (S. 27-38). - Hinzuweisen ist auch auf das

tvangelium noch froher und unbeschwerter dominieren und Literaturverzeichnis, das neuere ökumenische Literatur zum

''as Gesetz noch zufahrender gesagt werden könnte, ohne Thema nennt.

daß der „Jammer ,1er Well" oder die Schilderung un- Vf. ist in seinem Sachanhcgen zuzustimmen. Gegenuber

m°raliSchen Verhalten« durch breite Kolorierung seine bekannter Weltsucht und Weltllucht ist sein Ansatz gerade

Ticfendime.,sionen' verdecken, müssen sich nicht nur die heute theologisch notwendig. Freilich wirken die exegetischen

Nasser dieser Predigten gefallen lassen. Hinweise sehr harmonisierend, und die pauschale Be-

Ir» dem weiter zu besprechenden Band mit seinen dreißig urteilung der Kirchengescluchte seit Augustin als einer

''"•diäte,, handelt es sieh nicht darum. Texte, die etwa auf Geschichte, in der der friede als „Herzensangelegenheit des

Uen historischen Jesus" zurückgehen, in Predigten zu einzelnen" und als „irdisch-zeitliches" soziales Phänomen