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Ausgabe:

1973

Spalte:

618-619

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Curran, Charles E.

Titel/Untertitel:

The crisis in priestly ministry 1973

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

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Sinne kosmisch bestimmter Religiosität, von den Medita- auf ihre Anführung verzichtet werden kann. Nur sollten
tionszentren indischer Yogis, von dem großen Einfluß der lateinische Termini stets im richtigen Kasus verwandt wer-
■synkretistischen, toleranten und ethisch bestimmten Bahäi, den.

des nichtmetaphysisch-säkularen Zen-Buddhismus und des Rnanrk n » ui j «.

, , Rostock Gert Wendelborn

psychedelischen Mystizismus, der drei eigene Kirchen hervorbrachte
, von denen eine sich auf den indianischen Peyote- x
Kult stützt. Alle diese Frömmigkeitsarten sind auch in die JN^

Subkultur der protestierenden jungen Generation eingedrun- Curran, Charles E. i The Crisis in Priestly Ministry. Notre
gen. Kap. 62 - wertvoll auch durch gutes statistisches Ma- Dame, Indiana/USA: Fides Publishers [1972]. VII, 146 S.,

terial - zeichnet ein eindrucksvolles Bild des afro-amerika- kl. 8°. $ 1.50.

nischen Christentums im 20. Jh. Es zeigt, wie die große Wan- Der katholische Verfasser will keine Theologie der Krise

derung von Negern in die Großstädte des Nordens seit 1900 des Priestertums schreiben und sagt klar, was er nicht will
und der durch sie ausgelöste abrupte soziale Wandel auch (4f). Was er schreibt, soll amtierenden und kommenden
ihre Religiosität erheblich beeinflußte. Als typisch für die Priestern eine Hilfe sein und die Freude am Amt stärken,
schwarzen großstädtischen Ghettos wird die schwarze um die multidimensionale Krise bestehen zu können. Denn
Pfingstfrömmigkeit diagnostiziert, die sich in eigenständi- von der allgemeinen Krise in der Welt, die er schildert, und
gen Kirchen wie der Church of God in Christ ebenso artiku- die auch nach einer größeren Flexibilität der Kirche schreit
liert wie in unzähligen unabhängigen Gemeinden. Vf. weist (7), ist auch auf seine Art das geistliche Amt befallen. Da
auch nach, daß die verzweifelte Situation der ärmsten und gilt es, bei allen Einwirkungen auch von außen Mensch und
geistig unentwickeltsten schwarzen Ghettobewohner immer Priester zu bleiben, also die Identität zu bewahren,
neue Kulte entstehen läßt, in denen sich Evangclikalismus, Das neue, vom Vaticanum II gezeichnete Verständnis des

Holiness-Frömmigkeit, Adventismus und New Thought bunt Amtes stellt den Priester unter die Verantwortung, in schöp-
mit den liturgischen Ausdrucksformen des Negers, Glaubens- ferischer Weise seinen eigenen Stil zu schaffen (24,33), wozu
heilungen und charismatischer Führerschaft (Gefahr des Per- ihm die - sehr nötige - Theologie aber keine fertigen Lö-

sonenkultes) mischen (Father Divine Peace Mission und sungen anbietet (23). Es kann nicht nur e i n Modell geben i

„Sweet Daddy" Grace' United House of Prayer for All People da ist ständig zu experimentieren und neue Methoden sind

sowie unzählige ephemere und lokal begrenzte Kulte). In die- zu erproben, wozu freilich eine volle innere Hingabe an den

sem Kap. berichtet Vf. auch von der vor allem durch Martin „Dienst des Wortes und Werkes Jesu" (48) unabdinglich ist.

Luther King und Ralph Abernathy geleiteten Massenbewe- Dazu können auch „spontane Gebete" selbst bei der Messe

gung schwarzer Christen für Gleichberechtigung und Men- hilfreich sein. Nur keine Angst vor neuen Wegen: man fängt

schenwürde in den 60er Jahren, doch könnte die bleibende jetzt an, sich von der Notwendigkeit einer Pluralität der For-

Bedeutung dieses Wirkens noch präziser herausgearbeitet men jm Dienst am Wort" zu überzeugen (49).
werden. Auch die radikaleren Strömungen, die in den letzten Das 2. Kap. handelt von der Krise der Spiritualität, „die

Jahren die Vorherrschaft unter den Schwarzen gewannen, njcht länger einer Dokumentation bedarf" (51f). Die Übel

zuweilen aber in die Gefahr eines schwarzen Rassismus, der eines legalistischen Systems sind heute erkannt. Selbst das

Preisgabe großer Teile des christlichen Erbes (James H. Breviergebet wurde fraglich und die „Krise des Gebets"

