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Ausgabe:

1973

Spalte:

740-742

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Vuilleumier-Bessard, René

Titel/Untertitel:

Michée 1973

Rezensent:

Bič, Miloš

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 10

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gewählten Abbildungen von archäologischen Stätten und
Einzelfunden bei. Darunter befindet sich Bildmaterial, das
noch nicht zur Standardausstattung illustrierter Geschichtswerke
über Palästina gehört, so u. a. ein schönes Beispiel
philistäischer Keramik, 1968 in der Gegend von Hebron
gefunden (Abb. 10); die ,Pilatus-Inschrift' aus Caesarea
(Abb. 37) und zwei interessante Luftbilder von der Burg
Massada (Abb. 34, 40). Leider finden die Ergebnisse der
archäologischen Forschung im Text der Darstellung nur eine
verhältnismäßig geringe Berücksichtigung, wenn man von
dem ersten Beitrag, den A. Malamat beigesteuert hat, absieht
.

Für die Bibelwissenschaft ist dieses erste Kapitel (S. 9—90),
das die Vorgeschichte und die Geschichte bis zum Ende der
Richterzeit behandelt, am interessantesten. Neue Hypothesen
sind hier selbstverständlich nicht zu erwarten, da der
Charakter des Werkes nur die Aufnahme schon erprobter
und allgemein anerkannter Forschungsergebnisse empfiehlt.
Malamats Position wird aber allenthalben deutlich durch die
Akzente, die er setzt, insbesondere auch in der Diskussion
der neueren Forschungen über die Erzväter (S. 40ff.).
Hierbei nimmt er im gewissen Sinne eine mittlere Stellung
zwischen A. Alt und M. Noth auf der einen und W. F.
Albright und R. de Vaux auf der anderen Seite ein, indem
er in den Erzväterüberlieferungen zwar das echte Milieu des
15./14. Jh. v. Chr. vorfindet, über die Historizität der
einzelnen Vorgänge und über die Chronologie aber kritisch
urteilt. Entsprechendes zeigt sich bei der Behandlung der
sogenannten ,großen' und ,kleinen' Richter. M. ist geneigt,
die Unterschiede in der Schilderung beider Gruppen eher
auf verschiedenes Oucllenmaterial zurückzuführen, als an
zwei gesonderte Funktionen zu denken (S. 70ff.). Interessant
ist überhaupt sein Bild vom kanaanäischen und früh-
israelitischen Palästina, ein Bild, in dem er die Spuren der
starken Einflüsse aus der Umwelt während des zweiten
Jahrtausends v. Chr. deutlich herausarbeitet. Mit Recht hebt
er hervor, daß Ramses III. in der ersten Hälfte des zwölften
Jh.s v. Chr. noch einmal die Oberherrschaft der Pharaonen
über Kanaan restituieren konnte. Die sich daraus ergebenden
Konsequenzen für die israelitische Frühgeschichte
werden aber nur mit Zurückhaltung gezogen.

H. Tadmor, der die Zeit von David bis 520 v. Chr. behandelt
, hat nur einen sehr knappen Raum zur Verfügung
(S. 93— 173). Da er nicht nur die äußere politische Geschichte
berücksichtigt, sondern z. B. auch die Gestalten der Schriftpropheten
und ihr Wirken ausführlicher würdigt, gelangt die
Darstellung der Geschichte insbesondere der sehr bewegten
Zeit des getrennten Reiches nicht über die Hauptlinien hinaus,
Das Hauptgewicht liegt im übrigen auf der nachexilischen
Zeit.

Entsprechend widmet sich M. Stern bei der Darstellung
der anschließenden Geschichte des Judentums von 520 v.
Chr. bis 70 n. Chr. neben den politisch-geschichtlichen Vorgängen
der jüdischen Literatur und Religion sowie überhaupt
der geistig-kulturellen Situation dieser Zeit (S. 175 — 295).
Eine so umfassend konzipierte Geschichtsdarstellung auf
engstem Raum ist freilich für diesen Zeitraum bei der
Mannigfaltigkeit der zu berücksichtigenden Erscheinungen
besonders problematisch. Schade ist es, daß die Gemeinschaft
von Qumran nur beiläufig erwähnt wird. Nicht übergangen
wird Jesus von Nazareth, dem als einem der Repräsentanten
der messianischen Bewegungen gegen Ende der Epoche des
zweiten Tempels, fünf Zeilen gewidmet werden, an die sich
noch eine etwas längere Passage über Paulus und die Ausbreitung
des Urchristentums anschließt (S. 278).

Das vierte Kapitel von S. Safrai beschäftigt sich mit der
Geschichte von 70 bis 640 n. Chr. (S. 297-367). Das Hauptinteresse
liegt auf der Darstellung der inneren Geschichte des
palästinischen Judentums. Ihm gegenüber tritt die Diaspora
unverdientermaßen zu sehr zurück. Eine etwas ausführlichere
Behandlung erfährt nur das babylonische Judentum (S.
358ff.).

