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Ausgabe:

1973

Spalte:

742-743

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rost, Leonhard

Titel/Untertitel:

Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphen einschließlich der grossen Qumran-Handschriften 1973

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 10

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durch seine Propheten, auch durch Priester und Könige
(Kap, 3), aber die sind selbst untreu. Nach dem Gericht
wird jedoch ein neuer Tag folgen (Kap. 5) mit einem neuen
König aus dem Geschlecht Davids, der über einen treuen
Rest des Volkes herrschen wird.

In diesem Glauben bleibt Micha solidarisch mit seinem
irrenden Volk. Er leidet mit ihm und für es. Seine Worte
blieben lebendig und wurden stets von neuem gelesen. Davon
zeugen die Erweiterungen des Textes. Noch zur Zeit Jeremias
hat man sich auf Micha berufen (Jer 26,18 vgl. Mi 3,12; 92).

2. Nahum-IIabakuk-Zcphanja. Diese drei kleinen Propheten
sollte man nicht, gesondert betrachten, sondern
gemeinsam im Lichte der damaligen Ereignisse, wo die
assyrische Weltmacht ihrem Ende entgegeneilte und die
babylonische — nach einem kurzen, für Juda unheilsvollen,
ägyptischen Intermezzo — rasch aufstieg. Das hängt allerdings
mit der Frage zusammen, wann die betreffenden
Propheten gewirkt haben. Für Nahum nimmt der Vf. eine
Zeit kurz nach 663, d. h. nach dem Sieg Assurbanipals über
Ägypten und dem Fall von Theben-No Amon, an (104). Die
Argumente für diese Datierung haben jedoch den Rezensenten
nicht überzeugt, so daß er nach wie vor Nahum unmittelbar
nach dem Fall Ninivcs im J. 612 ansetzen möchte.
Unter der Regierung Manasses wäre das Auftreten dieses
Propheten mit einer so antiassyrischen Botschaft nicht
denkbar gewesen. Da hatten die Propheten eher den besten
Grund gegen ihren eigenen König und Volk aufzutreten
(vgl. 2 Kön 21,10ff).

Ist der Einwand des Rezensenten grechtfertigt, wäre der
älteste von den drei in Frage kommenden Propheten Ze-
Phanja. Der Vf. setzt ihn um 630-625 an (181). Das dürfte
der Wahrheit am ehesten entsprechen. Die Macht des
Assyrerreiches verfiel unaufhaltsam, und in Juda war die Ära
seines treuen Vasalls Manasse auch längst vorbei. Zephanja
scheint der erste Prophet zu sein, dessen Name uns nach
mehr als einem halben Jahrhundert wieder bekannt ist. War
es nicht unter dem Einfluß seines Auftretens, daß der junge
König Josia zu seinen Reformen übergegangen ist?

Der Rezensent nimmt an, daß Zephanja durch seine
Verkündigung den jungen König derart erschüttert hat, daß
er (im J. 630 etwa achtzehnjährig) die Macht allein ergriffen
hat und seine Reformen durchzusetzen begann. Der Verfall
Assyriens ließ sich nicht mehr aufhalten. Als Ninive dem
gemeinsamen Ansturm der Meder und Babylonier unterlegen
war, konnte Nahum in Jubel ausbrechen. Aber kurz
darauf folgte der Tod Josias (609) mit den Eingriffen des
ägyptischen Necho in die Verhältnisse von Juda und 605 der
Sieg der Babylonier über die Ägypter. In die darauf folgenden
Jahre, 602 — 601, kann man das Auftreten Habakuks verlegen
(ygh 1,6; 140). In einem bloßen Vierteljahrhundcrt änderten
sich die Verhältnisse im Vorderen Orient derart, daß jeder
der drei Propheten in einem ganz anderen Licht erscheint
und eigentlich nichts Gemeinsames mit beiden anderen aufzuweisen
hat. Ein näherer Vergleich aller bringt jedoch ein
nicht unbedeutendes Belegmaterial für die damalige Epoche
m't sich, und umgekehrt, aus den historischen Ereignissen
fällt mancher Lichtstrahl in die Unklarheiten der prophetischen
Verkündigung.

Dies war jedoch nicht das Anliegen Kellers. Vielleicht
könnten aber bei einer Neuauflage des Werkes, mit der bei
seiner Qualität zu rechnen ist, diese Anregungen ausgewertet
werden. Der Rezensent hat sich seinerseits darum
•»emüht; vgl. M. Bic: Trois prophetes dans un temps de
tenebres (Lectio divina 48, Paris, 1968).

