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Ausgabe:

1973

Spalte:

691

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Bibliotheca Hieronymiana manvscripta 1973

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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691

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9

092

Hier wie dort also sind die Intentionen der biblischen
Eschatologie, die zur kritischen Einschätzung der geschichtlichen
Gegenwart und zur Offenheit für die noch
ausstehende Zukunft anleiten will, ideologischen Zwecken
gewichen. Es ist das Verdienst der vorliegenden Arbeit,
dieses durch reichliches Material belegt zu haben.

Es bleibt die Frage nach den theologischen Ursachen
und Begründungen für diese Entwicklung in By-
zanz. Daß die „Reichseschatologie" nicht die Folge einer
bestimmten Exegese, sondern umgekehrt diese eine Folge
jener ist, scheint mir indirekt das Ergebnis dieser Untersuchung
zu sein. P.s Hinweis auf mögliche Zusammenhänge
mit dem AT - „jüdische Reichseschatologie in
christlicher Verbrämung" (72) - trifft aber m.E. die
Sache auch nicht; denn im Zentrum des AT, etwa bei den
Propheten, war die jüdische Geschichtstheologie gerade
nicht ideologisch oder „reichseschatologisch", sondern entschieden
gegenwartskritisch und zukunftsoffen ausgerichtet
. Hier bleiben also der theologischen Byzanti-
nistik nach wie vor wichtige Aufgaben, bei deren Lösung
sie indessen nicht an den Ergebnissen P.s wird vorübergehen
dürfen.

Dresden Jürgen Ziemet

Lambert, Bernard, O.S.B.: Bibliotheca Hieronyiniana Mann-
scripta. La Tradition Manuscrite des Oeuvres de Saint
Jeröme. Tome IV A und IV B. Steenbrugis: Abbatia S.
Petri; Den Haag: Nijhofi 1972. IX, 277 S., 20 Taf., dav.
1 färb. u. VIII. 357 S. gr. 8° = Instrumenta Patristica, IV.
belg. fr. 700,—.

Mit dem vierten Band ist das zuletzt in ThLZ 96, 1971
Sp.692 angezeigte Werk zum Abschluß gekommen. Bd.
IVA enthält: Opuscula necnon excerpta nondum identi-
ficata (S. 1-52), Imagines - Picturae (S.53-76, mit 20Bildtafeln
, darunter einer farbigen), Addenda et corrigenda
(S.77-277). Bd. IVB enthält die Register (Table des
auteurs anciens, Table des titres, Table des manuscrits,
Table des provenances, Table des initia, Table des expli-
cit, Tableau de concordance, Table generale des matieres).
Besonders sei auf den Abschnitt über die Hieronymus-
Ikonographie hingewiesen; die Farbtafel bringt das
älteste bekannte Bild des Hieronymus (Corbie, um 700).
Der Autor dieser riesigen Materialdarbietung hat eine
imponierende Fleißarbeit geleistet.

Zürich Hans-Dietrich Altendorf

Brox, Norbert: Söteria und Salus. Heilsvorstellungen in der

Alton Kirche (EvTh 33, 1973 S. 253-279).
Campenhausen, Hans Freiherr von: Einheit und Einigkeit in

der Alten Kirche (EvTh 33, 1973 S. 280-293).
Gunther, John J.: The Fate of the Jerusalem Churcli. The

Flight to Pella (ThZ 29. 1973 S.81-94).
Maser, Peter: Die Siegelbildvorschläge des Clemens von Alexandrien
und das spätantike rabbinische Judentum (WZ Halle

22, 1973 Ges. Reihe Heft 2 S. 65-70).
Schindler, Alfred: Querverbindungen zwischen Augustins

theologischer und kirchenpolitischer Entwicklung 390-400

(ThZ 29, 1973 S. 95-116).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Peppermüller, Rolf: Abaelards Auslegung des Römerbriefes.

Münster/W.: Aschendorff [1972]. IV, 195 S. gr. 8° = Beiträge
zur Geschichte der Philosophie und Theologie des
Mittelalters. Texte u. Untersuchungen, hrsg. v. L.Hödl u.
W.Kluxen, N.F. 10, Kart. DM 38.—.

