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Ausgabe:

1973

Spalte:

697-698

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Leutenbauer, Siegfried

Titel/Untertitel:

Hexerei- und Zaubereidelikt in der Literatur von 1450 bis 1550 1973

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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697

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9

sein. Trotzdem wird man dem abschließenden Urteil H.s
zustimmen können: „Bei aller Zeitbedingtheit undUnvoll-
kommenheit, die den Schriften Baaders anhaftet, muß
man seinen Weitblick und seinen großen geistigen Horizont
bewundern. Es läßt sich nicht leugnen, daß viele
Anregungen und Wünsche, die Baader bereits vor über
hundert Jahren ausgesprochen hat, erst in unserer Zeit
allmählich ihre Erfüllung finden" (S.262). Das überzeugend
deutlich gemacht zu haben, ist das große Verdienst
H.; seine Darstellung wird wesentlich dazu beitragen
, daß auch im evangelischen Bereich B.s Anregungen
neu durchdacht werden.

Halle/Saale Friedrich de lioor

Biesterfeld, Wolfgang: Die Christianopolis-Episode in Johann
Michael von Loens Roman ..Der redliche Mann am Hofe"
(1740) (ZRGG 25. 1973 S.65-67).
Breek, B.: Noordmans en het Puritanisme (NedTbT 27, 1973
^ 8.146-175).

Feierois, Konrad: Johann Gottfried Herders Vorstellungen
über das Studium der Theologie (in: Hoffmann, Fritz u.a.,
Hsg., Sapienter Ordinäre, Festgabe für E. Kleineidam,
Leipzig: St. Benno Verlag 1969 S. 272-291).

Marquardt, Friedrich-Wilhelm: Theologische und politische
Motivationen Karl Barths im Kirchenkampf (JK 34, 1973
S. 283-303).

Niemölter, Willielm: Bekennende Kirche 1933-1948-1973
.(JK 34, 1973 S.310-318).

Riemeck, Renate: Mystik einmal anders - Meister Eckhart.
, und die „Armutsbewegung" (JK 34, 1973 S.337-342).

Schiff, Leonard M.: They Changed our Thinking: V.M.K.Gan-
dhi (1869-1948) (ET 84, 1973 S.242-244).

Schoeps, Hans-Joachim: Ungedrucktes aus dem Gerlachschen
, Familienarchiv III (ZRGG 25. 1973 S.73-76).

Steiner, Robert: Gemarke und Karl Barth, in: Kirche - Konfession
-Ökumene. FS für Wilhelm Niesei zum 70.Geburtstag
, hrsg. v. K.Halaski und W. Herrenbrüek. Neukirchen:
Neukirchener Verlag 1973 S. 123-136.

Ntribrny, Wolfgang: Ein hinterpommerschcr Phantast unterbreitet
Friedrich dem Großen einen Plan zur Neuordnung
Europas (ZRGG 25, 1973 8.68-72).

l'hurneysen, Eduard: Karl Barth - „Theologie und Sozialismus
" in den Briefen seiner Frühzeit. Zürich: Theol. Verlag
[1973] S.5-39.

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Vi ^**utenbauer, Siegfried: Hexerei- und Zaubereidelikt in der
Literatur von 1450 bis 1550. Mit Hinweisen auf die Praxis
'm Herzogtum Bayern. Berlin: Schweitzer 1972. XXV,
178 S. 8° = Münchener Universitätsschriften, Juristische
Fakultät. Abhandlgn zur rechtswissenschaftl. Grundlagenforschung
, hrsg. im Auftrag der Juristischen Fakultät v.
S.Gagner, A.Kaufmann u. D.Nörr, 3. Kart. DM 36.—.

Iu dem Jahrhundert, dem die vorliegende Untersuchunggilt
, begannen die Massenverfolgungen der Hexen
durch die weltlichen und vor allem durch die geistlichen
Behörden. Der „Malleus" der Inquisitoren Institoris und
Sprenger, um das berüchtigste Buch der Epoche zu
kennen, war 1496 erschienen. Es ist nur ein Vertreter der
Hexenspezialliteratur, die Leutenbauer aufgespürt und
gründlich befragt hat. Die Verfasser sind Theologen und
Juristen, die sich fast ausnahmslos der lateinischen Sprache
bedienen. Die Folge ist, daß mit den lateinischen Begriffen
- lamia, strix, malefica, venefica, superstitiosa,
Qegromantica, sortilega, incantatrix, pythonissa u.a. -
gelehrte antike und kanonistische Vorstellungen in die
mittelalterlichen europäischen Volksvorstellungen eingeschleust
werden. Darum sei warnend hervorgehoben, daß

unser Buch kein Beitrag zur volkstümlichen Hexen und
Zauberervorstellung sein kann. Andererseits muß die
Rückwirkung auf das Volksdenken, die natürlich lange vor
1450 eingesetzt hat und auf die angelsächsischen und fränkischen
Bußbücher wie auf frühmittelalterliche kanonistische
Sammlungen zurückweist, eine außerordentlich
starke gewesen sein.

