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1973

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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549

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

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Die folgenden Bemerkungen mögen als Bitte an den
Autor gewertet werden, und zwar im Namen jener Leser,
denen Scholastik kaum oder gar nicht vertraut ist. Der
Text des Buches bringt, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen
, (velleitas, intentio) keine lateinischen Fachworte
oder gar Sätze. Der Vf. hat die Texte, deren originalen
Wortlaut er in den Anmerkungen bringt, stets verdeutscht.
Dennoch dürften Sprachbarrieren und damit Verstehens-
schwierigkeiten bleiben. Auf den verschiedenen Bedeutungsgehalt
von »Wille" und „voluntas" wurde bereits hingewiesen
. Ähnliche Probleme liegen vor für die Übersetzungen
von „causa" mit „Ursache", „finis" mit „Ziel", „motus" mit
„Bewegung". Vom gängigen Wortgebrauch her ist der
thomanische Substanzbegriff allzu leicht schweren Mißverständnissen
ausgesetzt. Nicht unerhebliche Schwierigkeiten
dürften ebenfalls bestehen, wenn etwa ohne gründlichere
Erklärungen von der „ontologischen Wahrheit" (126) oder
vom „Guten als Seiendem" (190) gesprochen wird. Unsere
Bitte an den Autor im Hinblick auf jene Leser, denen die
Scholastik zunächst fremd ist, wäre also diese, auf Besonderheiten
des Sprachgebrauchs ausdrücklich hinzuweisen
sowie (evtl. in Exkursen) schwierige Doktrinen, die im
Gang der Untersuchungen einbezogen werden, eigens zu
erläutern.

Zum Schluß sei eine personliche Bemerkung gestatte!:
Aus dem Buch von R. durfte der Rezensent nach einer
mehr als dreißigjährigen Beschäftigung mit der Metaphysik
des Aquinaten wirklich Wesentliches lernen.

Walberberg D. Schlüter

Habgood, John: They Changed Our Thinking: I. Darwin

(1809-1882) and After (ET 84, 1973 S. 100-105).
Metz, Wulf: Christologie bei Immanuel Kant? (ThZ 27,
1971 S. 325-346).

ETHIK

Vajta, Vilmos [Hrsg.].- Das Evangelium und die Bestimmung
des Menschen. Gottes Heilshandeln und die gesellschaftliche
Verantwortung des Menschen. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht [1972). 275 S. 8° = Evangelium
und Geschichte. In Zusammenarb. m. G. Gassmann, M.
Lienhard, H. Meyer, W. A. Quanbeck, M. Rogness u.
G. Siegwalt hrsg. v. V. Vajta, 2. Kart. DM 28,-.
Der 2. Band der Reihe „Evangelium und Geschichte" als
Frucht der Arbeit des Instituts für ökumenische Forschung
in Strasbourg/Frankreich, liegt hier vor, deren erster Band
„Evangelium und Einheit" in ThLZ 97, 1972 Sp. 549 ff rezensiert
ist. Um es voraus zu sagen: Es besteht dem ersten
Band gegenüber der Eindruck gesteigerter Qualität, so dal'j
man auf die Fortsetzung des Projekts gespannt sein darf.

Im Vorwort bezeichnen die Herausgeber den Titel des
Bandes als ein „theologisches und ökumenisches Grundproblem
". Es wird wiederum in zwei Teilen und diesmal
sieben Kapiteln behandelt. Im ersten Teil (Gottes Handeln
in Schöpfung und Geschichte) schreiben (I) Claus Westermann
über „Gottes Handeln in Schöpfung und Geschichte
im Alten Testament", (II) Roy Harrisville über „Der kos
mische Christus im Neuen Testament", (III) Lars Thunberg
über „Die kosmologische und anthropologische Bedeutung
des Erlösungswerkes Christi" und (IV) Joseph Sittler über
.Gegenwart und Wirken des dreieinigen Gottes in Schöpfung
und Geschichte". Den zweiten Teil (Des Menschen
Handeln in Schöpfung und Geschichte) bestreiten (V) Wilhelm
Dantine mit .Die dialogische Existenz des Menschen",
(VI) Gyula Nagy mit „Der Mensch als verantwortlicher
Mitarbeiter Gottes in einer dynamischen Weif und (VII)
William Lazareth mit „Politische Verantwortung aus Glaubensgehorsam
". Drei Beiträge kommen aus den USA:
Harrisville lehrt Neues Testament am Lutheran Theological

Seminary St. Paul (Minn.), Lazareth Systematik am Lutheran
Theological Seminary Philadelphia (Pa.), Sittler Ethik an
der Theol. Fakultät der Universität Chicago (DL); je ein
Beitrag aus der BRD (Westermann/Heidelberg), aus Österreich
(Dantine/Wien), aus Schweden (Thunberg/Uppsala/Sig-
tuna) und aus Ungarn (Nagy/Budapest, zur Zeit tätig im
Stab des Luth. Weltbundes in Genf).

