Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

670

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9

680

die halachischen Abweichungen der Sadduzäer zusammengefaßt
. Es gab auch eine sadduzäische Tradition, die
aber der Tora nicht gleichgeachtet wurde. In XVI skizziert
der Vf. schließlich eine Geschichte der Sadduzäer und
ihres Einflusses. Sie treten zuerst mit der Trennung zwischen
Pharisäern und Sadduzäern Ende des 2. Jh.s
v.Chr. in unser Blickfeld (386). Von der Regierung Hero-
des I. an machte sich ihr Einfluß erneut geltend (392).
Er hielt nach dem Vf. (trotz der gegenteiligen Bemerkungen
bei Josephus) an bis zum Jüdischen Krieg (396-398),
den die Sadduzäer überdauerten (399). In einem Anhang
über die Sadduzäer und die Entstehung des Christentums
(401-406) werden die führenden Priester und damit nach
dem Vf. Sadduzäer für den Tod Jesu verantwortlich gemacht
. - Ausführliche Indices (423-457) erschließen die
Arbeit spezieller Benutzung.

Daß der Vf. nicht ohne Hypothesen auskommt, ist
angesichts der Situation hinsichtlich der Quellen ganz
gewiß verständlich (s. zu c. XIII); man kann fragen, ob er
sie nicht mitunter seinerseits einseitig verwertet. Wahrscheinlich
wäre es gewinnbringend gewesen, wenn er in
Teil II auf die Vorführung nach seinem Urteil ertragloser
Texte verzichtet, sich bei anderen kürzer gefaßt und dafür
die Partien bei Josephus, die zumindest nicht einseitiger
und dem historischen Geschehen nicht ferner sind als die
rabbinischen, analysiert hätte. Jedenfalls regt sein Buch
dazu an, das Bild der Umwelt Jesu und des palästinischen
Urchristentums neu zu prüfen.

Halle/Saale Gerhard Delling

1 Speziell von Josephus geht aus G. Baumbach, Das Sad-
duzäerverständnis bei Josephus Flavius und im Neuen Testament
, Kairos 13, 1971, 17-37; s. ders., Jesus von Nazareth im
Lichte der jüdischen Gruppenbildung, Berlin 1971, 49-71.
Die rezensierte Arbeit wurde 1970 abgeschlossen.

Baumgarten, Joseph M.: Does tlh in the Temple Scroll Refer

to Crucifixion? (JBL 91, 1972 S. 472-481).
Grossfeld, Bernard: Targum Neofiti 1 to Deut 31:7 (JBL 91,

1972 S. 533-534).
Nebe, Gerhard-Wilhelm: Noch einmal zu nnxin in 1 QS 8,

13-14 (ZNW 63, 1972 S. 283-289).
Neusner, Jacob: Types and Forms in Ancient Jewish Litera-

ture: Some Comparisons (HistRel 11, 1972 S. 354-390).
Nickelsburg, George W. E.. Jr.: Narrative Traditions in the

Paralipomena of Jeremiah and 2 Baruch (CBQ XXXV, 1973

S. 60-68).

O'Callaghan, J.: Notas sobre 7Q tomadas en el "Rockefeiler
Museum" de Jerusalen (Tabulae extra Seriem) (Bibl 53,1972
8.517-533).

Odeberg, Hugo: Om judisk och nytestamentlig mystik (SEÄ

37/38, 1972/73S. 62-87).
Schützinger, Heinrich: Die arabische Jeremia-Erzählung und

ihre Beziehungen zur jüdischen religiösen Überlieferung

(ZRGG 25, 1973 S.l-19).
Sharpe, John L., III: The Second Adam in the Apocalypse of

Moses (CBQ XXXV, 1973 S.35-46).
Smith, Morton: On the Problem of Method in the Study of

Rabbinic Literature (JBL 92, 1973 S. 112-113).
Stone, Michael E.: Some Observations on the Armenian Version
of the Paralipomena of Jeremiah (CBQ XXXV, 1973

S. 47-59).

NEUES TESTAMENT

Marie, Rene: La singularite chreticnne. Paris: Casterman
[1970]. 182 S. 8° == Christianisme en mouvement, dir. par.
R.Marie, 15. ffr. 15.—.

