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Ausgabe:

1973

Spalte:

604-605

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Calvin, Jean

Titel/Untertitel:

Les lettres à Jean Calvin de la Collection Sarrau 1973

Rezensent:

Rogge, Joachim

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603

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

604

Stupperich, Robert: Die Reformation in Deutschland. Mit

einer farbigen Geschichtskarte des Verlages Justus Perthes
, Darmstadt. München: Deutscher Taschenbuch Verlag
[1972). 281 S., 1 färb. Kte kl. 8° = Monographien zur Weltgeschichte
, hrsg. v. W. Hilgemann. DM 7,80.
Seiner „Geschichte der Reformation (1967) läßt der Vf.
etwa im gleichen Zuschnitt eine Darstellung der „Reformation
in Deutschland" folgen. Diese Form der Vermittlung
historischer Sachverhalte ist vorbehaltlos zu begrüßen. Stupperich
geht dankenswerterweise in der äußeren Form der
Stoff vermittlung neue Wege, die nicht nur die chronologisch
und sachlich geordnete Darstellung (S. 15-164), sondern
auch ein relativ umfängliches Quellentextangebot (50 Positionen
, S. 167-210), Zeittafeln und biographische Daten reformationsgeschichtlich
direkt oder indirekt wichtiger Persönlichkeiten
(S. 213-252) und eine in diesem Rahmen erstaunlich
gediegene, kritische Quellen- und Literaturübersicht (mit
kurzen Einschätzungen der Literaturwerke, S. 255-274) einschließen
. Angaben über Fundorte der Quellentexte, ein
engmaschiges Stichwortregister und die separate Beigabe
einer farbigen großen Faltkarte ergänzen den erfreulichen
Eindruck, den diese Taschenbuchdarstcllung macht.

Der Vf. gliedert etwas schematisch: Das Werden der Reformation
, die Reformation und das Reich, der Abschluß der
Reformation, die Versteifung der Gegensätze. Die Unterabschnitte
lassen auf den ersten Blick die traditionelle Schwerpunktbildung
in der Reformationsgeschichtsdarstellung erkennen
. Eine Wiederholung der Positionen hätte nur geringen
Informationswert. Wesentlich dagegen ist die Anordnung
bzw. Zueinanderordnung der einzelnen Problemkreise. Und
hier mag eine erste Kritik ansetzen. Nach einer kurzen, gut
den Horizont erhellenden Einführung zum Thema „Reform
und Reformation" beginnt Stupperich die Sacherörterung
mit dem Ablaßstreit, den man im Rahmen des Werdens der
Reformation längst als Nebenkrater erkannt und in seiner
Bedeutung niedriger veranschlagt hat. Erst danach handelt
der Vf. über „Luthers Lehre" (S. 25-29), nach Auffassung
des Rezensenten viel zu kurz und zu wenig differenziert,
nachdem hier seit Karl Holl so Entscheidendes für die Initia
Lutheri erhoben worden ist. Gerade einer fachlich nicht vororientierten
Leserschaft müßte der Ansatz für die reformatorische
Wende neu vermittelt werden. Daß Luthers Obrigkeitsverständnis
im Duktus nach der Schilderung der Bauernkriegsproblematik
abgehandelt wird, ist schlechterdings
nicht einzusehen. Luthers Schriften zur Obrigkeitsfrage mindestens
seit 1522 vermitteln doch erst die adäquate Einsicht
in die Hintergründe für Luthers Haltung während des
Bauernkrieges 1525.

Weiterhin mag bedauert werden, daß die Zürcher Reformation
unter dem Aspekt: „Luther und Zwingli" verhandelt
wird! Dabei hatte man sich in den letzten Jahren erfreulicherweise
in der Schweizer und in der deutschen Forschung
gerade abgewöhnt, Zwingli fast ausschließlich an Luther zu
messen. Die Akzente der Zürcher Reformation liegen so deutlich
auf den alten unerquicklichen Fragestellungen (Abendmahlsstreit
, Marburger Religionsgespräche), daß darüber
die Initia Zwingiis gar nicht erst in den Blick treten.

Ähnliches muß auch auf Calvin bezogen (S. 155-159) konstatiert
werden. Selbst wenn Stupperich sich nur vorgenommen
hat, die Reformation in Deutschland darzustellen, ist
eine solche appendixartige Behandlung von Theologie und
Wirken Calvins nicht sehr sachgemäß. Die Charakteristik
des Genfer Reformators muß schon deshalb profilierter erfolgen
, weil seine Wirkungen auf viele deutschsprachige Gebiete
erheblich sind. Es ist (nicht allein in Anbetracht gegenwärtiger
lutherisch-reformierter Gespräche) wenig freundlich
, Calvin gleich eingangs des einschlägigen Kapitels ohne
vorherige Darlegungen über seine Theologie, Frömmigkeit
und Kirchenpraxis als „(H)hart und rücksichtslos" (S. 155f)
zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang sei auch notiert.

daß die graphisch sehr glücklich konzipierte Karte wahrscheinlich
hinsichtlich der Abbildung von Entwicklungen in
der Schweizer Reformation, auf jeden Fall aber hinsichtlich
der Vorgänge in Österreich, der Korrektur, respektive der
Auffüllung bedarf.