Cl. Westermann korrigiert abendländische Theologie,
deren abstrakter Schöpfungsbegriff „vom biblischen Reden
weit entfernt" sei (13). Das Alte Testament kenne keinen
Schöpfungsglauben. „Daß Welt und Mensch von Gott geschaffen
" sind, sei vielmehr „so etwas wie eine Denkvor
aussetzung" (18). So gäbe es eigentlich „auch keine scharfe
Scheidung zwischen Natur und Geschichte" (24). Ebenso
unterscheide der Begriff „Heilsgeschichte" zu wenig „zwi
sehen Gottes Rettungshandeln und seinem Segenshandeln"
(35). Hiermit verweist W. auf sein Buch „Der Segen in der
Bibel und im Handeln der Kirche" 1968.

W. Dantine bedauert, daß „Dialog" zwischen Modetorheit
und Faszination zu einem Schlagwort geworden sei, für
das „feste Definitionen ... noch nicht zu erwarten" seien
(144 f). Ähnliches Schicksal drohe dem Begriff „Anthropologie
" (148). Unbestreitbar sei „Sprache ... wesentliche ...
Funktion des Menschseins überhaupt" (155), aber vielleicht
sei „Dialog ... handliches Instrument zur Lösung zwischenmenschlicher
Probleme, aber untauglich zur Wahrheitserkenntnis
selbst und unmittelbar" (161). D. knüpft an
Michel Theunissens (Der Andere. Studien zur Sozialonto-
logie der Gegenwart, Berlin 1965) schöne Formulierung
„.Theologie' des Zwischen" für Martin Bubers Dialogik an
(163 ff) und kommt dann aber vielleicht doch zu rasch zu
dem Ergebnis, „daß der Glaube im konkreten Selbstvollzug
vom Dialog Gottes mit dem Menschen" lebe (174). Knappe
Ausblicke auf den Dialog „mit den .Fremdreligionen" und
„mit dem Atheismus" (176.179), an dem die Partner sich oft
weniger interessiert zeigen als die Christen, beschließen
den inhaltlich reichen Beitrag.

G. Nagy weist in seinem lesenswerten Expose auf die
für das Thema unentbehrliche Arbeit von M. Seils „Der
Gedanke vom Zusammenwirken Gottes und des Menschen
in Luthers Theologie. Berlin 1962" hin. Er zitiert Luthers
„De servo arbitrio", wo der Synergismus nur für zwei Akte
abgewiesen wird: für die Schöpfung aus dem Nichts und
die Rechtfertigung, die Neuschaffung ebenfalls aus dem
Nichts (186). Die Frage nach der Mitarbeit mit Gott zieht
N. aus zur Frage nach der verantwortlichen Zusammenarbeit
zwischen Christen und NichtChristen. Hier kommt es
zu dem Fazit: „Das Gemeinsame mit NichtChristen ist ...
der objektive Dienstcharakter dieser Werke, die verborgene
Kooperation in Gottes Weltherrschaft. Das Unterschiedliche
ist aber ihr innerer Glaubenscharakter, die bewußte und
verantwortliche Mitarbeit mit dem Wirken Gottes: die
.Vollgestalt der Kooperation" (210). Eine Korrektur würde
ich zu der Anmerkung über die „DC-Theologie" (S. 195)
wünschen. Man wird kaum sagen können, es sei »ihr tragischer
Fehler gewesen, der nie wiederholt werden darf",
nämlich „die Geschichte und das Völkerleben zu einer
selbständigen Offenbarungsquelle neben dem geoffenbarten
Gesetz und Evangelium machen (zu) wollen, die beiden
.Regimente' also (zu zerreißen)". Gewiß war dieses einer
der Fehler der DC, doch die Kategorie „tragisch" ist hier
kaum anwendbar. Schließlich möchte ich die Frage anmelden
, ob N. hier nicht zu unkritisch eine Forderung H.-D.
Wendlands übernimmt - und damit dem anderen „tragischen
Fehler" - nämlich der Vermischung der beiden
Regimente - erliegt, wenn er (S. 213) schreibt: „Dem Prinzip
der .ecclesia Semper reformanda' ist das Prinzip der
,societas Semper reformanda' zu verbinden". Man sollte die
Reformation doch Sache der Kirche bleiben lassen, auch
schon aus der fatalen Erkenntnis heraus, das die Sozial
reformer im Revisionismus zu enden pflegen.