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1973

Kategorie:

Neues Testament

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Neuerscheinungen

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880 Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9 686

stein ist. Bei einem Ausbruch des Vulkans zwischen der liehen Beschreibung der Aufgabenstellung innerhalb der
Mitte und dem Ende des zweiten vorchristlichen Jahr- bisherigen Forschungsgeschichte zur Offb. - durch drei
tausends ist ein Loch in das Bergmassiv geschlagen wor- Schritte bestimmt: 1. Die Naturereignisse der Santorin-
den, durch das das Meer in den Krater einbrechen konnte. katastrophe werden rekonstruiert (Kap. III); 2. die
Gewaltige Dampfwolken und riesige Flutwellen - ver- archäologischen Belege dieser Katastrophe werden gebunden
mit Erdbeben und Seebeben - waren die Folge. - sichtet (Kap. IV) und 3. die Überlieferung der Völker-
Dazu fügt K. Ergebnisse neuerer Untersuchungen von weit im östlichen Mittelmeerraum wird daraufhin unter-
Tiefseescdimenten im östlichen Mittelmeerraum, die er- sucht, wieweit sich in ihr Erinnerungen an den Santorin-
geben haben, daß Kreta im Bereich jener Katastrophe ausbruch bewahrt haben (Kap. V) und dem Apokalyptiker
jag, sowie archäologische Forschungen - insbesondere des Johannes zur Kenntnis gekommen sein können (Kap. VI),
kretischen Archäologen Marinatos -, wonach die minoi- - Ein instruktiver Bildteil schließt sich an. -
sehe Kultur auf Kreta im Zusammenhang des Santorin- Gewiß wird man sagen können, daß die Ausgangsfrage
ausbruchs durch Flutwellen und Erdbeben zerstört wor- nach dem Zusammenhang einiger Texte der Offb. mit der
den ist. - Die von K. sorgfältig überprüfte Datierung des Santorinkatastrophe gelegentlich von den weit ausgreifen-
Santorinausbruchs weist in den Zeitraum von 1402 bis den Untersuchungen überlagert wird. Andererseits wer-
1364 v.Chr. - Dazu haben literarhistorische Forschungen den aber gerade so dem Laien - und wer wäre es nicht auf
ergeben, daß sich in griechischen Sagen Erinnerungen an mindestens einem der hier berührten Wissenschafts-
die Santorinkatastrophe erhalten haben - so z.B. in der bereiche! - Einblicke in interessante, sonst verschlossene
Sage vom bronzenen Riesen Talos, der Kreta bewachen Forschungsgebiete gegeben." - So nimmt man z.B. mit
soll, mit Felsbrocken wirft und schließlich stirbt, indem Interesse zur Kenntnis, wie K. ein mykeniseh-hethitisches
sich sein verwundbarer Blutkanal an der Ferse öffnet. Rollsiegel aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend
Talus ist eine Verkörperung des Santorin. Zu solchen ge- mit Skorpiondämonen mit Offb.9,1-10 in Verbindung
sichteten Erkenntnissen fügt K. eine Reihe eigener Ver- bringt. Die in der Offb. genannten Skorpione sind danach
niutungen - wie z.B. die Vermutung, die Naturkata- einer Überlieferung entnommen, in der sie das Bild für
Strophen und Naturphänomene des alttestamentlichen Nord- und Seevölker sind, die bald nach dem Santorin-
Exodusberichts (wie Rotfärbung des Wassers und Feuer- ausbruch vor Mykene, Makedonien und Kleinasien auf-
säule) könnten im Zusammenhang mit dem Santorin- tauchen und eine neue Katastrophe heraufführen,
ausbruch stehen. - Schlußstein dieses kunstvollen Gefüges 4. So sauber und schlüssig K. auch arbeitet, so bleibt
von Forschungsergebnissen und Hypothesen ist der über- doch zuletzt die relativierende Erkenntnis des Frühheferun
gsgeschichtliche Nachweis, daß das Gebiet von geschichtlers Schachermeyr, die K. selbst zitiert (S.114f.),
Ephesus-Milet, das selbst Erdbebengebiet ist, zum mi- auch für diese Untersuchung gültig: Frühgeschichte führt
noisch-mykenischen Einflußgebiet gehört. So ist denk- nie über ein Bündel von Wahrscheinlichkeiten hinaus!
bar, daß der Apokalyptiker in Ephesus auch die Santorin- So wird auch die eigentliche These K.s, daß sich ein direk-
überlieferung kennengelernt hat. - Diese historische Be- ter Zusammenhang zwischen der Santorinkatastrophe
weiskette wird schließlich durch zwei theologische Sätze und Texten der Offb. herstellen lasse, strittig bleiben,
geschlossen: 1. In der biblischen Apokalyptik wird die Man muß ja bedenken, daß die Sagenüberlieferung die
Tradition der Völkerwelt in eine Vision der Zukunft ge- Naturereignisse mythologisiert und damit von Zeit und
wendet und dadurch erst wirklich erschlossen (S.14). Ort des Geschehens gelöst hat. Dadurch legt sich eine
2. Der biblische Glaube an den Pantokrator bezieht Vermischung mit anderen Überlieferungen nahe. So
Naturkatastrophen und die Überlieferung solcher Kata- spricht vieles dafür, mit E.Lohmeyer in den Offb.-Texten
Strophen als Typos und Vorahnung des Kommenden in eine Mischung von außerbiblischen und biblischen Über-
den göttlichen Heilsplan ein (S.117). lieferungen zu sehen. - Dennoch bleibt es unbestritten das
2. K.s Untersuchung ist aber nicht nur von ihren Er- Verdienst von K., nachgewiesen zu haben, daß die San-
gebnissen her interessant und weiterführend, sondern zu- torinkatastrophe in diesen Überlieferungen einen Niedergleich
in ihrer methodischen Komplexität und Durch- schlag gefunden hat. Noch mehr: Daß man dieses Buch
sichtigkeit beispielhaft. Der Vf. berichtet im Schluß- gerne liest - ja geradezu mit Spannung lesen kann, ist die
kapitel, daß er ursprünglich auf den Spuren von J.Lei- Folge davon, daß sich in ihm sachliche Exaktheit und
poldt die Frage nach den in der Offb. verwandten Tradi- sprachliche Zucht zu einem Exempel interdisziplinärer
tionen durch Wortuntersuchungen klären wollte. Da eine Arbeit verbunden haben,
philologische Untersuchung nicht zum Ziele führte, mußte
er auf andere Methoden zurückgreifen. So entstand eine
Untersuchung, die in sich den Charakter eines interdisziplinären
„Symposions" hat. Beispielhaft wird an die- m;TSagToeSi97T,sTT3)°n AppearancPS as Eviden<*>
ser UntersUchung deutlich, wie die zunehmende Speziali- Baml^, (Lana: Von de" Angst, vom Verrat und vom Kreuz
sierunfr der Forschung auf allen Gebieten zur Zusammen- (Geist und j^ben 46, 1973 S. 85-98).

