Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1973

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

676

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9

676

erfahren hat. Zwei Faktoren haben traditionshistorisch
eine wichtige Rolle gespielt: (a) die Notwendigkeit, die
Toleranz der Israeliten dieser ethnisch fremden Gruppe
gegenüber zu rechtfertigen, und (b) die Notwendigkeit,
den Ursprung gewisser Gruppen untergeordneten Personals
im nachexilischen Te mpel zu erklären.

In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert gewesen
, daß der Vf. Livers Schlußsatz (JSS 8/1963,
227ff.) diskutiert hätte, nämlich, daß das Motiv der List
der Gibeonitcr in der Tradition ein sekundäres Element
ausmacht. Nach Liver sollte dieser Zug als eine nachträglich
formulierte Entschuldigung zu verstehen sein, weil
die Israeliten mit einem kanaanäischen Volk einen Vertrag
schlössen, und muß mit dem Gebot des totalen Banns
gegen kanaanäischen Völker als Hintergrund gesehen werden
. In die gleiche Richtung weist nun O.Bächlis Studie
über das Glaubensbekenntnis der Gibeoniter (Jos 9,9-10),
das mit dem der Hure Rahab (2,9-11) zu vergleichen ist.
Nach Bächli seien diese Bekenntnisse auf der Grundlage
der späteren Institution der Fremdlingsaufnahme in die
Kultgemeinde geformt worden (s. Bächli, in: H. J. Stoebe,
ed., Wort - Gebot - Glaube, Festschrift W.Eichrodt,
Zürich 1970, S. 21-26).

Was die Datierung des Vertragsschlusses betrifft, so
entschließt sich der Vf. für einen Zeitpunkt während d( S
Endes oder kurz nach der Amarnaperiode. Die Ähnlichkeiten
zwischen dem Gibeonitervertrag und dem Vertragsschluß
zwischen den Jakobssöhnen und den Siche-
miten (Gen 34) lassen den Vf. für einen Zusammenhang
mit einer frühen Einwanderungswoge vor dem dreizehnten
Jahrhundert argumentieren. Die Folge ist, daß
die Josuagestalt von der Tradition in Jos 9 losgelöst werden
muß. - Diese Datierung ist ein interessanter Vorschlag
, der wohl aber, wie der Vf. selbst betont, vorläufig
eine Hypothese bleibt, da die Argumentierung nicht als
zwingend bezeichnet werden kann.

Beachtenswert scheint mir die Art und Weise, wie der
Vf. das Schweigen der Amarnabriefe in bezug auf Gibeon
erklärt. Verschiedene Indizien will er dahingehend interpretieren
, daß die gibeonitischen Orte während der Amar-
nazeit der Jurisdiktion des jebusitischen Jerusalemkönigs
unterlagen.

Der Vf. löst auch Josua von seiner Rolle im Zusammenhang
mit der Schlacht bei Gibeon (Jos 10). Die beiden
Verben (damäm und camäd), die hier für das Sonnenwunder
verwendet werden (V. 12f.), interpretiert er auf
Grund eines Vergleiches mit deren Vorkommen in
1 Sam 14,9 als „eine Beschwörung der Sonne und des Mondes
, nicht an der militärischen Aktion teilzunehmen, die
in der Vernichtung der Feinde Jahwes resultierte"
(S.47). Und dem Vf. nach ist die Sonne hier „eine in Gibeon
verehrte Sonnengottheit" (S. 50). Mit kleinen Korrekturen
hat der Vf. sich hier J.Heller und J.Dus angeschlossen
. - Dieser Vorschlag verdient erwogen zu werden
. Es muß jedoch beachtet werden, daß Josua diese
Worte in dem Texte, wie wir ihn jetzt besitzen, an den
Herrn richtet. Hier möchte ich auch die Aufmerksamkeit
auf eine neue Studie von Sawyer (PEQ 1972, 139ff.)
lenken, der die Josuastelle mit einer von zwei Sonnenfinsternissen
während des 12.Jh.s v.Chr. verbindet.
(Hierzu vgl. jetzt auch M.Kudlek - E.H.Mickler, Solar
and Lunar Eclipses of the Ancient Near East from
3000 B.C. to 0 with Maps, AOAT Sonderreihe, Band 1,
Kevelaer 1971.)

