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Ausgabe:

1973

Spalte:

48-50

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

The acts of the Christian martyrs 1973

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Literaturzeilunp 98. Jahrgang 1973 Nr. 1

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auch ernsthaft nach den Grundsätzen der Schriftauslegung
fragen. Wer Schrift auslegt - und Barnabas tut
nichts als das -, der hat auch hermeneu tische Prinzipien.
Vollends ist ein Schulbetrieb, wie ihn der Vf. hinter dem
Barnabasbrief vermutet, ohne solche Prinzipien nicht
denkbar. Der Vf. schreibt (S.80f): „Doch kennt er in formaler
Hinsicht in seinem Schriftgebrauch kein methodisches
Prinzip der Auslegung oder ein System von Auslegungsregeln
. Ob ein Schriftwort wörtlich oder übertragen
zu verstehen sei, worauf es zu beziehen ist, hängt
einzig davon ab, was Barnabas von seinen Voraussetzungen
her sachlich damit anfangen kann." Das genügt nicht.
In den nun folgenden Abschnitten bleiben beständig Unklarheiten
, die sich aus dieser Unterlassung herleiten.
Wenn es nicht möglich ist, den metaphysischen Ort der
Schrift unmittelbar aus dem Brief zu bestimmen, dann
bleibt nichts anderes übrig, als die zentralen Begriffe in
weiterem Kähmen, auch außerhalb des Briefes, zu untersuchen
und die Hermeneutik des Barnabasbriefes nicht
zum Ausgangspunkt, sondern zum Zielpunkt der Betrachtung
zu machen. Aber es ist zu wenig, wenn nun zwar zentrale
Einzelbegriffe in ihrem Umfang erläutert werden,
wenn aber das Begriffsgefüge, in dem sie stehen, nicht
oder nur unzulänglich beschrieben wird.

Der Vf. kommt zu der Meinung, Barnabas wende sich
mit seinem Schriftverständnis gegen zwei Fronten, einerseits
die jüdische, andererseits die normalchristliche
Schriftauslegung. In dieser werde „die Schrift der Sache
nach zum Alten Testament, weil sie nur eine gebrochene,
von Christus her relativierte Autorität hat". Doch so läßt
sich das kirchliche Schriftverständnis nicht beschreiben.
Die christlichen Autoren sind sich einig darin, daß die
Schrift auf Christus hin auszulegen ist; davon macht auch
Barnabas keine Ausnahme. Aber die Weisen, wie dabei
verfahren wird, unterscheiden sich erheblich. Wenn es
Streit um die Schrift gibt, dann nicht über ihren Wert,
sondern über die richtige Auslegung. - In dem Abschnitt
„Das Gesetz und Christus" wird das Gesetz als zentraler
theologischer Begriff richtig herausgearbeitet. Es ist in
der Tat bei Barnabas als Heilsweg aufgefaßt. Aber Barnabas
will gerade ausführen, daß es nur in dem pneumatischen
Sinn Heilsweg ist, in dem er es auslegt; eben deshalb
ist überhaupt der ganze Brief geschrieben. - Des
weiteren untersucht der Vf. dann „Glaube und Hoffnung"
und bei dieser Gelegenheit das Zeitverständnis des Barnabas
; schließlich wendet er sich dessen Gnosisbegriff zu.
Er arbeitet heraus, wie hier unter Gnosis das richtige Verständnis
von Schriftstellen verstanden ist; daß die Gnosis
sich „zuerst und vor allem auf die Erkenntnis des fordernden
Willens Gottes bezieht", ist richtig. Es handelt sich
eben um die Erkenntnis des Heilsweges. Der Vf. faßt
dieses Kapitel in zwei Punkten zusammen: daß die Schrift
als absolute Autorität gilt, und daß das Gesetz als Heilsweg
gilt. Merkwürdigerweise meint er aber, daß der zweite
Punkt nicht aus dem ersten ableitbar sei; die Beziehung
zwischen beiden komme nur dadurch zustande, daß es
eben die Schrift sei, die durch die Gnosis wesentlich als
Gesetz verstanden werde. - Im Grunde zeigt sich hier
noch einmal in knapper Form, daß diese Ausführungen
über die Theologie des Briefes unfertig sind. Dieser Brief
ist kein Abriß der Theologie seines Schreibers; wenn man
diese darstellen will, dann muß man von dem mit dem Anlaß
des Briefes gesetzten Schwerpunkt absehen und muß
nach dem größeren Zusammenhang suchen, in den diese
Ausführungen hineingehören und dem sie entnommen
sind.

