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Ausgabe:

1973

Spalte:

767-769

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Dio Chrysostom and the new testament 1973

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Lileralurzeitung 93. Jahrgang 1973 Nr. II)

763

• Cyrill von Jerusalem (Cntecli. IV,37), Athanasius (de Sabbatis et
circumeisione 1) und Epiphanius (de flde 24,7) erscheinen, dagegen
fehlt Joh. Chrysostomus, Sermones adv. Juducos.

• Konzil von Laodicea ('AfiO) can. 29.

' in: New Testament Essays, Studies in memory of T. W. Manson,
lUS'J, 210-218.

Mussies, G.: Dio Chrysostom and the New Testament. Parallels
collected. Leiden: Brill 1972. XII, 257 S. gr. 8° = Studia
ad Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, ed H. D.
Betz, G. Delling, W. C. van Unnik, 2. Lw. hfl. 120,-.
Der Untertitel ist wichtig. Es handelt sich um eine
schlichte Materialsammlung, nicht um eine Darstellung in der
Art von II. D. Betz, Lukian v. Samosata und das NT (TU 70,
Berlin 1901). An diese Arheit wie an die von II. Almqvist,
Plularch und das NT (Acta Sem. Neolest. Upsal. 15, Uppsala
1940), schließt sich M. insofern an (ohne sie zu nennen), als
auch er einen Beitrag zum Corpus Hellenisticum Novi
Testamenti liefert, eine weitere Vorarbeit zu einem Kommentar
zum NT auf Grund der griechisch-römischen Autoren.
Dion von Prusa bietet sich hier nach Plutarch und Lukian
durchaus folgerichtig an, als philosophischer Moralist, Zeitgenosse
der nll. Autoren. Speziell mit Paulus verbindet ihn
die Heimat in Kleinasien und in gewisser Weise auch das
missionarische Wanderleben.

So ist es nicht überraschend, daß die gesammelten Parallelen
einen stattlichen Band füllen. Zu den voll zitierten
Bibelstellen, in der Abfolge des NT, werden jeweils die zu
vergleichenden Passagen aus Dion abgedruckt. Gelegentlich
wird kurz auf den Kontext bei Dion verwiesen, und in
weniger durchsichtigen Fällen deutet M. an, worin er die
Parallele erblickt. Aber die eigentliche Auswertung bleibt
dem Leser überlassen. In seinem Vorwort begründet M. das.
Er habe „sowohl wirkliche wie scheinbare Ähnlichkeiten"
gesammelt, vor allem auf dem Gebiet von Beligion und
Philosophie. Grammatische, stilistische und sprachliche
Parallelen habe er „nur selten oder gar nicht" verzeichnet,
da sie bereits in den Grammatiken und Lexika verwertet
seien. (Was M. trotzdem bringt, ist nicht besonders erheblich
und soll hier außer Betracht bleiben.) Auf Kommenlierung
halie er verziehtet, da sie voreilig und unvollständig wäre,
so lange nicht die Mehrzahl der klassischen Autoren in
gleicher Weise durchgearbeitet wäre. Der Leser möge also
die Parallelen zusammen mit den aus anderen Quellen zu
gewinnenden Informationen benutzen, um ein Gesamtbild
zu erhalten. Aus solchem größeren Kontext könne dann
manche zunächst zufällig erscheinende Parallele an Gewicht
gewinnen. Andererseits — und M. betont das — können
sich viele Parallelen am Ende als unbegründet erweisen. Der
Leser habe also selbst zu entscheiden, ob eine Parallele
bloßer Zufall ist oder nicht, und wenn nicht, ob eine gemeinsame
Quelle oder wechselseitiger Kultureinfluß anzu-
nehmen isl.

M. hat sein Programm also klar abgesteckt und die
Begrenzungen angegeben. Innerhalb dieser Grenzen hat er es
erfüllt. Es bleibt gleichwohl zu bedauern, daß er die Grenzen
nicht weiter gezogen hat. Der Leser mag es als Iloch-
schätzung seiner eigenen Initiative emplinden, wenn ihm die
ganze Auswertung zugetraut wird. Trotzdem würde er es
begrüßen, wenn M. nicht nur gelegentlich sein Urleil andeuten
, sondern es durchweg bezeichnen würde. Eine
Klassifizierung wäre z. B. durch Ziffern oder Buchstaben in
allgemeiner Eorm ohne zusätzlichen Raumaufwand zu
machen, und eine Zusammenfassung am Schluß hätte
wenigstens provisorisch eine Bewertung des Materials geben
können. Die kurze Begründung im Vorwort, warum Dion
gewählt ist (zu seinem bei Synesios überlieferten Urteil über
die Essener vgl. meinen Kommentar zum „Dion" des
Synesios, TU 71, Berlin 1958, 42f.), und der Abriß seines
Lebens und Wirkens ist kein Ersatz dafür.

