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Ausgabe:

1973

Spalte:

761-763

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Pizzolato, Luigi Franco

Titel/Untertitel:

Le fondazioni dello stile delle "confessiono" di Sant'Agostino 1973

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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V Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 10 702

KIRCH ENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE Konfessionen abhängen und nicht aus einem allgemeinen

(etwa spätantiken) Ausdrucksklima herzuleiten seien. Er
wählt dazu als Beispiel die Verwendung der Frage in den
izzolato, Luigi Franco: Le Fondazioni dello Stile delle Confessiones. Er unterscheidet biographische Fragen, die dem
riq"feSS'°ni" d' Sant'oASostino- Milano: Vita e Pensiero Fortschreiten der Erzählung dienen, und Confessio-Fragen.
[1972]. VII, 184 S. 8". welche sich an Gott wenden. Die biographischen Fragen
Pizzolato hat den ,,Bekenntnissen" Augustins bereits eine werden in der adolescentia zu Fragen des Zweifels, wenn
Monographie gewidmet, welche das alte Problem zu lösen etwa auf den Standpunkt des damaligen Augustin zu
surht: wie ist der exegetische Schlußteil der Konfessionen religiösen Problemen gesehen wird; sie sind urteilende
jttlt dem biographischen ersten Teil zu vereinbaren? (L. F. Fragen, wenn der Augustinus von jetzt dem Augustinus von
Pizzolato, Le „Confessioni" di Sant'Agostino. Da biografia damals gegenübergestellt wird. In der iuventus trete die
a ,Confessio', Mailand 1968). Er ging dabei von der Er- Verinnerlichung der Biographie hervor, welche nicht mehr
Wagung aus. daß die Struktur der Confessiones von der von äußeren Fakten, sondern von Gedankenbewegungen
geistigen Lage Augustins zur Zeit der Abfassung bestimmt beherrscht wird, und die Tendenz zur Entgegensetzung von
sp>> also in bezug zu etwa gleichzeitigen Werken gesetzt nunc und tunc, wodurch die Biographie sich der confessio
Verden muß. Von daher ergibt sich eine Parallele zwischen annähert. Die Fragen in der Periode der declinatio, wo das
der Genesisexegese der Schrift De Genesi contra Manichacos kalechetisch-pastorale Anliegen zentral ist, erhalten ein
und den Konfessionen. Pizzolati meint, daß der Vergleich didaktisches Moment, In der Benectus, welche der Erder
Schöpfungstage mit den sieben Lebensaltern des forschung des Wortes Gottes gewidmet ist, werden die
Menschen, der in De gen. c. Man. durchgeführt wird, auch Fragen besonders häufig (mehr als 200 Fragen in Conf.
die Struktur der Confessiones bestimme. Er findet die sieben XI —XIII), und sie sind charakterisiert durch die Bc-
Lebensaltcr von De gen. e. Man. in den ,,Bekenntnissen" ziehung zwischen menschlicher Frage und Schriftzitat,
wieder, und zwar nicht nur die ersten vier, welche Augustin welches als Antwort auf die Frage dient,
bei Abfa ssung des Werkes durchlebt hat: 1) infantia (Conf. T, Der Versuch des Vf.s, den Beitrag der strukturellen
*~~7); 2) pueritia (1,8 — 20); 3) adolescentia (II—VII); Thematik zur Gestaltung des Stils nachzuweisen, ist nicht
^) iuventus (VII —IX), sondern auch die übrigen: 5) declinatio immer überzeugend. Er nennt etwa die Annäherung der
a 'uventute ad senectutem oder grnvitas (X); 6) senectus Biographie an confessio, welche den Unterschied zwischen
(XI-XIII) und 7) qnies (Schluß). Mit dieser ohne Zweifel Zweifelsfragen und Urtcilsfragen verwische, oder die „Poesie
•nteressanten Sicht habe ich mich hier nicht auseinanderzu- des Bösen an sich" (Erzählung vom Birnendiebstahl),
setzen, es wurde über sie nur berichtet, weil sie die Voraus- welche durch Wiederholung derselben Worte eine beständige
Setzung für das zu besprechende Buch bildet. Zurückwendung der Ausdrücke auf sich selbst erreiche, oder
In diesem geht es um eine Untersuchung der Grundlagen, das abstrakt-reflexive Klima der Periode der iuventus,
auf welchen der Stil der Konfessionen beruht. Diese Grund- welches hypotaktische Satzkonstruktion bevorzuge. All das
' n sind: 1) das Biographische, 2) die Struktur (die läßt sich nicht auf bestimmte „Lebensperioden" in den
rationale Ordnung des Materials in die Etappen der sechs Bekenntnissen eingrenzen: die Vermischung von Biographie
(bzw. sieben) Lebensalter mit den Themen, welche ihnen und confessio, von Bericht und abstrakter Beflexion sind
"ach De gen. c. Man zugeordnet sind), 3) die confessio, das durchgehende Züge der Confessiones. Die Beobachtungen des
Lob Gottes, welches als leitende Absicht das Biographische Vf.s gelten durchaus nicht bloß für die Abschnitte, denen

