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1973

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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551

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

552

Roy A. Harrisville und Lars Thunberg zeigen sich mit
ihren Ausführungen J. A. Sittler in dessen „inzwischen
berühmt gewordenen Referat auf der Vollversammlung des
Weltkirchenrates in New Delhi im Jahre 1961" (so H. 39)
bzw. „in seinem ausgezeichneten Vortrag über das Themj
.Zur Einheit berufen' auf der Vollversammlung in New-
Delhi" (so Th. 68) verpflichtet, der auch selber ausführlich
zu Wort kommt. (Sympathisch ist seine Bemerkung: „Für
viele aus unserer Theologengeneration war die Bewegung
für .Glauben und Kirchenverfassung' eine Art ambulantes
Weiterbildungsinstitut!" - 119.) Er möchte den „verantwort
liehen Versuch" unternehmen, „auf eine neue und umfassende
Weise von der Gnade zu sprechen". Man ist gespannt.
Dann folgen - gewiß notwendige - Auseinandersetzungen
zur „Bedeutung des Begriffes .Gegenwart'" (97-101), zum
„Begriff ,Gnade' in der Bibel" (101-118), zu „Christologie,
Gnade und patristisches Modell" (es handelt sich um Gregor
von Nyssa; 118-125), um dann in den „Versuch einer konstruktiven
Lösung" zu münden, der wiederum die Gestalt
von Prolegomena annimmt, wenn er entfaltet wird als
„1. Die Moderne und ihre Anforderungen an theologische
Formulierungen" (125-127), „2. Der handelnde Mensch und
seine Aufforderung an den Ort und das Ausmaß der Gnade"
(127-133 - hier wird in ausführlichen Zitaten Rahner vorgestellt
), „3. Ethik, Gnade und Wahrheit" (133-137). Die
Quintessenz der Ausführungen scheint mir in den Feststellungen
zu gipfeln: „Christliche Theologie kann nicht
von der Natur auf die Gnade schließen: die Inkarnation
fordert, die Gnade so auf die Natur zu beziehen, daß
Gottes Gegenwart in der Natur nicht grundsätzlich ausge
schlössen ist" (136). Sittlers Beitrag ist reich an bedeutsamen
Andeutungen. Man läse manches gern näher ausgeführt
.

W. H. Lazareth schließlich setzt sich einmal mit der
römisch-katholischen Pastoralkonstitution über die Kirche
in der modernen Welt und zum andern mit dem Bericht
der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft Genf 1966
zu zwei Themen kritisch auseinander: I. Der christliche
Glaube und das soziale Handeln (221-236), II. Der Friede
und die Gemeinschaft der Nationen (236-250). In einem
III. Teil trägt er dann „eine lutherische Theologie der
Politik" vor, von der Überzeugung ausgehend, „daß die
Kirche unserer verwirrten und geängsteten Welt ein
wesentliches Wort zu sagen hat". Neben einer Reihe guter
Beobachtungen und treffender Formulierungen, die allermeist
wohl schon Gemeingut jedenfalls des ökumenisch
engagierten Luthertums sind, finden sich Äußerungen, die
Erstaunen erwecken, weil sie eine restaurative Tendenz
widerspiegeln. So z. B.: „Der Staat braucht die ständige
prophetische Leitung und das Urteil des Gesetzes Gottes, wie
es durch die Kirche verkündigt wird, damit er an seine
weltlichen Grenzen und Möglichkeiten erinnert wird" (255).
Ich frage: Tatsächlich? Ist diese Forderung biblisch begründet
, oder ist sie nicht vielmehr Ausdruck eines Klerikalismus
, den gerade die lutherische Reformation abwies? Oder:
„Wir können zwar Politiker und Staatsmänner .christianisieren
', nicht aber die Politik und den Staat" (255). Ich
frage: Wirklich? Können wir auch nur das erste? Mischen
wir uns da nicht in das fremde Amt des Heiligen Geistes?
Sonst hätten wir doch beispielsweise den Versuch der
.Christianisierung' mit Hitler machen können? - Oder:
..... für Luther war der Klerikalismus der Hauptfeind,
während es für uns der Säkularismus ist. Vereinfacht heißt
das, daß Luther die Kirche wieder unter das Evangelium
Gottes bringen mußte. Wir hingegen müssen den Staat
wieder unter das Gesetz Gottes bringen" (258). Hier frage
ich nicht, sondern hier sage ich ein eindeutiges Nein! Die
Gefahr der Kirche ist heute wie zur Zeit Luthers - heute
nur subtiler und daher bedrohlicher und versuchlicher -
der Klerikalismus. Der Säkularismus hat die Kirche vielleicht
angefochten, aber nicht versucht. Die Predigt der

Buße gebührt aber der Gemeinde, und nicht der Welt, auch
nicht dem Staat. Das Nein in dieser Sache ist genuin
lutherisch und geschieht im Vollzug des Glaubens an die
iustificatio impiorum. Auf einen konfessionellen Kuhhandel
ist hier gar nichts zu geben. - Oder.- Es „sollte sich die
Kirche nicht scheuen, das Gewissen des Staates zu schärfen"
(269). Von allem zur Sache bereits Gesagten abgesehen ist
die notwendige Rückfrage: Hat der Staat ein Gewissen?
Ist es möglich, ein personales Phänomen so unbesehen
einer Institution zuzuschreiben?