Nützlich sind die der Sammlung vorangestellten Indizes.
Index I verzeichnet alle NT-Stellen. Iiier kann man also
auch die nachschlagen, zu denen Parallelen unter einer

anderen NT-Stelle stehen. Das betrifft vor allem die Synoptiker
. Er ist zugleich eine knappe thematische Konkordanz
innerhalb des NT. Index II ordnet das Material umgekehrt
nach Dions Reden, deren unterschiedliche Ergiebigkeit für
das Thema man so überblicken kann (S. 27 Sp. 2 letzte
Zeile gehört nach Sp. 3 oben). Index III verzeichnet diejenigen
Parallelen, die schon Wettstein in seiner NT-Ausgabe
von 1751, dem Grundstock des Corpus Hellenisticum. angeführt
hatte, immerhin 01 Stellen. Schließlich nennt Index
IV sonstige Zitate, vor allem die des AT im NT, Homers
und anderer Klassiker bei Dion.

Eine Materialsammlung kann man nicht eigentlich rezensieren
. Statt dessen will ich einiges davon andeuten, was
in einer Zusammenfassung hätte stehen können und was sich
aus der Lektüre ergibt. Eine Klassifizierung halte zunächst
zwischen Parallelen und Kontra-Parallelen zu unterscheiden«
Wenn Dion Zeus als König und Vater bezeichnet, so ist das
mit christlichen Prädikationen direkt vergleichbar, aber alles
eigentlich Polytheistische kann mit dem christlichen Monotheismus
nur c contrario verglichen werden. Direkt vergleichbar
sind weithin Werte und Erfahrungen der Alllags-
moral: Genügsamkeit, Armut, Eintracht, Menschenfreund"
lichkeit, Freundschaft, andererseits Schmeichelei, Trägheit»
Habgier, Trunksucht, Päderastie (S. 138f. — der erste Beleg
gehört nicht hierher, der letzte ist nicht ,more favourable',
sondern referiert nur einen Sonderfall in dem rückständige'1
Provinzort Borysthencs). Ich nenne ferner: Unterordnung
der Frau, Bewertung von Freiheit und Sklaverei nach
moralischen Kategorien, Geben besser als Nehmen, Reichtum
nutzlos bei plötzlichem Tod, chronische Krankheit schwef
heilbar, Wollen und Vollbringen im Konflikt, Worte müssen
durch Taten erhärtet werden, Freunde haben alles gemeinsam
(zu Act 2,44). Aber die Grenze der Vergleichsmelhode,
die nur Tcxtstelle gegen Textstelle setzt, wird an solchen
Begriffen deutlich. Der unterschiedliche Stellenwert "n
jeweiligen Wertsystem, die unterschiedliehen Motivierunge"
und Ziele kommen nicht im Zusammenhang zur Geltung«
M. spürt das, wenn er wenigstens bei den Laster- und
Tugendkatalogen das Material an einer Stelle zusammenfaß1«
S. 67-70 zu Mt 15,19 bzw. 172-177 zu 2 Kor 0,0. Es «»*

nicht verwunderlich, daß etwa zur Areopagrede und den
Pastoral- und katholischen Briefen (Jak) das Vergleichs"
inaterial besonders reich ist, also für Texte, die den antike"
Traditionen näherstehen.

Die Art der popularphilosophisehen Diatribe ist auch im
Formalen ergiebig, so für die direkte Anrede, den fingierte"
Einwand, die rhetorische und weiterführende Frage. Insbesondere
gehören hierher die Vergleiche: Sport und VeU"
kämpf, Gastmahl, Hirt und Herde, Rivalität der Körperteile
, geistliche Waffen (bzw. geistige). Instruktiv sind hier
Kontra-Parallelen wir der positiv gemeinte breite Weg ""

Unterschied zur engen Pforte. Wo die biblische Redewei»"
zum Paradoxon greift, endet die direkte Vergleichbarkeit
bald.

Nützlich sind Beiträge zum kulturgeschichtlichen llinl1'1"
grund, so von Orten, Völkern, Dingen, die im NT eine Rolle
spielen: Tarsus, Ephesus, Korinth, Syrtis, Babylon, Skythen«
Zum Gleichnis vom Schatz im Acker erhalten wir eine0
Beleg für die Gewohnheit, Geld zu vergraben (der d'e
moderne Archäologie manche ihrer schönsten Kunde verdankt
). Etwas weiter hergeholt, aber als Ansatzpunkte I'"
eine Interpretatio christiana wichtig und folgenreich, sin«'
Parallelisierungen wie die zwischen Jona (Ml 12,40) und dein
vom Delphin geretteten Arion, Noah (Mt 24,37 — 39) UI1<*
Deukalion. Noch ferner liegt die Ähnlichkeil der Vorbehalt*
der Juden gegen die Samarilaner und die der Griechen gc?°n
die Myser. Hier gibt M. auch einmal weitere pagane Belege
So klingt die wichtige Tatsache an, daß Dion Erbe einer
langen Traditionskette ist. Wenn zu Act 17,18 die Anklage-
gegen Sokrates gestellt wird, er führe neue Götter ein, so i*'
Dion hier Zeuge für die Nachwirkung der platonische'1

Apologie.