Sehr interessant ist die Argumentation des Vf.s für eine
nahe Verbindung zwischen der Familie Sauls und Gibeon.
Bekanntermaßen plaziert der Chronist (IChron 8,29-40;
9,35-44) Sauls Genealogie mitten in die von Gibeon.
(S. hierzu jetzt auch A.Demsky, BASOR 202, 1971,
16ff.) Mehrere Namen in der Genealogie Sauls weichen
von der normalen israelitischen Namengebung ab. Wegen

dieses Hintergrundes betrachtet der Vf. Sauls Eifer
(2 Sam 21,2) als „den Eifer eines kürzlich zum Jahweglauben
Bekehrten" (S.62). Der Vf. akzeptiert die Theorie
Schuncks, daß Sauls Aktion gegen die gibeonitischen
Orte (2 Sam 21,2; 4,2-3) als Teil eines Versuches zu betrachten
ist, Gibeon zur neuen Hauptstadt zu macheu.
Er erweitert diese Theorie noch mit der Hypothese, daß
Saul versuchte, seine Herrschaft religiös zu legitimieren,
indem er die Bundeslade nach Gibeon überführte (oder
dem nahegelegenen nebi samwll). Sollte der Vf. recht
haben, hätten wir hier die Erklärung dafür, warum Salomo
seine göttliche Legitimation nicht in Jerusalem, wie man
erwarten sollte, sondern in Gibeon erhält (lKön 3). Diese
beachtenswerte These dürfte in der weiteren Diskussion
um die frühe Monarchie großes Interesse wecken. Eine
Schwierigkeit, deren sich der Vf. voll bewußt ist, bildet
die Tradition vom Aufenthalt der Bundeslade in Kirjath
Jearim. Dieses Problem hat der Vf. in einem anderen Aufsatz
behandelt (JBL 88/1969, 143ff.).

Es werden noch eine Reihe anderer Fragen in diesem
Buch diskutiert, wie die Bedeutung des Kapitels von der
„Rache der Gibeoniter" (2 Sam 21), die Frage betreffs der
netinim, dem Problem der ethnischen Herkunft der Gibeoniter
.

Man wünschte, der Vf. hätte sich zuweilen eine größere
Zurückhaltung vor dem Zeugnis der Traditionen auferlegt
. Gerne hätte man auch gesehen, daß er gewisse
archäologische Fragen mit zur Behandlung aufgenommen
hätte. Wie soll man den relativ großen Fund von lmlk-
Krughenkeln in el-gib erklären? Und in welchem administrativen
Kontext sind die am gleichen Ort angetroffenen
gb'n-Krughenkel zu Hause? Dies sind schwere
Fragen, aber auf Grund der eigenen Prämissen des Vf.s
sollten sie in einer Arbeit über Gibeons Geschichte zu
finden sein.

Dererlei kritische Anmerkungen können jedoch das Faktum
nicht verbergen, daß uns Blenkinsopp dadurch, daß
er das verstreute alttestamentliche Material gesammelt
und bearbeitet hat, einen großen Dienst erwiesen hat. Sein
Buch zeugt von einem selbständigen Eindringen in die
Texte, und seine Thesen können von der weiteren Forschung
besondere Aufmerksamkeit beanspruchen. Daß
trotz Blenkinsopps Einsatz so viel hypothetisch bleiben
muß, findet wohl seine Erklärung in der Natur des
Materials.

Lund Tryggvo N. D. Mottinger

Claburn, W. Eugene: The Fiscal Basis of Josiah's Refonns
(JBL 92, 1973 S. 11-22).

Coats, George W.: Moses in Midian (JBL 92, 1973 S.3-10).

Gese, Hartmut: Anfang und Ende der Apokalyptik, dargestellt
am Sacharjabuch (ZThK 70, 1973 S. 20-49).

Hanson, Paul D.: Zecharia 9 and the Recapitulation of an
Ancient Ritual Pattern (JBL 92, 1973 S. 37-59).

Hertzberg, Hans Wilhelm t: Der Prediger. - Bardtke, Hans:
Das Buch Esther. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (Lizenzausgabe
des Gütersloher Verlagshauses Gerd Mohn, Gütersloh
) [1972]. 419 S. gr. 8° = Kommentar zum Alten Testament
, hrsg. v. W.Rudolph, K.Elliger u, F.Hesse.
($. Bespr. in ThLZ 90, 1965, 8p. 179).

Ringgren, Helmer: Psalm 8 och kristologin (SEA 37/38.
^ 1972/73 8. 16-20).

Schmid, Hans Heinrich: Schöpfung, Gerechtigkeit und Heil-
„Schöpfungstheologie" als Gesamthorizont biblischer Theologie
(ZThK 70, 1973 S. 1-19).

Schmocker, Hans Kaspar: „... daß der Mensch nicht vom Brot
allein lebt Thesen zu Deuteronomium 8 (IntDialog-
Ztschr 6, 1973 S. 101-102).

Schoneveld, J.: Het breken van de staf des broods (2<odThT 27,
1973 S.132-145).

Seebaß, Horst: Micha ben Jimla (KuD 19, 1973 «.109-124).

Vetter, Dieter, u. Johanna Walther: Hebräisch funktional-
Beschreibung operationalen Verfahrens. Stuttgart: Cuhver
Verlag [1973]. 46 S. 8°.