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Ausgabe: | 1973 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeiturig 98. Jährgang 1973 Nr. 9
dem jeder einzelne Mensch konkretisiert die allgemeine
Sünde und Schuld je für sich. Anders gesagt: Der Mensch
ist Sünder in einem quasi historischen Sinn, er sündigt in
Freiheit und beginnt seine eigene Geschichte mit einer
Sünde, und eben dies ist es, was die Mythen in Gen 2 und 3
ausdrücken wollen. Die kirchliche Lehre von der allgemeinen
Sünde und Schuld ist zutreffend, indem sie konstatiert
, daß alle Menschen ausnahmslos Sünder sind.
Aber diese Universalität darf nicht im Sinne der Unausweichlichkeit
von Sünde und Schuld gedeutet werden.
Denn notwendige Sünde ist keine Sünde.
Während Vanneste einerseits unter Berufung Augustins
und gegen Pelagius die Allgemeinheit des peccatum originale
betont, wird an dieser Eingrenzung doch der Dis-
sensus gegenüber der reformatorischen Sicht speziell der
Konkupiszenz und des peccatum manens nach der Taufe
erneut deutlich. Zusammenfassend wird die Erbsünde als
Verweigerung des Heilsangebotes Christi deklariert. Da,
wo sich Heilökonomie und peccatum originale in der Entsprechung
befinden, hegt die ganze Tiefendimension des
Erbsündendogmas, das, in dieser Weise entmythisiert und
auf seinen wesentlichen Wahrheitsgehalt reduziert, unabdingbarer
Bestandteil der Kirchenlehre ist und bleibt.
In einem Anhang (S. 147-157) setzt sich Vanneste kritisch
mit einigen modernen katholischen Auffassungen
auseinander. Schoonenberg beispielsweise definiert Erbsünde
als diejenige Situation, in der sich der Mensch seit
seiner Geburt befindet, bevor er eine persönliche Sünde
begangen hat. Sie bezeichnet ihrem Wesen nach das
menschliche Unvermögen, das Gute zu tun. Die Wurzeln
hierfür sieht Schoonenberg in Abhängigkeit von Sartre
in einer durch Sünde und Schuld gezeichneten Welt und
Umgebung, die ursächlich für den Bruch zwischen Gott
und Mensch ist und die den Verlust der Verbindung des
Menschen mit dem Übernatürlichen bewirkte. Bei
P. Hulsbosch bestimmen Erbsünde und Tatsünde die
Distanz des Sünders von Gott bzw. dem Ideal, auf das der
unvollkommen geschaffene Mensch hin angelegt wurde
und zu dem hin er sich in einem evolutionären Prozeß
bewegt. Z.Alszeghy und M.Flick bezeichnen die Erbsünde
als faktische Unmöglichkeit, der Sünde auszuweichen
. Das können sie, wie Vanneste vermerkt, nur in
der Identifikation von Konkupiszenz und Erbsünde konzeptionell
durchhalten, eine Position, die für einen traditionsgebundenen
Katholiken unannehmbar ist. Ebenso
wird die Erörterung von H.Rondets über das Verhältnis
von peccatum originale originans und peccatum originale
originatum verworfen (das peccatum originale originans
besitzt für Vanneste lediglich symbolische Bedeutung).
Sämtliche Konzeptionen verfehlen nach Vanneste
ihren Zweck, weil sie in ihrer Kritik nicht „radikal" genug
sind (S.159). Die Autoren wollen die überkommenen Begriffsinhalte
nicht aufgeben, finden aber nicht den Schlüssel
zur Lösung der mit ihnen verbundenen Probleme, weil
sie durchweg nebulöse Termini wie Macht der Sünde, Unfähigkeit
, das Gute zu tun usw. gebrauchen, mit denen
sie scheinbar notwendige Zugeständnisse an den modernen
Menschen machen woUen, in Wirklichkeit aber nur die
Fragenstellungen verschleiern.
Die Studie von Vanneste darf, obwohl sie im ganzen anspruchslos
ist, als ein auch von protestantischer Seite
ernst zu nehmender Beitrag in der sich neuerlich abzeichnenden
Diskussion zum Erbsündenthema gewertet werden
. Der weitgehende Verzicht auf Anleihen an naturwissenschaftliche
Theorien und philosophische Spekulationen
bei gleichzeitiger strenger theologischer Sachbezogenheit
ist ein erfreuliches Anzeichen für eine beginnende
Rückbesinnung der Theologie auf die ihr aufgegebenen
Themen.
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