Eine erste Orientierung gewinnt Leutenbauer durch den
Fragenkatalog eines Untersuchungsrichters, der in den
Ratsakten der Stadt Kehlheim aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts erhalten ist. Zu den zwölf Hauptpunkten
des Verhörs gehören Fragen nach einem Teufelsvertrag
, Hostienmißbrauch, Ausfahrt zu Massenzusammenkünften
mit dem Teufel, seine Anbetung und der Geschlechtsverkehr
mit ihm u.a. Das Hauptgewicht in der
Urteilsbildung fiel auf die Hexenausfahrt, ihre Realität
oder ihre nur träumerische Einbildung. Bei der Analyse
der gelehrten Spezialliteratur werden die Meinungsverschiedenheiten
herausgearbeitet, die zahlreich bestanden
haben. Auf diesen Punkt hat der Verfasser mit
Recht besonderen Wert gelegt. Als markantes Beispiel,
an dem sich immer wieder die Gemüter erhitzt haben,
seien die Auseinandersetzungen um den „Canon Episcopi"
genannt, dessen Herkunft dunkel ist, der irrtümlich
einem Konzil von Ankyra im Jahr 314 zugeschrieben und
in das Decretum Gratiani aufgenommen war, womit er
höchste juristische Autorität erlangte; dankenswerterweise
ist im Anhang sein Wortlaut abgedruckt. Dort wird
die Realität der Hexenflüge geleugnet, damit der Ausgangs
- und Schwerpunkt in der Meinung der Inquisitoren,
die darum im Kanon das Hindernis für die Ausrottung der
Hexensekte sahen. Der erregende Kampf der Rechtsgelehrten
wird vom Vf. mit dankenswerter Ausführlichkeit
nachgezeichnet. Zu den Wortführern der Inquisition
gehörte u.a. Bartholomäus de Spina, ein Schüler des
Inquisitors und Lutherfeindes Sylvester Prierias. Im
Blick auf die Leipziger Disputation von 1519 ist interessant
, daß Spina in einem Traktat von 1522/23 gegen den
Canon Episcopi so Stellung nimmt: selbst wenn das Konzil
von Ankyra stattgefunden hätte und wenn es ein
Generalkonzil gewesen wäre, verpflichtet sein Beschluß
nicht, weil die Schrift gegen ihn zeuge, wo in Matth 4 und
im Habakukbuch die Realität des Teufelsfluges ausgesagt
sei.

Es können nur noch einige Hauptpunkte des Interesses
hervorgehoben werden: die Theorie des „Malleus", die
eingehend erörtert wird; die Konkurrenz der geistlichen
und weltlichen Gerichte, selbst die der Bischöfe und Inquisitoren
; die Strafe der überführten Hexe; auch wenn
sie bereute, erlitt sie die Todesstrafe, durfte aber zuvor
absolviert werden. Die Teufelsvorstellung, die in den
Hexenprozessen hervortritt, kontrastiert aufs schärfste
mit der Volksvorstellung vom dummen und geprellten
Teufel, über den gelacht wird. Doch ist das kein Thema
des Buches.

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt eindeutig bei
den Hexereidelikten. Die Verbrechen der Zauberei, deren
gleichwertige Behandlung man nach dem Buchtitel erwartet
, bleiben fast im Hintergrund stehen. Je mehr das
Buch zum Schluß kommt, um so mehr begegnet ein Telegrammstil
. Wenn Druckkosten gespart werden mußten,
hätte man die Zaubereidelikte ausklammern können, wodurch
eine größere Geschlossenheit erreicht wäre. Der
Wert des Buches wird dadurch kaum gemindert, denn so
bald wird kein Zweiter die Spezialliteratur der Hexenverfolger
zwischen 1450 und 1550 so gründlich durcharbeiten
, wie Leutenbauer es getan hat. Auf sein ausführliches
Quellenverzeichnis sei besonders aufmerksam
gemacht.

Rostock Gottfried Hollz