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1973

Kategorie:

Religionswissenschaft

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Neuerscheinungen

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573

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 8

574

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Bernand, Andre: Le Paneion d'El-Kanai's: Les Inscriptions
Grecques. Leiden: Brill 1972. XXII, 180 S., 55 Taf., 3 Pläne
4°. Lw. hfl. 148.-.

Die Bedeutung A. Bernands als eines der größten Epigra-
phiker der Gegenwart wird durch diesen an Vollständigkeit,
Akribie, genialen philologischen Einsichten und historischem
Sachwissen nicht mehr zu übertreffenden Band aufs neue
unterstrichen. Nach den Editionen der Inschriften der Mem-
nonskolosse, der ptolemaischen Inschriften von Philai, der
griechischen Inschriften des westlichen Delta und der Inschriften
der Straße von Koptos nach Kosseir sind hier
neunzig vorwiegend ptolemaische Inschriften des Paneion
von El Kanais vorbildlich ediert und kommentiert.
An dieser Stelle kommt es besonders auf die religionsgeschichtliche
Bedeutung dieser Funde an, doch sollte man die
Schwierigkeiten - zehn Stunden am Tag bei einer Hitze von
50 Grad in von Giftschlangen und Skorpionen wimmelnder
Wüstengegend im Monat August - nicht ganz übersehen, mit
denen es gelang, unter anderem über dreißig noch nie edierte
Inschriften abzuklatschen und die älteren Arbeiten von
Cailliaud (1821), Letronne (1845), Lepsius (1848), W. Schwarz
(1896) und einiger anderer fortzusetzen. Der von Cailliaud
1816 entdeckte Tempel diente von pharaonischer bis in arabische
Zeit ohne Unterbrechung als Kultstätte, aber die Zeit,
in der aus dem Amonheiligtum ein Pantempel wurde, ist
religiös die interessanteste. Man kann die schönen Beschreibungen
Bernands noch dadurch ergänzen, daß man das
Ganze als Glied der eigentümlich polaren Spannungswelt
des Hellenismus sieht: der bukolische Hirtengott hilft und
tröstet auch in der ganz unbukolischen Wüste. Die wertvollen
Bildbeigaben des Bandes lassen etwas von der grandiosen
Polarität ahnen.

Der Edition geht eine ausführliche Entdeckungsgeschichte
voraus, deren besonderer Wert in dem Zitieren der kaum
zugänglichen Originalberichte von Jomard-Cailliaud (doch
muß S. 5 Z. 16 stehen: 1816), Belzoni, Golenischeff, Weigall
und Gauthier liegt.

Sämtliche griechische Inschriften und Graffiti - darunter
auch einige getrennt von den übrigen angebrachte jüdischgriechische
- stammen von Reisenden auf beschwerlicher
und gefährlicher Wüstenfahrt oder von Beamten, Soldaten,
Wächtern dieser Wüstenstation; die meisten sind ausgesprochen
religiös. Die älteste datierbare stammt aus der Zeit
der Arsinoe Philadelphos, (nach 279), die späteste ist nicht
später als aus der Hadrianischen Frühzeit, doch sind Inschriften
der Römerzeit selten. Voran stehen acht metrische
Inschriften, die alle dem Gott Pan in schlichter, aber schöner
Form danken oder ihn um weiteren Schutz bitten. Ein ungeheures
Vertrauen und große Dankbarkeit für Rettung aus
den Händen von Troglodyten und Sabäem oder aus dem
Roten Meer spricht aus ihnen, Pan als Freund und guter
Weggeleiter hilft nicht allein dem Reisenden, auch seinen
Angehörigen und der Heimatstadt. Zu fragen wäre, ob sich
Nr. 8 Z. 9f nicht auf bestimmte Vorgänge in Alexandria
bezieht: dann müßte man vielleicht an die Wirren der Zeit
Ptolemaios' TV. und Arsinoe' III. denken. Es folgen 46 Prosainschriften
der Ptolemäerzeit, alle sind ausführlich kommentiert
. Zu den wichtigsten gehört der Dank des „tektoon"
Dorion für die gesunde Rückkehr von seiner Stationierung
bei einem Elefantenjägercorps. Interessant wäre das Gebet
des Brunnenreinigers Demetrios, wenn Z. 9 richtig gelesen
ist: es könnte dann bedeuten, daß der Beter beklagt, erst
jetzt den Beistand Pans erbeten und erlangt zu haben. Unter
den sechs Inschriften aus der Kaiserzeit ist nur die schon
von Schubart edierte Inschrift des Soldaten Crispinus (datiert
unter Commodus) von religionsgeschichtlichem Interesse
: ihm war im Traum befohlen, das Kultmahl des Herrn
Sarapis zu finanzieren. Warum das aber gerade in diesem

