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Ausgabe:

1973

Spalte:

784-785

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lindberg, Lars

Titel/Untertitel:

Omvändelsen i Karl Barths teologi 1973

Rezensent:

Søe, Niels H.

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die Christologie in der Person Jesu, nicht aber im Bewußtsein
der Gemeinde verankert sei. G. W. H. Lampe spielt mit
dogmengeschichtlichcm Material die Möglichkeit einer Geist-
Christologie durch, die an der Grenze eines Modalismus, wo
sie das Herrsein des auferstandenen Christus berührt, wieder
in das offenbar unvermeidliche Konzept einer Inkarnations-
Christologie zurückgeführt wird. Don Cupilt schließlich
wirft im religionsgeschichtlichen Kontext die Frage auf, ob
das Christentum nicht in der Fülle seiner Varianten als
Familie von monotheistischen Glaubensweisen aufgefaßt
werden könne, die auf verschiedene Art in Jesus den Schlüssel
für die Beziehung des Menschen zu Gott finden.

Der dritte Teil steht unter dem Thema ,,Christologie und
Historiographie". In diesen Beiträgen werden einige typische
Thesen aus der Auseinandersetzung mit dem Historismus in
der deutschen Theologie überprüft. J. P. Clayton analysiert
und kritisiert die Antinomie, die er in Paul Tillichs Christologie
auf dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit
der Leben-Jesu-Forschung feststellt. Er beginnt bei der
frühen Arbeit Tillichs über „die christliche Gewißheit und
der historische Jesus" (1911) und verfolgt das Problem in der
weiteren Entfaltung von Tillichs „analogia imaginis". Diese
Antinomie, die sieh daraus ergibt, daß Tillich einerseits am
historischen Grund des Glaubens festhalten, diesen aber
andererseits der historischen Falsifizierung entziehen will,
beruht nach Clayton auf einer Aquivokation im Begriff des
Iiistorischen.

In dem anschließenden Beitrag wehrt sich P. Carnley
gegen die „Armut des historischen Skeptizismus", wie er
seit Wilhelm Herrmann und Martin Kahler in der deutschen
und bei John Knox auch in der englischen Theologie vertreten
wird. Carnley bestreitet dabei den Objektivitätsanspruch
historischer Forschung und meint, der Fehler des
historischen Skeptizismus in der Theologie beruhe auf einer
Generalisierung, die unter dem Eindruck der „gespenstischen
Möglichkeit" steht, neue historische Entdeckungen könnten
vorhandene Erkenntnisse völlig aufheben. Auf derselben
Linie werden dann von G. M. Stanton zwei Grundthesen
neu testamentlicher Forschung kritisiert, nach denen einmal
die Evangelien keine Biographien sein sollen und zum
anderen die Urgcmeinde an der Geschichte Jesu uninteressiert
gewesen sei. J. C. O'Neill untersucht dann die Auferstehung
als historisches Problem mit der Frage nach den sie verursachenden
Ereignissen in der Geschichte. Dies berührt
sich mit einigen ähnlichen Versuchen der kontinentalen
Theologie.

Im vierten Teil kommt ausführlich zur Sprache, was die
gemeinsame methodische Voraussetzung aller Beiträge dieses
Bandes bildet, nämlich „die logische Grammatik der Christologie
". Denn durchweg werden die ehristologischen Probleme
in der Spannung von Glaube und Geschichte als logische
aufgefaßt und zu lösen versucht. In diesem Abschnitt kommt
der Arheitsgang, der bei der provokativen These von den
zwei Sprachen oder Geschichte einsetzte, zu einem dividierten
Abschluß, selbst wenn keine Übereinstimmung unter
den Mitwirkenden erzielt wurde. Denn gewarnt wird nach
dem historischen auch vor dem logischen Skeptizismus in der
Theologie und Christologie, mit dem man die theologische
von der allgemeinen Sprache trennen und ihr eine eigene
Logik beilegen will (S. T. Katz, Die Sprache und Logik des
Mysteriums in der Christologie). Dazu wird von B. L.
Hebblethwaitc auf den in der Theologie oft überzogenen
Begriff der Erfahrung hingewiesen, der niemals abgelöst von
dem Ereignis und seiner jeweiligen Interpretation gesehen
werden darf, ohne daß man zu einer einseitigen und unhaltbaren
Position kommt, für die als Beispiel auf Paul von
Burens Buch „Beden von Gott in der Sprache der Welt"
verwiesen wird. Erfahrung ist nicht gleich Wirklichkeit,
sondern Erfahrung von Wirklichkeil. Von der „Seitenbank"
wirft zum Schluß D. M. Mackinnon die vorsichtige Frage
auf, ob nicht nach aller seit Bitsehl propagierten Destruktion
der Metaphysik sich nicht doch hei genauerem Zusehen zeigt,

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wie hilfreich der klassische Substanz-Begriff sein kann, um
gerade auch die Aporien zu klären, vor denen die Christologie
in der neueren exegetischen Arbeit steht.