Die Kritik besagt nicht, daß allem zur Frage des Atomkrieges
und der Abrüstung Geäußerten keine Zustimmung
gebührte. Das ist ebenso der Fall, wie der vorliegende
Band 2 zu begrüßen ist als eine hoffnungsvolle und eine
Weiterentwicklung zeigende und verheißende Unternehmung
des Strasbourger Instituts.

Berlin Gerhard Baasarak

Bahr, Hans-Eckhard: Wunsch und Wirklichkeit. Gesucht:
Eine spezifisch theologische Friedensforschung (sowie eine
friedenspolitische Praxeologie kirchlichen Handelns) (Internationale
Dialog Zeitschrift 4, 1971 S. 341-352).

Belgum, David: Engagement. St. Louis - London: Concordia
Publishing House (1972). 73 S. kl. 8°. $ -,95.

Cox, Harvey: Abschied vom bürgerlichen Leben. Versuche
mit einem neuen Lebensstil, hrsg. v. R. Reitz. Hamburg;
Furche-Verlag [1972]. 123 S. 8° = Konkretionen. Beiträge
zur Lehre von der handelnden Kirche, hrsg. v. H.-E. Bahr,
14. Kart. DM 16,80.

Hansen, Paul: Newlyweds. St. Louis - London: Concordia
Publishing House [1972]. 80 S. kl. 8°. $ -.95.

Huber, Wolfgang: Friedensforschung und Geschichte (Internationale
Dialog Zeitschrift 4, 1971 S. 291-301).

— Theologische Probleme der Friedensforschung (EvTh 31,
1971 S. 559-575).

Hulme, William: Firstborn. St. Louis - London: Concordia
Publishing House (1972). 79 S. kl. 8°. $ -,95.

Kranz, Gisbert: Liebe und Erkenntnis. Ein Versuch. München
-Salzburg: A. Pustet [1972]. 141 S. 8°. Kart. DM14,80.

Reimer, Hans-Diether: Konfessionsverschiedene Ehe. Eine
Ehe und zwei Kirchen. Informationen und Ratschläge für
konfessionsverschiedene Brautpaare. München: Evang.
Presseverband für Bayern o. J. 33 S. 8°. DM 2,-.

Solms, Friedhelm: Dimensionen des Friedens (Internationale
Dialog Zeitschrift 4, 1971 S. 310-324).

Spaemann, Heinrich: Lazarus heute und der Reiche. Meitin-
gen-Freising: Kyrios Verlag [1972]. 23 S. kl. 8° Mei-
tinger Kleimschriften, 20. Kart. DM 2,50.

Trebs, Herbert: Über Evangelium und Situation (Standpunkt
. Evangelische Monatsschrift 1, 1973 S. 63-65).

KIRCHENRECHT

Wolf, Uvo Andreas: Ius Divinum. Erwägungen zur Reehts
geschichte und Rechtsgestaltung. München: Claudius-Verlag
[1970]. 230 S. gr. 8° - Ius ecclesiasticum. Beiträge
zum evangelischen Kirchenrecht und zum Staatskirchenrecht
. Herausgegeb. v. A. v. Campenhausen, M. Heckel,
Kl. Obermeyer, G. A. Vischer, R. Weeber, 11. Kart.
DM 28,-.

Im evangelischen Kirchenrecht ist der Begriff des ius
divinum (i. d.) lange Zeit verpönt gewesen, weil im historischen
Rechtspositivismus die geschichtliche und soziologische
Bedingtheit des Kirchenrechts erkannt war und weil
zudem ein empirisch wirksames Gottesrecht das Wesen der
Kirche als einer „Geistkirche" zu einer „Rechtskirche" verfälsche
(G. Holstein). Der Begriff wurde als ihr typischer
Ausdruck der katholischen Kirchenrechtslehre überlassen:
1934 hat E. Rösser in der letzten grundlegenden Monographie
über „göttliches und menschliches, unveränderliches
und veränderliches Kirchenrecht von der Entstehung der
Kirche bis zur Mitte des neunten Jahrhunderts" das i. d.
„im Glauben an das von Gott gestiftete, hierarchisch geordnete
, göttlich-rechtliche Lehramt verwurzelt" erklärt. Nun