Neben diesen generellen Bemerkungen sei noch auf eine
Reihe von einzelnen Ungenauigkeiten oder Fehlern hingewiesen
, deren Liste allerdings nicht vollständig ist:

1. Erhalten ist lediglich ein Redeentwurfsfragment Luthers
für den 18. 4. 1521 in Worms (s. Martin Luther. Ausgewählte
deutsche Schriften, hrsg. von Hans Volz. Tübingen 1955, S.
65-66 u. WA 7,815). Was Stupperich im Quellentext 15 bietet
, ist nicht die in „der Nacht" ausgearbeitete Verteidigungsrede
(S. 49) (eine schriftliche Fassung war ihm verboten
worden!), sondern sind Teile einer Übersetzung des ausführlichen
lateinischen Berichts, den ein uns bisher Unbekannter
gegeben hat (WA 7, 825-840).

2. Das Müntzerbild Stupperichs (S. 59f) ist unpräzis und
nimmt neue Forschungsergebnisse nur sehr wenig auf. Eine
Bemerkung, daß Müntzer nur durch die Schule Luthers hindurch
zu verstehen ist, wäre erforderlich gewesen. Daß
Müntzer zur Zeit der Wittenberger Unruhen (1521/22) nach
Allstedt kam, stimmt auf keinen Fall. (Der damit in Verbindung
gebrachte Quellentext 21 enthält das Prager Manifest
vom 1. 11. 1521!?) Es wäre im ganzen wesentlich, Müntzers
Hermeneutik stärker zu beachten. Es dürfte wenig informativ
sein, einen Mann, der ein beträchtliches Bibelstellcnar-
senal in seinen Schriften vorzeigt, in dieser Sache lediglich
mit dem Satz zu etikettieren: „Das innere Wort, nicht die
Heilige Schrift sei entscheidend" (S. 59).

3. Bezüglich Karlstadt gibt der Vf. nur Unterwegsstationen
nach seinem Fortgang aus Kursachsen an (S. 61). Die Sache
ist weiter verunklart, wenn S. 85 nur das .Auftauchen' Kapstadts
in Basel konstatiert wird. Es fehlt die Angabe, daß er
immerhin dort von 1534 bis 1541 Professor und Prediger
war.

4. Stupperich, der auf S. 88 Wendungen seines Buches über
die „Geschichte der Reformation" (s. o.) aufnimmt, hat Blaurock
und Manz als in Zürich Ertränkte bezeichnet, während
er 1967 richtig Blaurocks Verbrennungstod in Tirol (S. 141)
konstatiert.

5. Zwei weitere kleine technische Corrigenda: S. 157 muß
von Caspar Olevianus (statt: Obrianus) im Zusammenhang
mit dem Heidelberger Katechismus die Rede sein; S. 81,
Anm. 17 muß es in bezug auf F. Loofs heißen: Leitfaden zum
Studium der Dogmengeschichte.

Der Rez. kann nur bitten, die vorgebrachten Einwände
und Corrigenda zu prüfen, damit in einer 2. Auflage der
Wert dieses in der äußeren Konzeption und in der Lebendigkeit
der Diktion so ansprechenden Taschenbuches nicht
weiter beeinträchtigt bleibt.

Berlin Joachim Rogge

Calvin, Jean: Les Lettres ä Jean Calvin de la Collection
Sarrau. Publiees avec une notice sur Claude et Isaac Sarrau
par Rodolphe Peter et Jean Rott. Paris: Presses Universitäres
de France 1972. 103 S. 8° = Cahiers de la Revue
d'Histoire et de Philosophie Religieuses. Publies sous les
Auspices de la Faculte de Theologie Protestante de l'Uni-
versitc des Sciences Humaines de Strasbourg. Collection
dirigee par M. Philonenko, 43.

Das große Quellenwerk der Calvini Opera im Corpus Re-
formatorum - vor einem Jahrhundert begonnen - liegt zwar
vor, aber es ist weder editionstechnisch befriedigend noch
vollständig. Die Supplementa Calviniana (Sermons inedits),
die jetzt wieder zügiger erscheinen sollen (James I. McCord),
ergänzen das bisher klassische Editionsunternehmen (s. dazu
ThLZ 1966/11, Sp. 842-844), abgesehen davon bereichern
jedoch hin und wieder auch Einzelausgaben die Calvinkennt-