Die knappen Hinweise auf den Inhalt und einige profilierte
Thesen dieser Aufsalzsammlung vermitteln vielleicht ( inen
Eindruck von der Verschiedenheit der Fragen, aber aucli von
der weitgehenden Übereinstimmung in der Methode. Besonders
interessant aus der Sicht kontinentaler Theologie ist
die formale Beduktion der ehristologischen Probleme mit den
Mitteln analytischer Philosophie, die der Argumentation eine
große Klarheit verleiht. Analytische Philosophie und
historisch-kritische Methode in Verbindung zu bringen, wäre
von hier aus eine reizvolle Aufgabe, für die es nur wenige
Ansätze, doch viele Möglichkeiten gibt. Allerdings könnte
man auch fragen, ob die unterschiedliche Methode nicht auch
mit gewissen theologischen Unterschieden verbunden ist.
Auffallend ist jedenfalls, wie auch diese Diskussion chnsto-
logischer Probleme weithin von der in der englischen Theologie
dominierenden Inkarnations-Christologic geprägt ist.
Demgegenüber steht die historisch-kritische Methode, abgesehen
von ihrer antimetaphysischen Komponente, vorwiegend
im Zusammenhang mit einer kerygmatischen
Theologie, die primär an dem Worl und seiner Überlieferung
orientiert ist. Eine Begegnung dieser beiden seit langem
getrennt nebeneinander stehenden Bichlungcn könnte für
beide sehr bereichernd sein und klärend wirken.

Heidelberg Reinhard Slenczka

Lindberg, Lars: Omvändelsen i Karl Barths teologi. Zusammenfassung
: Die Umkehr in der Theologie Karl Barths
Uppsala: Tväväga förlag [1972]. 164 S. 8°.
Dieses Buch ist eine nüchterne und tüchtige Untersuchung
über die Bolle, die der Mensch bei der Bechtfertigung und
Heiligung, der immer währenden Umkehr, in der Theologie
Karl Barths spielt. Es ist polemisch orientiert gegen Forscher,
vor allem Gustaf Wingren, Benktson und andere schwedisch*
Forscher, aber auch gegen Theologen wie Jeröme llamer,
Danline, Lüthi und Zähmt, die über die Anthropologie
Barths geschrieben haben. Die Polemik kommt aber,
wenigstens scheinbar, nur nebensächlich in die positiv
orientierte Darstellung hinein. Unmittelbar ist sie milde,
offen, aber tatsächlich ist sie bisweilen sehr tiefgreifend.

Der Hauptgegner ist wohl Wingren, vor allem wie er in de*
1954 veröffentlichten Arbeit „Teologiens metodfräga" Marth
dargestellt und kritisiert hat. Es wird im Anschluß *■
andere Forscher nachgewiesen, daß es nicht stichhaltig irti
daß der eigentliche Gegensatz bei Barth „Gott contra
Mensch" sei. Der fundamentale Gegensalz ist, wie Lindberg
im Anschluß an einen Artikel von mir behauptet, „Gott
contra das Nichtige". Auch ist es ein Mißverständnis, wenn
Wingren und leider auch andere behaupten, daß der eigentliche
Zweck der Offenbarung der sei, Kenntnis, Erkenntnis
der göttlichen Wahrheit mitzuteilen. Es handelt sieh im
flegenteil um etwas, was für den Menschen und mit ihm
geschieht, des Menschen Bechtfertigung und Heiligung, dl«
nicht zwei Stufen in einem Ordo salutus sind, sondern wohl
zu unterscheiden, aber nicht voneinander zu trennen sind.
Alles einleuchtend richtig. Nur wundert es mich, daß nicht
stärker unterstrichen wird, daß, wenn Barth von Erkenntnis
Gottes redet, es sich nicht um eine nur intellektuelle Sache
handelt. Wie schon bei Paulus und Johannes und dann
besonders nachdrücklich bei Sören Kierkegaard ist „Gott
kennen" eine im strengsten Sinne existentielle Sache. Daß
z. Ii. Wingren, wie es scheint, dies bei einem Denker, der
trotz aller Kritik doch lebenslänglich von Kierkegaard beeinflußt
blieb, nicht gesehen hat, ist merkwürdig, um es
milde zu sagen.

Natürlich hat ein Kenner wie Lindberg auch gesehen, daß
es falsch ist, wenn man behauptet, daß in den Fragen der

Theologische Literalurzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 10