die Struktur bestimmt. Der Vf. spricht deshalb von er sie zuschreibt.
°lncr confessio in stilo. Schon diese Begriffsbestimmungen Während die Untersuchung des Stils der Konfessionen
zeigen die Schwierigkeiten der Abgrenzung, denen der Vf. durch C. I. Baimus (Etüde sur le style de s. Augustin dans
sich gegenüber sieht. Deshalb sagt er auch, als Leitfaden der les Confessions et la Citd de Dieu, Paris 1930) sich auf die
Untersuchung biete sich nicht die confessio an, weil diese zu rhetorischen Formen konzentrierte, diejenige von M. Vereinförmig
sei. Die Verschiedenheiten in der Formung des heijen (Eloquentia pedisequa. Observations sur le style des
Slds würden erst deutlich, wenn man die strukturellen Confessions de s. Augustin, Nimwcgen 1949) die Beziehung
Themen als Führer nimmt: biographische und strukturelle zwischen Form und Inhalt zeigen will, verschiebt der Vf. das
Elemente fließen in den Bereich der confessio ein und Gewicht entschieden von der Form fort auf Klima und Inhalt
bewirken eine Veränderung des Ausdrucks. der Confessiones. Das möge anhand eines Zitates verdeutscht
Der Vf. führt das folgendermaßen durch: Die infantia ist werden. In der Periode der adolescentia (Conf. II—VII)
bestimmt vom Thema des Vergessens und des Glaubens — unterscheidet der Vf. eine ganze Menge verschiedener Arten
des Vergessens der frühesten Kindheit, welches durch den von Poetik, unter anderem eine Poetik des Gegensatzes
Glauben an die Berichte anderer und glaubende Analogie- zwischen Fleisch und Geist. Er schreibt dazu (S. 61f.):„Um
Schlüsse überwunden wird. In der pueritia herrscht das die Geschichte dieser Poetik des Gegensatzes zusammen-
I'hema der Zucht, welcher der Knabe unterworfen wird, das zufassen, können wir eine Typologie ihres Ablaufs versuchen,
firmamentum diseiplinae aus der Deutung des Sechstagc- Die Bewegung der Erzählung nimmt ihren Ausgang vom Bio-
Perkes nach De gen. c. Manichacos. Die adolescentia werde graphischen, welches deutlicher dort erscheint, wo der Text
durch den Gegensatz zwischen Fleisch und Geist charak- die Form des hypotaktischen Satzbaus trägt. Das Urteil
tprisiert, der sich in das Bild der Unbeständigkeit des Meeres über die (biographische) Tatsache führt eine dialektisch

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, — . ... ~ »•„„ 4 2*t 27^ Sicht ein, und der Stil ist betroffen vom Klima des Fleisches,

und der Festigkeit der Erde (De gen. c. Man. >

H„; i . T . • i t • r> „„„ r. Man dem Dieses erzeugt den Schmerz, welcher die Worte und den

"leidet. In der iuventus, welche in De gen. c. Man. aem . ■ ' . . .

Schöpfungstag entspricht, waltet das Thema des Lichtes Stil zerbricht und e.nen dramatischen Verlauf hineinbringt.

und der Erleuchtung lies Geistes. Die declinatio ad senec- H.er bemerkt man schließlich daß der breite Satzbau, der

(„,„„ ... 6 , , „. AKoirlit andere an gemäß menschlicher Ubereinkunft konstruiert ist, nicht

luteni wird bewegt von der pastoralcn Absicni, anut-rt. t, __ >

den eignen Erfahrungen teilnehmen zu lassen; die ind- mehr genügt, weil die Sprengkraft des Schmerzes ihn m

viduellen Elemente der Biographie gehen ins allgemein Zuckungen versetzt. Der Schmerz und das Drama finde.»

Mensehliehe ein. Die senectus, in welcher nach De gen. c dann ,hre Reinigung im Eingreifen Gottes ,n dem sich das

Man. 1,23.40 der neue Mensch geboren wird, der sich geistlich Entgegengesetzte versöhnt. Diese Beobachtungen ent-

«us der Schrift ernährt, ist dem Thema des göttlichen Wortes halten R.cht.ges Aber der Gesichtspunkt, welcher sonst e.ne

«•widmet. Daher die Genesisexegese von Buch 11-13. Stilanalyse abschließt namheh die trage was die ver-

In einem abschließenden Kapitel versucht der Vf. zu wendeten stilistischen Mittel zum Ausdruck bringen sollen,

zeigen daß die rhetorischen Ausdrucksmittcl, deren sich wird hier zum Ausgangspunkt der Analyse. Die Unter-

Augustin bedient von der je besonderen Gestimmtheit der Scheidung zwischen Stil und Inhalt droht zu verschwinden.