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Ausgabe:

1973

Spalte:

586-588

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Prümm, Karl

Titel/Untertitel:

Gnosis an der Wurzel des Christentums? 1973

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

586

Fast ein halbes Jahrhundert nach dem ersten Erscheinen
ist das wichtigste größere Werk, das A. Fridrichsen veröffentlichte
, Le probleme du miracle dans le Christianisme
primitif 1925, nun in englischer Übersetzung erneut und
wohl auch sprachlich einem breiteren Leserkreis zugänglich
gemacht worden. Einer der Übersetzer, R. A. Harrisville,
bringt in seiner Einführung die berechtigte Verwunderung
darüber zum Ausdruck, daß dieses Buch bisher keine Neuauflage
oder Übersetzung ins Deutsche oder Englische erlebt
hatte. Es hat freilich auch ohne das seine Wirkung gehabt.
Dennoch ist es sehr zu begrüßen, daß dieses Buch neu und
m Englisch erschienen ist und damit noch einmal stärker in
das Bewußtsein der Fachwelt treten kann.

F. will bekanntlich nicht die Frage der Faktizität der Wunder
Jesu beantworten und auch nicht die nach der Traditionsgeschichte
der einzelnen Wundergeschichten. Mit Blick auf
die Möglichkeit, durch die Tradition hindurch zum sog.
historischen Jesus zu gelangen, ist er skeptisch. Es geht ihm
um die Erfassung des Glaubens, der sich an Jesus als den
Christus band. Für das Problem des Wunders heißt das:
■ We will confine ourselves to indicating and explaining
general ideas about the miracles to the degree they werc
Presented to the church of the faithful as one of the aspects
of the character and activity of Jesus Christ" (S. 30). Die
Untersuchung konzentriert sich freilich in eine ganz bestimmte
Richtung, nämlich in die, in der die Wunder tatsächlich
'als Problem empfunden werden, sowohl von den
Gegnern -der Gemeinde als auch von dieser selbst. F. verkennt
keineswegs die fundamentale Bedeutung, die die Wunder
positiv für die christliche Verkündigung von Jesus Christus
haben, den Blick aber richtet er darauf, warum und wie
in steigendem Maße die theologische Bedeutung der Wunder
und diese selbst in der frühen Christenheit zurückgedrängt
werden. Zweifellos ist damit eine Linie der urchristlichen
theologischen Entwicklung scharfsichtig erfaßt und fast genial
zu nennend nachgezeichnet. Nur entsteht leicht der Eindruck
, als sei das die entscheidende Linie der Entwicklung,
die von der ältesten Jesustradition her sich konsequent
durchsetzt und folgerichtig in die Alte Kirche einmündet.
Hier dürfte der Punkt sein, wo F. sich als Zeitgenosse erweist
; der Entwicklungsgedanke und die positive Bewertung
der Aufgabe des Wunders als Notwendigkeit des Glaubens
sind die Zeichen dafür.

Vieles, besonders die methodischen Überlegungen, mit
denen F. einsetzt, erscheinen uns heute als fast selbstverständlich
. Man wird dankbar daran erinnert, daß der Vf.
durch seine Arbeit wesentlich dazu beigetragen hat, daß das
so ist. Ein gewichtiger Teil dieser Überlegungen ist aber
auch heute noch bedenkenswert, wie etwa der Satz: „We
must continually consider ... the fact that a union of contra-
dictory ideas, tradition and original, can be found in the
same historical personality" (S. 28). Überhaupt bestechen der
Realismus und die Konsequenz der Gedankenführung, die
sich gerade auf die kritischen Punkte des zu untersuchenden
Gegenstandes konzentriert. Besonders eindrücklich aber ist
die Eigenständigkeit der Fragerichtung. F. untersucht die
theologische Wirkung und Bewältigung eines dem Urchristentum
vorgegebenen und es begleitenden Phänomens, ohne
der Versuchung zu erliegen, in die Untersuchung dieses
Phänomens selbst überzuwechseln. Es zeigt sich, daß auf
diese Weise auch die Geschichte des Phänomens selbst zu
einem wesentlichen Stück erhellt werden kann. In diesem
methodischen Vorgehen dürfte die Anregung der Arbeit
liegen, die am geringsten bisher gewirkt hat und doch fruchtbar
werden könnte, unbeschadet dessen, daß natürlich auch
dahinter bestimmte zeitgenössische geistesgeschichtliche
Voraussetzungen stehen.

