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Ausgabe: | 1973 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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rechtgläubiger Theologen, das Verhältnis zum Rationalismus
und zur Neologic sowie die Schaffung und Verbreitung
eines geeigneten geistlichen Schrifttums bilden die wichtigsten
der in den Briefen behandelten Gegenstände. Die
Korrespondenz mit religiös Gleichgesinnten weckt weithin
lin Verbundenheitsgefühl, das den Gedankenreichtum und
die gegenseitige Hilfsbereitschaft in erstaunlichem Mafjc
anregt. Von da aus vermag die Begegnung mit den von
Staehelin ausgewählten Quellen unser Bild von der Kirchengeschichte
dieses Zeitraums beträchtlich zu vertiefen.
Wie die Korrespondenz zeigt, geht der direkte Vorschlag
zur Gründung der Christentumsgesellschaft wahrscheinlich
auf den Berliner Konsistorialrat Johann Esaias Silberschlag
zurück, den Urlspcrger in Berlin besucht hatte. Zu dem
Kreis der frühesten Korrespondenten gehörte auch Philipp
Matthäus Hahn, der sich freilich später über Urlsperger
kritisch äufjerte. Schon 1780 wird Württemberg als ein
.Hauptsitz der Frommen" bezeichnet. Daneben aber erweist
sich auch Berlin als wichtiges Zentrum, wo seit 1792 der
Prediger der Böhmisch-Lutherischen Bethlehemsgemendc
Johannes Jänicke im Geiste der Bewegung wirkt. Unter
den namhaften Korrespondenten der Gesellschaft ist weiterhin
der geistliche Dichter Christoph Carl Ludwig von Pfeil
zu nennen, der eine seiner Liedersammlungen den Mitgliedern
der Christentumsgesellschaft gewidmet hat. Wäh
rend Friedrich Nicolai die Gesellschaft als eine „protestan
tische Jesuitengesellschaft" verspottete und sich Johann
Salomo Semler skeptisch über sie äufjerte, sprach sich Gottlieb
Jakob Planck zuversichtlicher über sie aus, wobei er
freilich an der Orthodoxie der Gesellschaft zweifelte. Die
französische Revolution taucht mit ihren politischen Nachwirkungen
mehrfach in den Briefen auf. Von dem Vorwurf
des „Pietismus", der gelegentlich gegen die Gesellschaft
erhoben wurde, grenzte sich auch Johann Heinrich Jung
Stilling ab. Er verstand unter dem Wort „Pietist" den
.selbstgerechten Mystiker", von dem sich der wahre Christ
durch echte Frömmigkeit unterscheidet. Mit Johann Caspar
Lavater gehört Jung-Stilling zu den bedeutendsten Briefpartnern
der Gesellschaft, der die Christentumsgescllschaft
1799 für seinen Plan der Gründung einer geistlichen hohen
Schule zu gewinnen suchte, in der „die wahre christliche
und evangelische Gottesgelehrtheit nach der Lehre Christi
und seiner Apostel rein und lauter vorgetragen wird". Dieser
Plan fand freilich keine Verwirklichung. Dafür wurde
in Basel in unmittelbarem Anschluß an die 1804 in London
gegründete „Britische und ausländische Bibelgesellschaft"
die „Basler Bibelgesellschaft" konstituiert.
Die inhaltliche Fülle des erschlossenen Materials macht
die von Staehelin vorzüglich ausgewählte Qucllcnsamm-
lung zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für das Studium
der neueren Kirchengeschichte!
Mnrburc Winfried Zeller
Guarda, Gabriel: Notas sobre el apostolado seglar en
America espanola en los siglos XVI-XIX (Teologia y
Vida 13, 1972 S. 66- 78).
Herbstrith, Waltraud (Teresia a Matre Dei OCD): Edith
Stein. Meitingen-Freising: Kyrics-Verlag [1972]. 55 S. 8°
Theologie und Leben, 12. Kart. DM 5,-.
Krahl, Wolfgang: Döllinger als Altkatholik (IKZ 62, 1972
S. 219- 230).
Trautwein, Joachim: Religiosität und Sozialstruktur. Untersucht
anhand der Entwicklung des württembergischen
Pietismus. Stuttgart: Calwer Verlag [1972). 71 S. 8° =
Calwer Hefte zur Förderung biblischen Glaubens und
christlichen Lebens, hrsg. v. G. Hennig, 123. DM 2,90.
Wehr. Gerhard: Friedrich Rittelmeyer im Dienst religiöser
Erneuerung (FrChr 25, 1973 Sp. 175-180).
