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Ausgabe:

1973

Spalte:

41-43

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Del Verme, Marcello

Titel/Untertitel:

Le formule di ringraziamento postprotocollari nell'epistolario paolino 1973

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 1

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polemisch-programmatischen Akzente seiner Arbeit auf.
Der im englischsprachigen Bereich immer noch geschätzte
Textus receptus, den auch das Lukasevangelium der
..Oxford Critical Edition of the New Testament" anbieten
soll, kann nicht der Bezugstext einer kritischen Ausgabe
neutestamentlicher Schriften sein, sondern hier muß der
beste erreichbare Text rekonstruiert werden. Bei seiner
Apologie für Hort übersieht Colwell, daß in der Zwischenzeit
das Handschriftenmaterial sich nicht nur quantitativ
gewaltig vermehrt hat, sondern auch neue qualitative
Urteile ermöglicht, z.B. über den Wert des altlateinischen
oder altsyrischen Textes. Colwell warnt zwar vor einer
einseitig eklektischen Auswertung der Lesarten, nimmt
aber leider Alands diskutable Auswahlmethode der
..1000-Stellen" für die Beurteilung des kaum übersichtlichen
byzantinischen Reichstextes überhaupt nicht zur
Kenntnis. So bleibt bei aller Einzelarbeit der Eindruck,
daß trotz der neueren international und ökumenisch
orientierten Arbeit an Textausgaben des Neuen Testaments
- oder vielleicht gerade ihretwegen (! vgl. S. 153) -
die Textforschung heute noch stark durch Vorurteile und
Bindungen nationaler oder lokaler Forschungstraditionen
belastet ist, ein Anachronismus, dem wohl erst mit der
Veranstaltung einer umfassenden und der großen Vorgänger
würdigen kritischen Textausgabe des Neuen Testaments
ein Ende geboten werden kann.

Kiel Horst K.Balz

1 Vgl. K.Aland, Bemerkungen zu Probeseiten einer großen
Kritiechen Ausgabe des Neuen Testament«, NTSt 12, 1966,
176-185; mit Ergänzungen abgedruckt in: K.Aland, Studien
z,ir Überlieferung des Neuen Testaments und seines Textes,
Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung II, 1967,
81-90.

* fme, Marcello del: Le fermule di ringraziamento postproto-
collari nelPepistolario paolino. Roma: Edizioni Francescane
[1971]. 228 S. 8° — Presenza, dir. da P.A.Ghinato, 5.

Die formgeschichtlichc Methode hat in den zwanziger
Jahren die von der alttestamentlichen Wissenschaft ausgebildete
gattungsgeschichtliche Methode (Hermann
Gunkel) auf das NT, und zwar vor allem auf die Evange-
hen angewendet. Dabei führte die Verbindung der formgeschichtlichen
mjt der religionsgeschichtlichcn und der
historisch-kritischen Methode vielfach zu negativen Ergebnissen
. Dagegen wandte sich anhand der grundlegenden
deutschen Arbeiten und der anschließenden
"iternationalen Auseinandersetzung mit kritischer Darstellung
Ermenegildo Florit, II Metodo dclla „Storia delle
"orrnc" e sua applieazione al raeconto della passionc
(Roma: Scripta Pontifici Instituti Biblici 1935). Indischen
ist die Untersuchung der literarischen Formen
der biblischen Überlieferung weitgehend vertieft und verfeinert
und methodisch in ihrer literarischen Bedeutung
der historisch-kritischen Arbeiteweise gesondert worden
(vgl. G.Bornkamm, Evangelien, formgeschichtlich;
dsb. Formen und Gattungen im NT, in RGG3 Bd. II
;*9-753; 999-1005; H. Riesenfeld, Kultgeschichtliche
Methode und NT, ebd. IV 92f.). Grundsätzlich geht es
Urn die Formengebundenheit der menschlichen Rede, die
*•> festen Prägungen neigt und bei gleichen sachlichen Inhalten
zu der gleichen sprachlichen Formgebung führt.
Unter solchen Voraussetzungen untersucht die vor-
llegende Arbeit die bedeutsame Stilprägung der Dartk-
Sagung im Eingang der paulinischen Briefe. Diese der Angabe
von Absender und Empfänger unmittelbar folgenden
Formeln werden in ihrem Aufbau analysiert. Dabei
Wlrd das Vokabular nach Begrifflichkeit, Häufigkeit und

