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Ausgabe:

1973

Spalte:

671-673

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Elliger, Karl

Titel/Untertitel:

Jesaja 40,1-45,7 1973

Rezensent:

Wanke, Gunther

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671

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 9

672

Elliger, Karl: Jesaja II, Lfg. 1-3. Noukirchon-Yluyn: Neu-
kirchener Verlag des Erziehungsvereins [1970/71]. 240 S.
gr. 8° = Biblischer Kommentar, Altes Testament, hrsg. v.
S.Herrmann u. H.W.Wolff, XI, 1-3. je DM 7.75.

Sieht man von den stärker allgemeinverständlich gehaltenen
Deuterojesaja-Kommentaren Fohrers und We-
stermanns einmal ab, so hegt mit den drei Lieferungen von
E.s Buch nach langem wieder ein ausführlicher deutschsprachiger
wissenschaftlicher Kommentar zu Deutero-
jesaja vor, der - ist er einmal vollständig - eine schmerzliche
Lücke in der Bibliothek der Kommentare schließen
wird.

Die vorliegenden Lieferungen umfassen die Auslegung
von Jes 40,1-4:2,9. Der Aufbau des Kommentars folgt der
bekannten Gliederung des Biblischen Kommentars:
Literatur, Text, Form, Ort, Wort und Ziel. Diese m.E.
nicht ganz glückliche Gliederung des Kommentars hat E.
so zu füllen verstanden, daß die einzelnen Abschnitte der
Auslegung zu einem organischen Ganzen zusammenwachsen
.

Die Textkritik ist - wie das bei einem der Herausgeber
von BHS nicht anders zu erwarten war - ausführlich in
der Materialzusammenstellung und ausgewogen in der
Beurteilung der Rekonstruktion des Textes. Die Vertrautheit
mit der Textüberlieferung schlägt sich auch im
Abschnitt „Form" nieder, in welchem die literar- und
gattungskritischen Fragen verhandelt werden: E. greift
gerne bei Fragen der Abgrenzung von Texten oder bei
syntaktischen Problemen auf Parascheneinteilung und
Akzentuierung zurück (z.B. S.64.177.199.223 u. ö.)

Der gattungskritischen Analyse der einzelnen Texteinheiten
legt E. eine sorgfältige und gut begründete syntaktisch
-stilistische Analyse zugrunde - wie überhaupt von
den vorliegenden Teilen des Kommentars gesagt werden
muß, daß sie in allen Äußerungen auf einer soliden Argumentation
gründen und es schwerfällt, sich der Stringenz
der Beweisführung zu entziehen. - Die Ergebnisse der
metrischen Analyse werden, soweit das möglich ist, in die
erhobenen Textstrukturen integriert. Im Abschnitt,,Wort"
fällt auf, daß die Fragen dtjes. Terminologie vorwiegend
in Anmerkungen abgehandelt werden, während motiv-
und traditionskritische Probleme in die Einzelauslegung
eingeordnet sind. Exkurse, wie sie in andernKommentaren
der Reihe gerade in diesem Zusammenhang beliebt sind,
fehlen wenigstens in den drei ersten Lieferungen des
Kommentars völlig.

In der bis Dtjes. besonders schwierigen Frage der Abgrenzung
der Texteinheiten geht E. einen Mittelweg. Er
tendiert weder zu einer Rekonstruktion besonders umfangreicher
Einheiten, noch zu einer Atomisierung des
Textes in ganz kleine Einheiten. So zieht er auf der einen
Seite die von anderen getrennten Sprüche 40,1-2.3-5.
6-8 und 42,5-7.8-9 zu einheitlichen Sprüchen zusammen,
während er auf der andern Seite in dem mehrfach schon
als Texteinheit angesehen Komplex 40,12-31 drei selbständige
Einheiten sehen möchte. Aufs Ganze gesehen
werden folgende Texteinheiten festgestellt: 40,1-8.9-11.
12-17.18-26 (ohne 19f., das mit 41,6f. zu einer Einheit
zusammengezogen wird). 27-31; 41,1-4.8-13.14-16.17-20.
21-29; 42-1-4.5-9. Das Stück 40,19f.+41,6f. sei zwischen
zwei Kolumnen einer Handschrift eingeschrieben
worden und hätte von da aus teils in die linke, teils in die
rechte Kolumne Eingang gefunden (S.66). Als Brücke
zwischen 41,6f. und 41,1-4 diente dann der schwierige
Vers 41,5.

Vorsichtig äußert sich E., wenn es um die Feststellung
von größeren Sammlungen innerhalb des Prophetenbuches
geht. Kap.40 läßt er als eine Art Proömium des
Buches gelten, und 41,1-42,9 könnte ebenfalls eine vorlaufende
Teilsammlung gewesen sein, in welche allerdings
das Ebed-Jahwe-Lied 42,1-4 eist aufgrund eines
Mißverständnisses geraten sei. Beide von B. angenommenen
Teilsainmlungen werden jedoch als Ergebnisse der
Redaktion angesehen.