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PHILOSOPHIE UND
RELIGIONSPHILOSOPHIE
Raiser, Konrad: Identität und Sozialität. George Herbert
Meads Theorie der Interaktion und ihre Bedeutung für
die theologische Anthropologie. München: Kaiser; Mainz:
Matthias-Grünewald-Verlag [1971). 215 S. 8° = Gesellschaft
und Theologie. Abt. Sozialwissenschaftl. Analysen,
hrsg. v. D. Goldschmidt, O. Schreuder, T. Strohm u.
L. Vaskovics. Unter Mitarb. v. J. M. Lochman, T. Luck-
mann, T. Rendtorff u. W. Zapf, 4. Kart. DM 16,50.
Raiser verdankt die Anstöfje zu dieser Arbeit einem
Studienaufenthalt in den USA. Das Buch ist ein „Gesprächsexperiment
" mit der amerikanischen Philosophie des
Pragmatismus. Als Paradigma verwendet es den von G. H.
Mead entfalteten Begriff der „sozialen Interaktion" mit
seinen polaren Aspekten Identität und Sozialität.
Die Arbeit ist in acht Kapitel gegliedert. An dieser Stelle
sollen ausführlicher die Kapitel I und VIII besprochen werden
. II-VII hat der Vf. im Referat über seine hier zugrunde
liegende Dissertation bereits selbst in der ThLZ 95, 1970
Sp. 953 f vorgestellt.
I. Zur Problematik einer theologischen Anthropologie
(13-29). Die gegenwärtige theologische Diskussion in der
Bundesrepublik deutet Raiser als Ausdruck einer umfassenden
Krise christlicher Weltorientierung. Tragende Begriffe
entsprechen heutigen Erfahrungen nicht mehr. So müsse
die Theologie hinsichtlich ihrer bisherigen Alternativen
(Substanz - Relation, personal - objektiv, offenbarungstheologisch
- philosophisch) nach neuer Sprache und neuem
„Grundmodell" suchen. Die theologische Anthropologie
habe dabei vordringlich die soziale Dimension der menschlichen
Existenz zu thematisieren. Die spezielle Theologie
müsse die Fragestellung der „natürlichen Theologie" jenseits
des Gegensatzes zur Offenbarungstheologie derart
wieder einholen, dafj sie die gesellschaftliche Wirklichkeit
als den Sprachraum beschreiben könne, in dem der Gebrauch
des Wortes „Gott" sinnvoll sei (so mit M. Honecker,
19). „Soziale Interaktion" scheint dem Vf. ein mögliches
Grundmodell menschlicher Wirklichkeitserfahrung überhaupt
zu sein, das theologisch durchdacht werden solle. Mit
den Begründern dieser Theorie, den amerikanischen Psy
chologen Baldwin, Cooley, Thomas und den Philosophen
James, Dewey und Mead wird unter Interaktion „allgemein
die wechselseitige Beeinflussung des Verhaltens von
zwei oder mehr Handlungspartnern verstanden, besonders
alle durch sprachliche Symbole vermittelte soziale Wechselwirkung
" (24). Den Unterschied zu deutscher idealistischer
Philosophie und Soziologie sieht Raiser im empirischen Ansatz
der Interaktionstheorie, zu deren Voraussetzungen
kontrollierte Beobachtung alltäglicher Erfahrung, das
Interesse am offenen Prozefjcharakter sozialen Handelns,
der ontogenetische Vorrang der Gesellschaft vor dem
Individuum und die grundlegende Behauptung gehören,
daf} der Mensch auf seine Umwelt niemals nur reagiere,
sondern sie interpretiere.
Dem neuerlichen „Methodenstreit" in der Theologie
steuert Raiser die These bei, die traditionelle Theologie sei
von der weithin empiriefeindlichen deutschen Philosophie
abhängig. Theologie müsse zwar grundsätzlich unterschieden
von allen empirischen Wissenschaften bleiben, da
sie es nicht mit partikulären Daten, Erfahrungen oder
Ereignissen zu tun habe, „sondern mit dem, was aller möglichen
Erfahrung zugrunde liegt" (21). Während die Philo
sophie aber die Voraussetzungen der Wissenschaften reflektiere
, müsse die Theologie bezogen bleiben auf di;
unmittelbare religiöse Erfahrung von der den Menschen
umgebenden Wirklichkeit im ganzen, „sofern diese Erfahrung
durch die Symbole des christlichen Glaubens interpretiert
ist" (22). Während Philosophie es mit der objekti-
Theologische Litcraturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7