im Verhältnis zu den übrigen Schriften des NT behandelt,
wobei auch statistisches Material verwendet wird. Eine
Übersicht ergibt mit wenigen Ausnahmen die gleichmäßige
Anwendung fester Formen. Grammatisch und
syntaktisch finden sich regelmäßig die entsprechenden
Prägungen, die für jedes Glied der Danksagungen besonders
festgestellt werden. So ergibt sich ein übersichtliches
Schema der fünf Bestandteile. Dazu kommen noch
Ergänzungen von verschiedener syntaktischer und logischer
Bedeutung. Die Abschlüsse sind eschatologisch
oder liturgisch und zum Teil lehrhaft und ermahnend ausgerichtet
. Sie leiten zu dem Hauptteil der Briefe über.
Das zweite Kapitel vergleicht die Formensprache der paulinischen
Danksagungen vor allem mit entsprechenden
Äußerungen der at.lichen Psalmen, neben denen auch die
Loblieder der Qumrangemeinde, die Psalmen Salomos
und eine Gruppe syrischer Psalmen herangezogen werden.
Dabei kommt die Verwandtschaft der paulinischen Formulierungen
mit den liturgisch geprägten Dank- und Lobhymnen
und der Preisgebete der jüdischen Gemeinde zur
Geltung. So untersucht der Vf. die hebräische Terminologie
, die Begriffe Segen und Lob und ihre Wiedergabe in der
griechischen Bibel und stellt sie dem paulinischen Sprachgebrauch
gegenüber. Direkte Einflüsse auf Paulus werden
nur mit Vorsicht angenommen werden können.

Das Schwergewicht der Arbeit liegt auf dem dritten Kapitel
, das im Sinne einer positiven, fruchtbaren Anwendung
der formgeschichtlichen Methode die theologische
Bedeutung der Danksagungsformeln herausstellt. Der
Dank des Absenders gilt immer Gott; zugleich erwähnt
er sein Gebet für die Empfänger und läßt dabei seine
innere Haltung erkennen. Er beglückwünscht die Angeredeten
zu den Fortschritten des christlichen Gemeinde-
lcbens, das auf der Entfaltung der christlichen Tugenden
beruht. Immer wird dabei der Glaube genannt; daneben
stehen Liebe und Hoffnung. Gelegentlich wird alles zusammengefaßt
in der Teilnahme der Gemeinde an der
Ausbreitung des Evangeliums. Damit sind die konstitutiven
Elemente der ersten Gemeindegründungen genannt
. Dazu kommt mehrfach ein eschatologisch orientierter
Hinweis auf die paulinische Paränese, mit dem sich
das liturgische Motiv verbinden kann. Theologisch bedeutsam
ist schon die Danksagung an sich. Sie hat ihre
Wurzel im AT mit seiner, wie der Vf. sagt, .animn reli-
giosa', und zwar in der Überzeugung der Frommen von
dem Eingreifen Gottes zu ihren Gunsten, eine Uberzeugung
, die auch für die Glaubcnshaltung der christlichen
Gemeinde konstitutiv ist. Sie ist damit auf Gott
gerichtet, der als Vater angeredet werden darf. Dankbarkeit
aber ist die ununterbrochene Grundhaltung; nie
äußert sich unter Berufung auf Jesus Christus, der zugleich
Mittler und Grund für die Dankbarkeit ist. Auch
die Aussagen des Apostels über das Gebet des Apostels
für seine Gemeinden folgen einem festen Sprachgebrauch.
Inhaltlich bringt es als ständige Fürbitte die geistlichen
Anliegen der jungen Christen stellvertretend vor Gottes
Angesicht. Es geht dabei -um das Wohl und Heil der Gemeinden
unter der Voraussetzung eines tätigen und geschäftigen
Glaubens und einer immer wachsenden Erkenntnis
des Willens Gottes, auch hier mit dem Blick auf
die Gabe der Hoffnung und ihre endzeitliche Verwirklichung
. Die heilige Dreiheit von Glaube, Liebe, Hoffnung
und die eschatologische Erwartung mit Wiederkunft, Gericht
und Belohnung bzw. Bestrafung bilden den Glaubensinhalt
. Das Schlußkapitel weist auf die klare thematische
Durchführung des paulinischen Konzeptes der
Danksagung und ihre Nachwirkung im Corpus Paulinum
hin.

Die Arbeit greift in allen Teilen unmittelbar auf die zu
behandelnden Texte zurück und gliedert sich bis in die
Einzelheiten klar und übersichtlich. Sie nimmt frühere