Panheiligtum in der Wüste aufgeschrieben wurde, sagt weder
die Inschrift, noch können es die Herausgeber erklären.
Von den 31 bisher noch nicht edierten Inschriften sind die
meisten Danksagungen für Errettung auf der Fahrt, einige
erwähnen Dankopfer, die die Geretteten dem Gott darbrachten
. Leider ist Nr. 72 nicht eindeutig: der Stifter hat
Pan und Apollon ein Myrrhen- und Weihrauchopfer entzündet
„für seinen Vater", nachdem er wiederholt aus Gefahren
gerettet worden ist. Zum ewigen Gedenken soll das aufgeschrieben
sein. Die Übersetzung „en Souvenir" befriedigt
nicht ganz; möglich wäre, daß die beiden Götter den Opfernden
nie vergessen sollten.

Religionsgeschichtlich von Bedeutung ist der ökumenische
Charakter dieses Pan der Wüste. Es ist hier kein Unterschied
: Makedonen, Griechen aus Argos, Theben, Aigina,
Thessalien, Naupaktos, Kreter, Kleinasiaten aus Perge und
Aspendos, Leute aus Kyrene, Lateiner aus Italien und Spanien
verehren ihn ohne Unterschied, und selbst die Juden
verwenden zwar nicht den Namen, sprechen aber neutral
vom „Gott".

Die etwa 60 Bildtafeln enthalten vorzügliche Wiedergaben
oder Abzeichnungen der Inschriften, die notwendigen Karten
und detaillierte Aufnahmen des Tempels und seiner
Landschaft.

Speyer/Rhein Carl Schneider

Masson, J.: Le chretien devant le Yoga et le Zen (NRTh 94,
1972 S. 384-399).

BIBELWISSENSCHAFT

Corpus Sacrae Scripturae Neerlandicae Medii Aevi. S e r i e s
Ma i or. Tom. II: Novum Testamentum. Vol. I: Bruin, C.
C. de: Novum Testamentum in Linguam Belgicam Meri-
dionalem Versum.l: Evangelia. X, 145 S. 2: Epistulae Pauli,
Epistulae Canonicae, Actus Apostolorum, Apocalypsis Johannis
. XI, 214 S. Leiden: Brill 1971. 4°. Lw. hfl. 31.-, u. 44.-.
Series Minor. I: Harmoniae Evangeliorum. 11 Bruin,
C. C. de: Diatessaron Leodiense. XLII, 312 S., 7 Taf. 2:
Bruin, C. C. de: Diatessaron Haarense. VII, 123 S. 3: Bruin,
C. C. de: Diatessaron Cantabrigiense. VII, 64 S. 4: Gerhardt
, Christoph: Diatessaron Theodiscum. XXII, 180 S.
Tom II: Lectionaria. 1: Bruin, C. C. de: Lectionarium
Amstelodamense. XII, 330 S., 8 Taf. Leiden: Brill 1970.
gr. 8°. Lw. hfl. 48-, 25-, 18.-, 36.-, 48.-.
Die hier anzuzeigende stattliche Reihe von sieben Bänden
vorreformatorischer volkssprachlicher Bibeltexte ist in rascher
Folge in den Jahren 1970 und 1971 erschienen und bildet
den Auftakt eines großen Editionsprogramms, das vor
allem die mittelalterliche Überlieferung der niederländischen
Bibelübersetzung erschließen und für die weitere Erforschung
zugänglich machen soll. Der Begründer dieser Reihe
ist der beste Kenner der traditionsreichen niederländischen
Bibelübersetzung, C. C. de Bruin. E • hat auch die hier angeführten
niederländischen Texte sämtlich herausgegeben j allein
die auf niederländischer Übersetzung beruhende deutsche
Handschriftengruppe, die in dem Diatessaron Theodiscum
(Ser. Min. I, TV) zusammengefaßt worden ist, ist im
Anschluß an eine Hamburger Dissertation von Christoph
Gerhardt herausgegeben.

Die Bedeutung dieses Unternehmens für die Frömmigkeitsgeschichte
, für die Kulturgeschichte und nicht zuletzt
für die Sprachgeschichte bedarf kaum einer besonderen Erläuterung
. Hervorgehoben werden muß jedoch, daß sie
weit über den engeren Bereich des Niederländischen hinausreicht
. In dem größeren Rahmen eines noch weitgehend
einheitlichen Kulturraumes im Mittelalter hat die niederländische
Bibelübersetzung auch die deutsche Übersetzungstradition
nachhaltig beeinflußt. Früh erreichte sie mit dem