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Ausgabe:

1973

Spalte:

595-597

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Gryson, Roger

Titel/Untertitel:

Le ministère des femmes dans l'église ancienne 1973

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

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läßt es an Gründlichkeit, insbesondere auch in den prosopo-
graphischen Details dieser schon sehr genau bekannten Periode
nicht fehlen. Viele Leser werden freilich beklagen,
daß bekannte und auch im Zusammenhang wichtige Probleme
dieser Zeit in sehr ungleichmäßiger Weise behandelt
werden. Der Circumcellionenfrage, die innerhalb des Donatismus
von erheblicher Bedeutung war, widmet L. nicht einmal
eine halbe Seite, während die Akteure der Disputation
zwischen zwei und zwanzig Seiten (so Augustinus) zugebilligt
erhalten. Manches Interessante und gewiß auch Weiterführende
behandelt L. in „Notes complementaires", wodurch
der Einleitungsband, der keinen gesonderten Index hat, an
Geschlossenheit und Übersichtlichkeit sehr verliert.

Neben der Darstellung der Zeitverhältnisse, des kirchlichen
Gegensatzes und der „Dramatis personae" gibt L. eine
Etüde linguistique (Kap. 4) und eine Textgeschichte der Akten
von 411 (Kap. 5) - beides lobenswerte Unternehmungen,
die man nicht missen möchte. Probleme der Syntax, aber
auch der Phonetik, Metrik und Rhythmik werden hier neben
Fragen der Vieldeutigkeit, so vor allem der Adverbien und
Konjunktionen, erörtert, was zugleich eine gute Einführung
in den Text bedeutet. Im letzten Kapitel werden auch interessante
Fragen wie solche der stenographischen Technik
behandelt. Hinweise auf Augustins Breviculus conlationis
als eine aus den Akten zusammengestellte Tendenzschrift
mit libellistischen Zielen (S. 355f) sind ebenso wertvoll wie
die genauen Erörterungen des Handschriftenbestandes oder
der eingeschlagenen Übersetzungstechnik. L. will sich im
allgemeinen möglichst genau an die überlieferten Formulierungen
halten, was ihm, wie eine Überprüfung zeigt, auch
gut gelungen ist. Daß der französische Text immer etwas
länger ausfällt als der lateinische, ist natürlich durch die
trotz aller Verwandtschaft unterschiedliche Sprachstruktur
begründet.

Hoffentlich können die für Band III und IV vorgesehenen
Akten des zweiten und dritten Disputationstages und die
dazugehörenden Indices in Bälde erscheinen.

Halle/Saale Hans-Joachim Diesner

Gryson, Roger, Prof.: Le ministere des femmes dans l'figlise
ancienne. Gembloux: Duculot [1972]. 203 S. gr. 8° = Re-
cherches et Syntheses, Section d'Histoire, IV. fbr. 370.-.
Seit einiger Zeit wird auch in der katholischen Kirche die
Frage nach der Zulassung von Frauen zum geistlichen Amt
diskutiert. In diesem Zusammenhang steht das Buch von
Gryson über das Amt der Frauen in der Alten Kirche. Er findet
es bezeichnend, daß sich Verfechter gegensätzlicher Meinungen
auf die Tradition der Kirche berufen. Da diese selbst
bisher zu wenig bekannt ist, versucht er, hier die Forschung
voranzutreiben. Er analysiert realistisch möglichst viele Texte
und Fakten, die zur Lösung des Problems beitragen können
. Dabei setzt er sich nötigenfalls gründlich mit anderen
Interpreten auseinander. Er macht die Überprüfung seiner
Ergebnisse leicht, indem er - außer S. 169 - die Quellen
selbst mit abdruckt. Man folgt seinen Untersuchungen, die
der diffizilen Entwicklung der Einzelprobleme nachgehen
und Abhängigkeiten von Quellen nicht verschweigen, mit
großer Spannung und kann den Ergebnissen im allgemeinen
zustimmen.

Diese Ergebnisse seiner Untersuchungen systematisiert
Gryson wie folgt:

Seit den Anfängen des Christentums spielten Frauen eine
bedeutende Rolle in der Gemeinde. Doch wenn auch Paulus
bezeugt, daß ihn mehrere Frauen bei seiner Arbeit unterstützten
, und auch wenn von Prophetinnen die Rede ist, gibt
es keine Frau, die inmitten der Gemeinde leitende Funktionen
ausgeübt hätte.