Das Berufungserlebnis des Propheten hat in 40,1-8
seinen Niederschlag gefunden. Die Form seiner Wiedergabe
weicht von andern Berufungsberichten ab, ja ist im
strengen Sinn gar nicht Bericht. Der Abschnitt 40,1-8
ist zwar klar in drei Teile gegliedert, die jeweils die gleiche
Form („Befehlsausgabe") aufweisen, doch die Einheit von
Sprecher (ein Himmlischer) und Situation weisen ihn als
eine Erlebniseinheit aus.

Die übrigen Texteinheiten werden folgenden literarischen
Gattungen zugeordnet: „Instruktion eines Siegesboten
" (40,9-11), Disputationswort (40,12-17.18-26.
27-31; 42,5-9), Gerichtsrede (41,1-7.21-29), Heilsorakel
(41,8-13.14-16), Verheißungswort (41,17-20) und Präsentationswort
(42,1-4).

In 40,9-11 weist E. einen kunstvollen Strophenbau
nach, der die Vermutung erlaubt, daß dieser Texteinheit
wahrscheinlich vier Textzeilen verlorengegangen sind.
Im Zusammenhang mit 40,12-17 macht E. erneut darauf
aufmerksam, daß die Antwort auf die Fragen der ersten
Strophe nicht „Jahwe", sondern „niemand" zu lauten
habe, so daß nicht die Schöpfertätigkeit Jahwes beschrieben
wird, sondern „zum Staunen und Nachdenken
über die in der fertigen Schöpfung offenbare Macht und
Weisheit des Schöpfers" aufgefordert wird (S.47). Mündlichen
Vortrag bzw. ex-tempore-Reden erkennt E. noch
in 40,18-26 aufgrund stilistischer und metrischer Beobachtungen
. Für die Gerichtsrede lehnt er einen kultischen
Sitz im Leben zu Recht ab (S. 108 f. im Zusammenhang
mit 41,1-7).

Im ersten Ebed-Jahwe-Lied 41,1-4 sieht E. ein Präsentationswort
, mit welchem der Ebed der himmlischen
Ratsversammlung als „Minister" vorgestellt wird. Von
hier aus ist die Gestalt des Ebed nur als Einzelperson zu
verstehen, und von 49,1-6 und 50,4-9 her, deren „ich
mit dem „er" von 42,1—4 zu identifizieren ist, kann - so
E. - eigentlich nur die Deutung auf den Propheten selbst
zugelassen werden. Das Lied 42,1-4 stellt nicht das Berufungserlebnis
des Propheten dar, sondern eine Bestätigung
seiner Berufung nach einer längeren Zeit seiner Tätigkeit
. Auffallend gegenüber 40,1-8 sei die Ausdehnung
seines Auftrags ins Universale. Das Lied ist ein Stück
exoterischer Literatur, „vom Propheten höchstens noch
für seinen engsten Kreis niedergeschrieben".

In der Auslegung von 42,5-9 schließt sich E. der These
Hallers an, daß in V. 6-7 nicht der Ebed, sondern Kyros
gemeint sei, was es ihm auch erlaubt, dieses Wort als ein
Disputationswort zu verstehen, in welches das Berufungsorakel
für Kyros eingebaut sei. Die Mißdeutung dieses
Wortes auf den Ebed hätte dann schließlich dazu geführt,
daß 42,1-4 vor es eingeschoben wurde.

Wenn man überhaupt einige Tendenzen am Kommentar
insgesamt feststellen kann - was bei nur drei vorliegenden
Lieferungen natürlich ein problematisches
Unterfangen ist -, dann sind vor allem zwei Beobachtungen
zu nennen. Auffällig ist als erstes, daß E. in der theologischen
Auslegung fast aller Texteinheiten mit besonderer
Emphase das Theologumenon von Gott als dem
Herrn der Geschichte herausstellt (S.30.39.58.92.102.131-
196f.221.239), das auch für die Einzelauslegung der Texte
außerordentlich relevant ist. Besonders deutlich wird daß
an der Interpretation des mispat von 42,1-4, die in folgendem
Spitzensatz gipfelt: „Es geht also bei ihm nicht
um Ethik oder Dogmatik, sondern um Politik, göttliche
Politik. Er hat primär nicht zum Inhalt, wie
Menschen leben oder was sie glauben sollen, aber auch
nicht, was Gott ist, sondern was Gott tut, jetzt tut
(S.207). Auffälüg ist schließlich als zweites, daß E. bislang