Cones Black Theology) und des religiösen Synkretismus zoigt sich auch darin, daß viele junge Priester das Rosen-

(Black Muslims) geraten, bleiben nicht unerwähnt. Kap. 63 kranz-Beten aufgegeben haben (53/4). Um so wichtiger, auch

schließlich sucht ein erstes Fazit der turbulenten 60er Jahre bei der ständigen Einwirkung moderner Theologie, ist heute

zu ziehen und arbeitet gut den Bruch mit der bisherigen Tra- die viel beobachtete Einrichtung von „Häusern des Gebets"

dition heraus. Dadurch sei wahrscheinlich die 4 Jahrhunderte (54)

umfassende Große Puritanische Epoche an ihr Ende gelangt, Der Vt schreibt, die katholische Theologie habe die Be-
denn dieser Bruch sei trotz mannigfacher konservativer Ge- deutung der Wirklichkeit der Sünde und der Transzendenz
genwirkungen wohl in seinen sensationellen Artikulations- nicht ernst gen.ug genommen (58,95), aber ein Wechsel zum
formen, aber nicht in seinem Wesen rückgängig zu machen. besseren kündigt sich an. Und so ist die Frustration, aber
Als Kennzeichen dieses Bruches nennt Vf. ein allgemeines auch ldie Enttäuschung an Vorgesetzten (56) überwindbar.
Krisenbewußtsein von bisher nicht gekannter Schärfe, das Ajs gültiges Vorbild wird Paulus vor die Augen gestellt:
Aufkommen einer neuen radikalen Theologie, die tiefgrei- auc}l er ging durch streit mit den Brüdern und durch Fru-
fende Infragestellung der kirchlichen Strukturen, die anti- strationen und selbst er hatte keinen „umwerfenden Erfolg"
autoritäre Welle, den Antitraditionalismus, den Zweifel an (66) ohne deshalb entmutigt zu werden (76). Frustration
allem Übernatürlichen und Sakralen und umwerfende Ver- gehört einfach zur Existenz des Dieners am Wort. Und wohl
änderungen der Moral (Situationsethik, Revolution der Sexu, irirn jn s0]cher Zeit, wenn er auch (typisch und doch vor-
almoral). Verständlicherweise verzichtet er dabei auf eine bildlich!) den „sense of humor" behält (101).
detaillierte Erörterung der Phänomene, so daß der Leser ^ 3 Kap igeht es um das Verhältnis von Predigt des
hier naturgemäß manches vermißt. Theologen wie Gabriel Wortes Gottes und den konkreten moralischen Problemen
Vahanian, Harvey Cox und die Tod-Gottes-Theologen wer- des Lebens und der Gesellschaft (103f). Hier ist dem Vf. ent-
den nur eben erwähnt, Richard Shaulls Name fällt nicht ein- scheidend, daß einer „d a s Wort und nicht ein anderes Wort"
mal. Vor allem aber fehlt der Versuch einer ersten Einord- predigt, daß er „d e m Wort treu ergeben ist und nicht an-
nung der Prozeßtheologie, die u. U. den Kern einer neuarti- stelle des Wortes Gottes sein eigenes setzt" (104). Ganz klar
gen Neo-Orthodoxie bilden könnte. Die bedeutende Aktivität wird die Überbetonung der moralischen Aspekte des Gottesweißer
Kirchenführer für Rassenintegration, soziale Gerech- wortes auf Kosten des ganzen Wortes Gottes gesehen i als
tigkeit und gegen den Vietnamkrieg kommt nicht ausrei- ein große Gefahr (113). Denn „der primäre Aspekt des Wor-
chend zur Geltung. Auch die Kirchenunionen könnten schär- tes Gottes ist nicht der moralische Aspekt, sondern das Wort
fer beleuchtet werden; das gewaltige Projekt der Church of Gottes als Gabe und Geschenk". In ihm geht es um unsere
Christ Uniting bleibt völlig unerwähnt. ' Erlösung. Daher muß „die erste Aufgabe des Dieners am
Die rund 30 Seiten füllende Bibliographie, die - nach Sach- Wort sein, die Gute Nachricht zu verkündigen" (115). Es kann
gebieten geordnet - die wichtigste und neueste nordameri- nicht die Aufgabe des Predigers sein, als Nichtfachmann sich
kanische Fachliteratur (selbst 1972 erschienene Monogra- auf Einzelheiten komplexer Situationen einzulassen und von
phien werden noch berücksichtigt) in sorgfältiger Auswahl der Kanzel her anmaßend sichere Anleitungen und überanführt
, sowie das Personen- und Sachregister sind vor- simplifizierte Lösungen für das diverse Handeln in der Welt
züglich. Die sachlichen und Druckfehler sind so minimal, daß zu geben (132).