Im dritten Kapitel geht der Vf. auf die Einleitungsfragen
ein. Was die Gattung anlangt, handele es sich um
ein Propagandaschreiben, in dem Barnabas für seine Sicht
des Christentums werben wolle; zugleich diene der Brief
der Auseinandersetzung mit dem Normalchristentum . Als

Sntstehungszeit entscheidet sich der Vf. für die Spanne
zwischen 130 und 132 (d.i. zwischen dem Befehl Hadrians
zum Bau eines Zeustempels in Jerusalem und dem Bar-
Kochba-Aufstand). Als Ort vermutet er das westliche
Kleinasien. Diese Vermutung stützt sich darauf, daß die
von Ignatius in Philadelphia bekämpfte Gruppe dem Barnabasbrief
darin ähnelt, daß auch ihr die Schrift als übergeordnete
Norm gilt. Daraus folgert er, die philadel-
phischen Gegner des Ignatius hätten dieselbe - seltene -
theologische Grundeinstellung wie Barnabas; da kein Anzeichen
dafür vorliege, daß sie daraus wesentlich andere
Folgerungen gezogen hätten, läge es nahe, zwischen beiden
auch eine historische Beziehung anzunehmen. - Aber
vielleicht ist dieser Schluß doch nicht so zwingend, wie
dem Vf. scheint. Denn es gibt nicht wenige, die der Meinung
sind, bei den Gegnern des Ignatius in Philadelphia
habe es sich um Judaisten gehandelt.
% Auch hier, so scheint es, könnte eine eingehendere Betrachtung
zu größerer Klarheit führen. - Insgesamt handelt
es sich um eine nützliche Untersuchung; doch ist die
Erörterung nicht überall konsequent zu Ende geführt.

Kiel Heinrich Krnft

Musurillo, Herbert: The Acts of the Christian Martyrs, Intro-
duetion, Texte and Translation. Oxford: Clarendon Press;
London: Oxford TJniversity Press 1972. LXXIII, 379 S. 8°
= Oxford Early Christian Texts, ed. by H.Chadwick. Lw.
t 6.—.

Musurillo ist als Herausgeber der sog. heidnischen
Märtyrerakten oder Acta Alexandrinorum bekannt (Bi-
bliotheca Teubneriana, 1961). Die vorliegende Ausgabe ist
als ein Gegenstück dazu anzusehen, daher wohl auch das
sonst leicht als pleonastisch zu empfindende „christlich"
im Titel. Die Reihe der OECT will ausgewählte patri-
stische Werke in verläßlichen Arbeitstexten bereitstellen.
Die Ausgaben bieten den Urtext mit knappem kritischem
Apparat, englischer Übersetzung en face, Nachweis von
Zitaten und Anspielungen, kurze Sach-Anmeikuriicn
Diesen begrenzten Zielen einer editio media (zwischen minor
und maior) wird M.s Arbeit gerecht.

Verdienstlich ist zunächst die Zusammenfassung von 28
der nach Alter und historischem Gewicht bedeutsamsten
griechischen und lateinischen Märtyrerberichte. Sie sind
geordnet nach den einzelnen Verfolgungsperioden, vom
Polykarp-Martyrium, das M. auf etwa 155/6 ansetzt, bis
zu den 40 Märtyrern von Sebaste, die unter Licinius den
Tod fanden. Dazwischen stehen etwa die Berichte über
Justin (4), die scillitanischen Märtyrer (6), Perpetua und
Felicitas (8), Cyprian (11). Aus Euseb, dem Begründer
dieser Art von Berichtsammlungen, finden wir z.B. den
Brief der Kirchen von Lyon und Vienne (5), Potamiaina
und Basileides (9), Mannos (16) und den Brief des Phi-
leas (26). Zu diesem tritt als neuester Zuwachs der 1964
publizierte Papyrus Bodmer XX mit den griechischen
Phileas-Akten (27), denen die lateinische Fassung zum
Vergleich folgt. Ähnlich finden wir parallele Fassungen
griechisch und lateinisch bei den Akten von Karpos,
Papylos und Agathonike (2), bei Euplus (25), sowie drei
griechische Bearbeitungen bei Justin (4). Der Leser l<aim
so an Beispielen verfolgen, wie die Berichte je nach Bedürfnis
bearbeitet worden sind. Gegenüber der Tendenz
zur erhöhenden Ausschmückung tritt die Schlichtheit
mancher alter Berichte eindrucksvoll hervor. (M.s Urteil
über die kurzen Justin-Akten „a dull, prosaic document"
teile ich nicht, wie ich anderseits im pointierten Bekenntnis
des Hierax „Ich war Christ, ich bin Christ, ich werde
Christ sein" keinen „melodramatic outburst" [S.57 A.16]
empfinde.) Doch gibt es auch die gegenläufige Tendenz
zur sekundären Vereinfachung, z.B. um einen zu langen