Ergänzt wird das als Überblick zweifellos sehr nützliche
Buch durch eine sorgfältig ausgewählte Bibliographie, in der
auch wichtige ältere Publikationen nicht übergangen
werden.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Vuilleumier, Rene, et Carl A. Keller: Micliee —Nahoum —
Habacuc — Sophonie. Neuchätel: Delachaux et Niestie
(1971). 224 S. gr. 8° = Commentaire de l'Ancien Testament
, hrsg. v. R. Martin-Achard, Xlb. sfr. 36,— ; geb.
sfr. 42,-.

Der vorliegende Kommentar bildet einen Teilband einer
großzügig angelegten Kommentarreihe, der ersten ihrer Art,
die von französisch sprechenden Protestanten Belgiens,
Frankreichs und der Schweiz gemeinsam herausgegeben
wird. R. Vuilleumier, Pfarrer an der französischen reformierten
Gemeinde in Bern und Theologiedoktor der
Universität Straßburg, bearbeitete das Buch Micha (5 — 92),
während die Bücher Nahum, Habakuk und Zephanja
(93 — 216) C. A. Keller, Professor in Lausanne, bearbeitet
hat. Zum Grundsalz der ganzen Reihe gehört es, den Leser
in die einzelnen alttestamentlichcn Bücher zunächst kurz,
einzuführen, eine neue Übersetzung des Textes zu bieten und
anschließend den Text zu kommentieren, vom historisches
wie vom theologischen Gesichtspunkt her, mit Hervorhebung
seiner Originalität und Aktualität.

Als Ganzes gesehen, haben wir es mit einer hervorragenden
Leistung zu tun. Schon die graphische Gestaltung erweckt
volles Vertrauen auch zum Inhalt. Der eigentliche Bibeltext
unterscheidet sich vom Kommentar durch Kursivschrift; in
den Erklärungen wird auch die Quadratschrift und das
griechische Alphabet verwendet, ein Beweis, mit welcher
Sorgfalt der Verlag an seine Aufgabe herantritt und welchen
Wert er dem Werk beilegt. Reichliche Fußnoten ergänzen
den Kommentar durch Hinweise auf abweichende Lösungen
der Probleme und die betreffende Literatur.

1. Micha. Über den Propheten wissen wir eigentlich nur,
daß er ein „Mann des Wortes" war (11), dem bedingungslos
zur Verfügung stehend, der ihn in seinen Dienst berufen hat.
Die Zeit seiner Wirkung umfaßt nach dem Vf. mit einigen
Unterbrechungen ungefähr die Jahre 725—680 v. Chr. (89).
Obwohl das Auftreten des Propheten durch die Regierungs-
zeit dreier judäischer Könige begrenzt ist (Mi 1,1), stellt der
Vf. fest, daß für die Ära Jothams kein Spruch Michas mit
Gewißheit in Anspruch zu nehmen ist, während manche
(4,9?; 6,14; 7,3) höchstwahrscheinlich erst unter Manasse
verkündet werden konnten (89). Der Text des Buches bietet
manche Schwierigkeit. Als unauthentisch wird nur 2,12f und
7,8ff hingestellt, neben einigen liturgischen Einschühen in
Kap. 5; andere Stellen, wie 4,13, wurden offenbar sekundär
überarbeitet. Sonst kann man das Ganze des Buches mit
guter Zuversicht dem Propheten zuschreiben.

Die Botschaft Michas hat als Ausgangspunkt die alten
Traditionen Israels, vor allem den Auszug aus Ägypten
(6,4f). In 1,2 — 7 klingt möglicherweise eine Erinnerung an
die Gottesoffenbarung von Sinai nach, öfters meldet sich
zum Wort die rechtliche Lage der alten Amphiktyonie in der
Polemik gegen die Mächtigen (Kap. 2; 3; 6). Aber auch
David wird erwähnt, die Kriege Jahwes usw. (90). Micha
ist mit dem Kult seines Volkes gut vertraut und nimmt auf
ihn in seiner Verkündigung Bezug. Wir stoßen in seinen
Worten auf Motive der Theophanie (6,1 — 8), der Gölzcn-
verwerfung (5,9—12), aber auch der Klagelieder (1,8—16)
und verschiedener Liturgien (4,1 — 5; 7,1 — 7). Scharf wendet
sich der Prophet gegen die kanaanäischen Entartungen des
Kultes mit seinen Fruchtbarkeitsriten und ihrem Utilita-
rismus und Orgiasmus. Das Volk hat am Gottesbund festzuhalten
(6,8), sonst hört es auf, Jahwes Volk zu sein (2,8).
Wehe, wenn es sich auf falsche Sicherheiten verläßt (3,11),
das Gericht bleibt nicht aus (4,14). Gott warnt sein Volk