Die Nachfolger der Apostel waren - nach Epiphanius von
Salamis - nur Männer, und es hat nie Priesterinnen in der

katholischen Kirche gegeben. Der einzige Dienst, dem sich
die Frauen unterziehen konnten, was das Diakonat': Doch
auch dieses war im Vollsinne erst nach zwei Jahrhunderten
möglich. Vom vierten Jahrhundert an werden die Diakonissen
im Orient - ausgenommen in Ägypten - häufig bezeugt.
Am Anfang des vierten Jahrhunderts ist es deutlich, daß die
Diakonissen keinesfalls zum Klerus gehören, am Ausgang
aber zählen sie dazu. Wie die Kleriker erhalten sie eine Ordination
unter Handauflegung, deren Verleihung an feste
juristische Bestimmungen gebunden ist, z. B. müssen sie
Jungfrauen oder Witwen sein, die nur einmal verheiratet
waren (1 Tim 3,2 u. ö.), und sie sollen ein Mindestalter
- schließlich von vierzig Jahren - haben. Im Abendland ist
es auch im vierten und fünften Jahrhundert nicht gelungen,
das weibliche Diakonat faktisch einzuführen.

Vom Amt der Diakonisse ist der Stand der Witwen zu unterscheiden
, dem, abgesehen vom Recht auf materielle Unterstützung
durch die Gemeinde, je länger desto mehr geistliche
Qualitäten zugewiesen wurden in der Art eines Säkularinstituts
. Als Witwen wurden diese Frauen keinesfalls
ordiniert, sondern lediglich eingeschrieben. Immer mehr
entwickelte sich im Laufe der Zeit in diesem Stande das
asketische Moment. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts
scheint diese Einrichtung dann dem Mönchtum gewichen zu
sein.

Das einzige Amt, das die Frau in der Großkirche ausübte,
war also das des Diakonats. Es gab weder weibliche Bischöfe
noch Priester noch öffentliche Lehrer. Keine Frau taufte
, außer vielleicht in Notfällen, keine spendete die Eucharistie
. Bei häretischen Sekten, besonders bei den Montanisten,
kam so etwas vor. Doch nicht die Sorge, sich von der Häresie
abzuheben, war die Ursache für die Zurückhaltung der katholischen
Kirche. Auch nicht das griechisch-römische Milieu
ist dafür verantwortlich zu machen, iwo die Frau Zugang
zu zahlreichen Priesterämtern hatte, ja dieser ihr mitunter
reserviert war. Die wesentlichen Argumente der Theologen
der Alten Kirche für die Zurückweisung der Frauen stammen
einmal aus der Schrift. Man bezieht sich hier auf Christus
und Paulus, wobei die - wie Vf. meint - judenchristliche
Interpolation von 1 Kor 14,34 eine wesentliche Rolle spielt.
Zum anderen werden die Gründe der Umwelt der jungen
Kirche entnommen, Vf. spricht von Gründen der „Tradition".
Er weist darauf hin, daß für die altkirchlichen Autoren mit
den Begriffen des Redners, Lehrers und Priesters die Vorstellung
einer gleichsam königlichen Macht verknüpft war,
die diese über ihre Hörer, Schüler und die Heilsuchenden
ausübten. Die Frau aber war sowohl nach dem Zeugnis des
Neuen Testaments (1 Kor 11,3) als auch dem des Alten (Gen
3,16) die Schwächere, deren Herr der Mann ist. Zu dieser
Anthropologie passen die wenig liebenswürdigen, aber kennzeichnenden
Verleumdungen, das „Geschlecht der Frauen"
sei „schwach, wankelmütig, leichtsinnig, von mittelmäßiger
Intelligenz, erwähltes Werkzeug des Dämons, der seine
Herrschaft in der Welt einrichten will" (S. 177).

Das gibt dem Vf. die Grundlage, festzustellen, es war vom
Gesichtspunkt der Lehre her unproblematisch, Frauen ein
Amt vom Typ der Diakonisse anzuvertrauen, das durch Jahrhunderte
hin recht angesehen in der Kirche blieb, wenn ihre
Tätigkeit auch faktisch der ihrer männlichen Kollegen nicht
gleichwertig war. Wenn die Einrichtung eines weiblichen
Diakonats allerdings heute Sinn haben solle, müsse es wenigstens
einen anderen Inhalt als damals haben.

Hinsichtlich der Zulassung der Frau zu einem Amt wirklich
priesterlicher Art trägt das nichts aus. Das Hauptproblem
für die katholische Kirche heute ist, daß Christus der
Frau nicht den Predigtauftrag mit apostolischer Vollmacht
gegeben hat, obgleich sich unter den Frauen seiner Umgebung
sicher manche geeignet hätten. Gewiß, seine damalige
Umwelt hätte so etwas vielleicht nicht verkraftet. Und doch
waren Frauen auserwählt als Zeugen der Auferstehung! Vf.
fragt, hat Christus, als er darauf verzichtete, Frauen für alle