jirbeit über die Grenzen der Disziplinen drängt. Auch die Banks, Robert: Jesus and Custom (ET 84, 1973 S.265-269).
Theologie - und gerade die biblische Theologie - wird Benson, John E.: The History of the Historical-Criticai
dieser Erkenntnis nicht mehr ausweichen dürfen. K. hat Method in the Church: A Survey (Dialog 12,1973 S.94-103).
mutige Konsequenzen gezogen: Gerade weil er als Theo- Betz> Hans Dieter: 2 Cor 6:14-7:1: An Anti-Pauline Fragloge
, Archäologe und Philologe über vielfältige Kenntnisse _ men*? (J^ 92> J?™ 8- 88-108).

und Einblicke verfügt, unterscheidet er sauber zwischen B(*z' ™ns.Dleter,: Human.zmg Man: Delphi Plato and Paul,

referierender Information über fremde Forschungen und ^^SÄ^fe

eigenen Untersuchungen sowie zwischen fremden Hypo- S. 159-173.

thesen und eigenen Synthesen. Dabei vermeidet er wohl- Beutler, Johannes: .,Und das Wort ist Fleisch geworden..."

tuend jenen billigen Journalismus, der Bewiesenes und Zur Menschwerdung nach dem Johannesprolog (Geist und

Vermutetes unverantwortlich mischt. Leben 46, 1973 S.7-16).

3. Da K. in seiner Untersuchung methodisch immer Binder, Hermann: Ein Gang durch den Galaterbrief (Kirchdurchsichtig
ist, bleibt auch die Fülle des verarbeiteten R 1,cho B^l- 19J3W.4 S.l-2)

MaterialsaugfdieFragestellungdesBuchesbezoge,1,auch (Mark ^llfjBL 92 19?3% 60^74* Kmgd°m °f ^

wenn der Leser weite Umwege mitzugehen veranlaßt Bruce, F.F.: The Holy Spirit in the Acts of the Apostles

wird. - Der Aufbau des Buches ist - nach der anfang- (Interpretation 27, 1973 S.166-183). i~»wes

üerlln Manfred KuBeUU