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Ausgabe:

1973

Spalte:

46-48

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Wengst, Klaus

Titel/Untertitel:

Tradition und Theologie des Barnabasbriefes 1973

Rezensent:

Kraft, Heinrich

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45 Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 1 46

sollte mau die zumindest bis 430 (bzw. 442) bestehende, davor zurückschreckten, notfalls sogar einen Papst zu ex-

ja ständig zunehmende politische Abhängigkeit Afrikas kommunizieren (550 Vigilius).

von Italien nicht unberücksichtigt lassen. Irgendwie - wir Aufs Ganze gesehen, erweist sich M.s Arbeit als ein sehr

äußern das mit aller Vorsicht - spiegelt sich in der Nicht- förderlicher Beitrag zur Beziehung der römischen und der

Zurückweisung römischer Primatsforderungen doch auch afrikanischen Kirche und damit zur Problematik und Ge-

das Bewußtsein der Afrikaner, ohne die militärische und schichte des frühen Papsttums überhaupt,

sonstige Hilfe aus Italien dem Zugriff afrikanischer oder „ - chta 1)|egner

außerafrikanischer Barbaren wehrlos ausgeliefert zu sein.

In der Einzeluntcrsuchung hat M. meist recht, und er
verkennt hier auch nicht den Einfluß einer jeweils unterschiedlichen
Konstellation auf die afrikanisch-römischen _ _, _ «. . „ . . • r
Beziehungen So waren die afrikanischen Bischöfe wäh- W«'nes,> Klaus: Tradilion und Theologie des BarnuLusbriefes.
rend rlJp•' T i £• alriKaniscnen tfiscnole wan- Berlin-New York: de Gruyter 1971. IX, 129 S. gr. 8°
set,,, er^™«der offenen donatistischen Auseinander- = Arbeiten zur Kirchengeschichte, hrsg. v. K. Aland,
jungen und des pelagianischen Streites von den Pap- C.Andresen u. G.Müller, 42. Lw. DM 34,—.
5,en natürlich abhängiger als anschließend. Auch der

Wechsel der Pontifikate spielt eine erhebliche Bolle, so Wer Kirchengeschichte von den Anfängen an schreibt,
daß man mit Innozenz I. beispielsweise bessere Beziehun- wird für jede Entwicklungslinie, die er verfolgt, seinen
gen unterhalten konnte als mit dem den abendländischen ersten Aufenthalt mit großer Wahrscheinlichkeit bei den
Verhältnissen fremd gegenüberstehenden griechischen apostolischen Vätern nehmen. Mit derselben Wahr-
Papst Zosinius (S. 150). Wo es nicht um zentrale Fragen scheinlichkeit wird er aber auch den Barnabasbrief über-
dei Lehre, sondern um „disziplinare Dinge" ging, wie sie gehen oder allenfalls einen flüchtigen Blick auf ihn wer-
oeispielsweise in den transmarinen Appellationen nicht fen. Eine monographische Darstellung, die die Gründe
»ur afrikanischer Bischöfe, sondern auch niederer Klnri- für diese Randstellung des Barnabasbriefes heraus-
ker deutlich werden, zeigten die Afrikaner den Päpsten zuarbeiten verspricht, ist somit ein dankenswertes Unter-
möglichst weitgehendes Entgegenkommen, obwohl sie nehmen, zumal in den letzten Jahren und Jahrzehnten
stets auch um „disziplinare Autonomie" besorgt bleiben. doch manche Spezialuntersuchungen zur Verwirrung und
Em besonders eklatantes Beispiel dafür ist die vor allem Klärung der von dieser Schrift gestellten Probleme bei-
«urch Augustins 209. Brief verdeutlichte Affäre um Anto- getragen haben.

»rus von Fussala, einen jungen Bischof, der wegen ver- Das erste der drei Kapitel - es macht reichlich die Hälf-

schiedener Vergehen von seinem Amtssitz entfernt worden te des Ganzen aus - beschäftigt sich mit der traditions-

war. Als er an Papst Bonifatius appellierte und dieser sich kiitischen Analyse. Der Verfasser bemüht sich hier daium,

i"r ihn einsetzte, stellte Augustin sich dem römischen die von Barnabas (d.h. dem Briefschreiber) in seinen Text

Verlangen in aller Form, aber doch so eindeutig ent- aufgenommenen Traditionen von den schriftstellerischen

Segen, daß er sein Verbleiben auf dem Bischofsetuhl vom Zusätzen zu unterscheiden, die auf die Hand des Barnabas

Ausgang der Affäre abhängig machte. zurückgehen. Er deutet das Ergebnis seiner Unter-