Die übersetzte Neuherausgabe des Buches ist zugleich eine
Erinnerung an die große Persönlichkeit seines Vf.s. Das unterstreichen
das Vorwort von K. Stendahl und die Einführung
von R. A. Harrisville. Stendahl würdigt eindrücklich

vor allem den großen Lehrer, Harrisville besonders den wissenschaftlichen
Standort von Fridrichsen. Beide Beigaben
sind wertvolle Bereicherungen des Bandes. Bedauerlich ist
freilich, daß auch diese Ausgabe keinen Index der behandelten
Stellen enthält.

Abschließend stellt sich die Frage, ob der bereits 1954 von
W. Bauer in ZNW 45, 1954, 129, geäußerte Wunsch danach,
„daß mindestens Fr.s Beiträge zur Sprachwissenschaft des
frühen Christentums mit möglichst nachgiebigen Grenzen
.. . gesammelt und mit guten Indices versehen gesondert
herausgegeben würden", nicht noch immer Gültigkeit hat.
Eine solche Herausgabe wäre gewiß ein würdiger Dienst des
Gedenkens für Anton Fridrichsen wie auch ein Dienst an der
Wissenschaft.

Halle/Saale Traugott Holtz

Prümm, Karl, S. J. i Gnosis an der Wurzel des Christentums?

Grundlagenkritik der Entmythologisierung. Salzburg:

Otto Müller [1972]. 720 S. gr. 8°. Lw. DM 70,-.

Der Klappentext dieses umfangreichen Werkes erklärt zu
Recht, die ,Grundlagenkritik' Prümms sei „auf dem Boden
eines ungebrochenen katholischen Kirchen- und Überlieferungsverständnisses
entstanden". Christlicher Glaube ist für
Prümm „wesenhaft ein Fürwahrhalten, das an bestimmte,
ein für allemal festgelegte Inhalte gebunden ist" (S. 149).
Diese Inhalte stammen von dem irdischen Christus selbst,
der die apostolischen Boten unmittelbar mit der Leitungsbefugnis
der Kirche versah. „Die Tatsache der hierarchischen
' Überwachung des Glaubenslebens ist für die Frühkirche
, in der die Apostel noch selbst diese Befugnis ausübten
, aus den neutestamentlichen Quellen unmittelbar zu
greifen" (S. 200). „. . . in der katholischen Kirche besteht von
ihrem Gründer her die Form der .Lehrgesetzlichkeit', (so)
daß alle Theologen und dementsprechend auch der o r d o
der Exegeten nur helfend bei dem von den Bischöfen durch
die Jahrhundertc zu tragenden Glaubenszeugnis und seiner
zeitgerechten Explikation beteiligt sind" (S. 202).

Dementsprechend gilt die gesamte neutestamentliche Überlieferung
„als zu glaubendes Gut" (S. 153), zumal es auch
selbst „in reicher Fülle geschichtlich gesicherte Einzelzeichen,
ausgesprochene Wunder und andere übernatürliche Hinweise
darauf, daß Gott in ihm spricht," enthält (S. 154). Die Evangelisten
sind „zeugenschaftlich sehr gut ausgewiesene Ver-
fasserpersönlichkeit(en)" (S. 352), über die in der altkirchlichen
Tradition zuverlässige Angaben gemacht werden.
Ihre Bücher gehen auf die „katechetische Unterweisung der
frühen Gemeinde" zurück. „Die entscheidenden Stoffent-
würfc geschahen also im urchristlichen Mutterland schon so
früh, daß ein wirksamer Einfluß der damals noch geschlossen
dort arbeitenden Apostel darauf gewährleistet ist"
(S. 362).

Während Mythen „im Gegensatz zu Geschichte und Heilsgeschichte
" stehen (S. 421), handelt es sich bei dem angeblichen
Mythischen des Neuen Testaments um „echte Geschichtstatsache
..., die aber auf außernatürliche göttliche
Verursachung zurückgeht und zugleich den Menschen auf
die Ebene des Übernatürlichen hinaufheben will" (S. 414).
Gott setzt eben - „nicht aus Despotenlaune, sondern auf
Grund überlegter oberster Zielsetzungen" (S. 414) - das
Übernatürliche für seine „hohen Taten" ein.

Das Übernatürliche ist menschlicher äußerer Sinneserfahrung
durchaus nicht gänzlich unzugänglich. Darum darf
man z. B. aus der Tatsache, daß in Lk 1 nicht gesagt wird,
„w i e der Engel, ein unsichtbarer Geist, sichtbar zu werden
und ein Gespräch mit der Jungfrau zu führen vermochte",
nicht schließen, Gott habe nicht „auch ein Mittel der physischen
Ordnung, aber von einer unser Begreifen und namentlich
unsere Erfahrung gänzlich übersteigenden Art ausfindig
zu machen gewußt, um ein sichtbares Erscheinen des