Das Spezifische, Unaufgebbare und Unaustauschbare
des Christlichen ist für Marie das einmalige geschichtliche
Ereignis Jesus Christus. Der Glaube an Jesus Christus,

das unverwechselbare Kennzeichen der christlichen Gemeinde
in dieser Welt, befreit den Gläubigen von seiner
illusorischen und todbringenden Selbstgenügsamkeit und
vermittelt ihm die Erfahrung jener Freiheit von Sünde,
die nur als Befreiung wirklich ist und die zugleich in die
Teilnahme am befreienden Werk Gottes stellt (177).
Ohne dies Besondere wäre der christliche Glaube tot,
auch wenn er im übrigen alle sozialen Ideale verträte (7).

Das in dieser Weise durchaus angemessen beschriebene
Spezifische des Christlichen sieht Marie in der theologischen
Entwicklung der neueren Zeit bedroht, weil vor
allem in der protestantischen Theologie der Bezug zur
Geschichtlichkeit des Offenbarungshandelns Gottes in
Jesus Christus nicht mehr hinreichend gewahrt wird.

Schon Bultmanns Entmythologisierungsprogramm, das
Marie, der bereits in einem früheren Buch seine gründliche
Kenntnis des Marburger Theologen unter Beweis gestellt
hat, im wesentlichen sachgemäß darstellt, gefährdet die
Offenbarung, weil deren Leibhaftigkeit entfällt und das
Christusgeschehen sich auf das simple Daß ,,sans deter-
mination de contenu" (125) beschränke (11-26) - der bekannte
, heute von rechts und links erhobene und in dieser
Form sicherlich nicht berechtigte Vorwurf.

Deutlicher noch hat die Entfernung des historischen
Jesus aus dem Kerygma die Entgeschichtlichung des
Christusgeschehens zur Folge. Marie führt zum Beweis
dessen Käsemann, Althaus, Pannenberg und andere protestantische
Theologen gegen Bultmann ins Feld. Er weiß
dabei sehr wohl um den kerygmatischen, österlichen Charakter
auch der Jesusüberlieferung;, aber er meint zugleich,
daß der Glaube auf das Bild des Irdischen nicht verzichten
könne, auf dessen Antlitz die Herrlichkeit Gottes
erscheint (49). Recht verstanden habe der Osterglaube das
Bild des Irdischen nicht verdunkelt. Vielmehr entferne er
den Schleier, der das Bild des Irdischen nicht als das in-
karnierte Wort erkennen läßt (27-49) - ein Satz, den freilich
auch Barth und Bultmann bei ihrer Absage an den
historischen Jesus so sagen könnten.

In einem 3. Kapitel, ,Hermeneutiques sans support'
überschrieben, gibt Marte einen sachgemäßen Überblick
über die Hermeneutik vor und nach Bultmann, der erneut
sein wichtigster Gesprächspartner ist. Wiederum
zeigt der Verfasser, wie gut er die hermeneutische Frage
als solche erfaßt hat. Er bezweifelt nicht, daß ,objektive'
Erkenntnisse eine Illusion sind und daß, besonders bei
religiösen Dokumenten, das verstehende Subjekt in den
Prozeß der Erkenntnis und der Aneignung des Erkannten
verwoben ist. Dennoch befürchtet er, daß die moderne
Hermeneutik ihre dienende Funktion zu vergessen im
Begriff sei und in Gefahr stehe, ihren vorgegebenen
Gegenstand, den sie doch übersetzen helfen soll, als solchen
aufzulösen. Pannenberg und Cullmann werden deshalb
nicht zufällig gegen die .extremen' Hermeneutiker
ins Feld geführt (51-67).

Nach der .totalen Säkularisierung' fragt das 4. Kapitel
(69-99), nicht ohne Verständnis für Gogarten und Cox
und für das Programm einer Kirche .für die Welt', aber
mit größerer Sympathie für Karl Barth, der das ,Ganz
Andere' auch der sichtbaren Kirche betone, für Leslie
Newbigin, das Wort und Sakrament als das unverlierbare
Eigene der Kirche herausstelle, und für Dietrich Bon-
hoeffer, der einseitigen Interpretationen zum Trotz nicht
die Säkularisierung, sondern die Inkarnation Gottes betont
habe. Die Säkularisierung als theologisches Programm
ist Marie1 zufolge ein Ausfluß des „princip Protestant
", und nicht zufällig verweist der Vf. in diesem Zusammenhang
erstmals deutlich auf den katholischen Glauben
, demzufolge Gott sich nicht nur im Wort geoffenbart
habe, „mais egalement dans cette Institution hier-
archique et sacramentelle qui constitue la structure de
l'Eglise" (95).