. Noch deutlicher zeigt der sog. Brief „Optaremus", der suchungen so, daß inhaltlich bestimmte Abschnitte dem

|?j Ergebnis der karthagischen Synode von 424 entstan- Barnabas bereits als geformte Traditionen vorlagen und

^en war und am Fall des schuldig gewordenen Priesters von ihm durch redaktionelle Zusätze, teils formaler, teils

Apiarius die karthagisch-römischen Beziehungen be- inhaltlicher Art, zum Ganzen des Briefes verbunden wor-

'euchtet, daß man ggf. jegliche Einmischung Roms in den seien. Die derart zusammengefügten Traditionen be-

i'inkanische Verhältnisse ablehnt. Freilich war der Papst - standen aus in sich abgeschlossenen Einzelstücken, die im

jn diesem Fall Coelestinl. - hier einem besonders Schuldi- Schulbetrieb entstanden seien und zunächst nur münd-

g«] aufgesessen und hatte die Vermittlung noch dazu dem lieh existiert hätten. Erst bei der Niederschrift des Briefes

zu selbstbewußten Bischof Faustinus von Potenza an- seien diese Traditionen schriftlich fixiert worden. Dieses

Vertraut: So kam es zu einem höflichen, aber doch gereiz- Ergebnis war aus der Betrachtung der Kapitel 2-16 ge-

*n Protest der afrikanischen Bischöfe, den M. wohl doch wonnen. Die Untersuchung der Zweiwegekbrc bringt

; izusehr unter dem Aspekt einer „Episode" sieht. Denn keine grundsätzlichen Unterschiede. Sie lag Barnabas

■mmerhin wurde, wie M. selbst herausarbeitet, von jetzt jedoch schriftlich in der Vorform vor, auf die auch die

n sogar den Bischöfen als Einzelpersonen eine Appella- Zwciwegelehre der Didache zurückzuführen ist,und wurde

!°n an den Papst untersagt. Immerhin läßt sich fest- von ihm geringfügig redaktionell bearbeitet. Auch die

bellen, daß die afrikanische Kirche künftighin wieder Zweiwegelehre hat nach Meinung des Vf.s im Schulbetrieb

n°rmale Beziehungen zu Rom unterhält und sich während ihren Sitz im Leben. Der Vf. konstatiert schließlich, daß

aer langen Periode der vandalischcn Verfolgung sogar zwischen den Traditionsstücken und den redaktionellen

sehr an die römische Kirche anlehnt . Das kann freilich Stücken keine theologischen Unterschiede oder Spannun-

jj.eithin aus der arianischen Kirchenpolitik der Vandalen- gen bestehen.

^°jjige erklärt werden, die - so unter Hunerich - auf eine Die Theologie, die Barnabas vertritt, ist die Theologie

mhge Vernichtung der Katholiken hinzielten. Das seiner Schule. Mit dieser Theologie des Barnabas be-

enroffe Staatskirchentum der arianischen Vandalen schäftigt sich das zweite Kapitel. Als Ausgangspunkt

emmte aber sogar unter relativ toleranten Königen dient sein Schriftverständnis; das hat darin seinen syste-

I^Unthamund, Thrasamund) alle ökumenischen Bezie- matischen Grund, daß die Schrift einzige und grund-

üngen der afrikanischen Bischöfe, die, wo es anging, bei- legende Autorität für ihn ist. Alle weiteren theologischen

P'elsweisein der Situation ihres sardinischen Exils, um so Erkenntnisse, die nun ausgebreitet werden, sind aus die-

V ^u°kflait bei Rom suchten. sem Verständnis der Schrift als grundlegender Autorität

Nachdem Byzanz den Katholiken wieder die völlige abgeleitet . Leider weist das Buch an dieser wichtigen Stelle

j Kiöse Freiheit gebracht hatte, blieb das gute Verhält- eine fundamentale Schwäche auf. Es gelingt dem Vf.

s der afrikanischen Kirche zu Rom im ganzen bestehen. nicht, die hermeneutischen Grundsätze des Barnabas zu

• hebt jedoch zu wenig hervor, daß die Afrikaner sich erkennen. Es sei zugegeben, daß dies eine schwierige Auf-

zw*f e ietzt ~ du-rch das Überstehen der langen Verfolgung gäbe gewesen wäre j aber der Barnabasbrief enthält haupt-

so *A in illrern Selbstbewußtsein gestärkt - als be- sächlich Schriftauslcgung. Wenn einer die Theologie

, Qdere Hüter der reinen Lehre ansahen und mindestens dieses Briefes darstellt und mit Recht von der grund-

erisowenig wie andere Glieder der westlichen Kirche legenden Bedeutung der Schrift ausgeht, dann muß er