Noch einige Anmerkungen: Handelte es sich Zeph 1,5
wirklich um die ammonitische Gottheit Milkom (zu S. 1881) ?
Die Judäer konnten doch viel eher einen eigenen Melek
verehrt haben. Der Name .König' war bei verschiedenen
s°mitischen Stämmen als Gottesbezeichnung geläufig.
Warum soll man an die ziemlich unbedeutenden Ammoniter
gleich denken? — Von Nahum wird ausgesagt, daß er ein
Prophet von ungewöhnlicher Stärke und Überzeugungskraft

war (105). Das klingt sympathisch und ist sachlich gewiß
richtig. Ausdrücke, wie Chauvinist u. ä., die früher zeitweise
auftauchten, wurden mit Recht vermieden. — Bei Habakuk
drängt sich u. a. die Frage auf, ob das Orakel, das der
Prophet niederschreiben sollte, wirklich in 2,5 — 20 enthalten
vorliegt (139) oder doch eher in 2,4, wie allgemein angenommen
wird (159). Auch zur Gestalt des ,Gerechten'
(2,4) ist zu fragen, ob der Vf. nicht zu stark ,humanisiert'
(159f vgl. 141). Die Einzahl caddiq läßt mindestens den
Gedanken auf eine Einzelgestalt aufkommen. Durch eine
,Humanisierung' oder Demokratisierung' ist das Problem
noch nicht gelöst. Das letzte Wort ist da noch nicht gefallen.

Diese Anmerkungen sollen nichts mehr als bloße Anregungen
für etwaige Neuauflagen sein. Der Wert des
Werkes soll dadurch nicht herabgesetzt werden.

Praha Milos Bic

Rost, Leonhard: Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen
und Pseudepigraphen einschließlich der großen
Qumran-Handschriften. Heidelberg: Quelle & Meyer 1971.
150 S. 8°. Kart. DM 28,-.

Die als Lehrbuch von den Studenten seinerzeit sehr
geschätzte Scllinschc „Einleitung in das AT", von der
deshalb zu Lebzeiten Ernst Sellins auch 7 Auflagen erschienen
sind und deren 8. und 9. Aufl. L. Rost bearbeitet
hat, erfuhr mit der 10. Auflage eine grundlegende, tiefgreifende
Umgestaltung. Diese besteht nicht zuletzt darin,
daß sich die von G. Fohrer neu konzipierte und unter der
Bezeichnung Sellin-Fohrer herausgehende Einleitung (vgl.
die Besprechung der 10. Auflage 1965 von A. Jepsen in
ThLZ 94, 1969 Sp. 822-824) bewußt auf die kanonischen
Bücher des AT beschränkt. Die im Vorwort von 1965 angekündigte
Behandlung des nichtkanonischen Schrifttums
durch L. Bost „in einem besonderen, ergänzenden Band"
(S. 6) liegt nunmehr vor, auch wenn im Titel der Bezug zur
Sellin-Fohrerschen „Einleitung" nicht zutage tritt.

Nach ,,A. Vorbemerkungen" (S. 15 — 37), die sich einführend
mit dem hebräischen sowie dem griechischen Kanon
und den Apokryphen, mit den Pseudepigraphen, mit der
Zeitgeschichte und der geistigen Situation befassen, folgt im
Teil B die Behandlung der Apokryphen (S. 38 — 73: Judith,
Weisheit Salomos, Tobith, Jesus Sirach, Baruch, Brief Jeremias
, I. und II. Makk, Stücke zu Esther, Zusätze zu Daniel,
Gebet Manasses, III. Esra). Teil C. bietet die Pseudepigraphen
(S. 74 —142), untergliedert nach ihrer Herkunft I.
Aus dem hellenistischen JudentumÄgyptens" (Aristeas-Brief,
III. und IV. Makk., Slav. Henoch, Sibyllin. Orakel), „II. Aus
Syrien" (Gricch. Baruch), „III. Aus pharisäischen Kreisen
Palästinas" (Psalmen Salomos, IV. Esra, Syr. Baruch),
„IV. Aus dem Einflußgebiet der Qumrangruppe" (Jubiläen,
Äth. Henoch, Test. XII Patr., Himmelfahrt Moses, Martyrium
Jesajas, Leben Adams und Evas) und „V. Die
Handschriftenfunde aus Qumran" (Sektenrolle, Damaskusschrift
, Kricgsrolle, Hab.-Pescher, Gen.-Apokryphon, Loblieder
, Tempelrolle). Schließlich werden in ,,D. Anhang"
(S. 143—148) der Achiquar-Roman und Pseudo-Philon behandelt
. Dem Buch ist auf S. 149—150 eine Zeittafel vom
Tode Alexanders (323v. Chr.) bis zur christlichen Bearbeituni.'
des Slav. Henoch um 600 beigefügt.

Schon ein ganz äußerlicher und deshalb grundsätzlich ungenügender
Vergleich mit der 9. Auflage der Einleitung von
Sellin-Rost, in der für das nichtkanonische Schrifttum nur
11 Seiten zur Verfügung standen, zeigt, daß R. auf den
jetzt 150 Seiten ein eigenständiges, neues Handbuch erarbeitet
hat, dem vom Umfang her eher der entsprechende,
133 Seiten starke Abschnitt der „Einleitung" von 0. Eiß-
feldt (31967) an die Seite zu stellen wäre. Würde schon
dieser Tatbestand einen Vergleich nahelegen, so werden wir
in dieser Absicht bestärkt durch den Hinweis R.s, daß das
Werk Eißfeldts in neuerer Zeit die letzte in deutscher