In die Reihe der im Zusammenhang mit der „Abae-
lard-Renaissance" nach dem 2. Weltkrieg erschienenen

wichtigen Monographien reiht sich die hier in Buchform
vorliegende, als Bochumer Diss. im Juli 1970 abgeschlossene
Arbeit würdig ein. Zwar erbringt sie, wie R. Peppermüller
selbst feststellt, kein eigentlich neues Abaelard-
Bild, doch präzisiert sie unser Wissen über diesen großen
frühscholastischen Denker im Hinblick auf seinen Römerbrief
-Kommentar. Peppermüller konnte dabei noch auf
der 1969 erschienenen ersten kritischen Edition der Expo-
sitio (und Apologie) durch Eligius M.Buytaert O.F.M.
als Bd.l der im Corpus Christianorum, Continuatio Me-
diaevalis, vorgesehenen modernen Abaclard-Ausgabe aufbauen
. Er wertet gründlich die zahlreichen in den Text
eingefügten Quaestionen aus, die in solcher Zahl und in
solchem Umfang in der frühscholastischen Bibelkommen-
tierung neu waren, denn hier behandelt Abaelard zusammenfassend
auch Themen, über die er sich in seinen
anderen Schriften gar nicht oder nur andeutungsweise
äußerte. In der Darlegung des Befundes bewahrt Peppermüller
so weit wie möglich die Ordnung des Kommentars,
durchbricht sie aber, soweit dies für eine Systematisierung
der Gedanken Abaelards erforderlich ist. Dieses Verfahren
bewährt sich und führt zu klaren übersichtlich geordneten
Ergebnissen.

Als Schwerpunkte der Kommentierung durch Abaelard
erweisen sich Soteriologie und Ethik. Während dieser
im allgemeinen wie jeder frühscholastische Denker in
starkem Maße von der vor allem auf Augustin zurückgehenden
theologisch-philosophischen Tradition abhängig
war - für Abaelard spielte als Übermittlerin und
Fortführerin dieser Tradition in seiner Zeit die Schule von
Laon eine besondere Rolle -, gewann er seine Soteriologie
in Auseinandersetzung mit der Schultradition unmittelbar
durch die Interpretation paulinischer Aussagen. So
sind die Versöhnungslehre und die mit dieser eng zusammenhängende
Ethik Abaelards das Unkonventionellste
und „Modernste", das zu seiner Zeit geäußert wurde.

Abaelards Soteriologie stellt eine scharfe Antithese zur
Redemptionstheorie der Schule von Laon dar. Diese versteht
das Versöhnungshandeln Christi objektiv und kollektiv
: Christus erlöste die Menschheit als ganze, indem er
den Teufel überwand, der ein Anrecht auf den sündigen
Menschen besaß; nur nachträglich muß der einzelne noch
seinen Anteil an diesem objektiven Heilswerk Christi erlangen
. Abaelards Auffassung unterscheidet sich auch
grundlegend von der Satisfaktionstheorie Anselms von
Canterbury, doch dürfte Peppermüller mit seinem Urteil
im Recht sein, daß er dessen Werk noch nicht kennen und
deshalb auch nicht direkt gegen es polemisieren konnte.
Abaelards eigene Soteriologie stellt sich als existentiell-
personal und individualistisch dar: Der Teufel besaß wohl
faktisch Macht, aber nicht juridisch ein Anrecht auf den
Menschen, so daß es bei der Erlösung nicht um die Lösung
eines Rechtsverhältnisses geht. Vielmehr belehrt Christus
durch sein Wort und Leben einschließlich seiner Passion
und seines Kreuzes die Menschen über Gottes grenzenlose
Liebe zu ihnen und erweckt dadurch ihre Gegenliebe,
sie so verwandelnd und zu neuen Menschen machend. Es
handelt sich also um eine psychologisch gewirkte Versöhnung
des einzelnen Menschen mit Gott, denn der
einzelne und sein Heil stehen hier ganz im Mittelpunkt der
Betrachtung. Christus wendet durch seine Liebe unsern
Sinn von der Neigung zum Sündigen an und erweckt in
uns die Caritas, mit deren Hilfe wir die Begierden und
zügellosen Affekte in uns zügeln können. Die Menschheit
wird hier erlöst, indem die einzelnen existentiell von der
Liebe Gottes ergriffen werden.

Wie sich nach Abaelard die Versöhnung des Menschen
mit Gott nicht abgesehen von dessen realer Existenz und
also von seinem Personkern abspielen kann, so kommt in
der Ethik alles darauf an, die uneingeschränkte Verantwortlichkeit
des Manschen zu erweisen. Deshalb vertritt