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Ausgabe:

1973

Spalte:

529-532

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Green, Michael

Titel/Untertitel:

Evangelism in the early church 1973

Rezensent:

Bammel, Ernst

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529

Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

530

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

reen, Michael: Evangelism in the Early Church. London:
Hoddcr and Stoughton [1970). 349 S., 9 Taf. 8°. 45 s.

Kühn ist der Versuch des Vf.s, eine Darstellung zu
wagen, die zuvor von der Meisterhand Harnacks unternommen
worden war. Maßstäbe sind durch Harnacks Werk
(das nur in der englischen Ausgabe von 1904 bzw. 1908
zitiert wird, obwohl doch die überarbeitete Ausgabe letzter
Hand bequem im Neudruck zugänglich ist) gesetzt, die man
ficht außer acht lassen sollte. Freilich gilt es, daß niemand
in unserer Generation denselben auch nur einigermaßen
gerecht zu werden in der Lage wäre. So wird man, da nun
einmal, mit Recht oder Unrecht, der Versuch unternommen
worden ist, mit Fug davon absehen, Greens Darstellung mit
derjenigen Harnacks zu vergleichen, so wenig freilich Gr.
selbst das eigene Werk damit zureichend rechtfertigt, daß
er im Vorwort auf die Harnack überholenden „bedeutsa
men Beiträge" von C. H. Dodd und R. Allen verweist.

Die Darstellung unterscheidet sich auch von der Harnack-
schen. Nicht die ganze Entwicklung der vorkonstantinischen
Zeit wird vom Vf. behandelt, vielmehr reichen seine Belegstellen
selten über den Anfang des 3. Jh.s hinaus; de facto
konzentriert er sich auf die apostolische und nachaposto
lische Zeit. Er zeigt geringes Interesse an der Beschreibung
der christlichen Gemeinden als solchen (wozu in Weiter-
'ührung der v. Dobschützschen Forschungen viel zu sagen
wäre). Statt dessen richtet sich sein Hauptaugenmerk auf
das Kerygma selbst, beschreibt Gr. es in seiner Darbietung
Juden und Griechen gegenüber, verweilt er in längeren
Ausführungen bei den Voraussetzungen fördernder wie hindernder
Art, auf die die Missionspredigt traf, beschreibt er,
sich von Nock absetzend, das Phänomen der Bekehrung,
kennzeichnet er die Missionsträger, um dann mit besonderer
Aufmerksamkeit sich dem missionarischen Wollen,
dem Arbeitsziel und -stil zuzuwenden. Das alles ist frisch
und zügig geschrieben (wenngleich der Leser durch die
Plakathaften Untertitel im Text, aber auch Textstellen wie
auf S. 108 f gestört wird). Dennoch ergeben sich eine Vielzahl
von Fragen, von denen einige angeführt sein mögen.

1) Man erfährt allzu wenig über die jüdische Missionstätigkeit
, über die es doch ein umfangreiches Schrifttum
9'bt (allerdings auch die eine Missionstätigkeit verneinende
These S. Aalens, die Begriffe Licht und Finsternis 1951
S. 202-232), die sehr weitgreifend gewesen sein muß, dem
Urchristentum den Weg bereitet und die Formen seines
missionarischen Wirkens bestimmt haben wird. Wenn der
bloße Wortgottesdienst schon jüdisch war, wie die Bezeichnungen
Ttpooeuxil (fast singulär; Ausnahme Inscr. Graecae
1 V.l [ed. mind.] n. 106 Z. 27; Epidauros 4. Jh.) und auvaYWYH
mit Sicherheit erkennen lassen, dann läßt sich von da aus
eine feste und direkte Linie gerade zu einer evangelistisch
verstandenen christlichen Werbung ziehen. Gewiß, der Vf.
zitiert Harnacks berühmtes Wort von der christlichen als der
Fortsetzung der jüdischen Mission (er setzt die Betonung anders
; S. 28). Aber dann hätte es nahe gelegen, aufzuzeigen,
wieso die christliche Mission durch das Faktum Jesus Christus
m andere Bahnen gelenkt worden ist Auch die Wechselwirkungen
der beiden Missionsbewegungen harren der Bearbeitung
. Das Auf und Ab der ersten beiden Jahrhunderte,
in denen das Christentum die Früchte jüdischer Arbeit
erntete, dann das Judentum als religio licita der Fluchtort
für der Verfolgung entweichende Christen (Hebräerbrief!)
Wurde und schließlich doch die junge Religion der älteren
Schwester breite Schichten von Proselyten entriß, aufzuzeigen
, dies wäre eine auf einen großen Historiker wartende
Aufgabe

Zudem: die Werbeanstengungen anderer Religionen -
Joh. Leipoldt hat mit Recht auf die dionysische und isische
Parallele zur urchristlichen Mission hingewiesen (Dionysos
1931 S. 1-48) - hätten zum Vergleich herangezogen werden
müssen. Es wäre dies keine zu schwere Aufgabe gewesen
, nachdem z. B. in L. Vidman, Sylloge Inscriptionum
religionis Isicae et Sarapicae Bin 1969 für einen Bereich J
eine Sammlung wichtigen Materials vorliegt.

2) Die Frage nach Jesu eigener Einstellung zur nicht
jüdischen Welt wird nur ganz im Fluge behandelt. Nachdem
jüngstens das Menschenfischerwort eine mehrfache
Behandlung erfahren hat (Wilh. H. Wüllner, The Meaning
of "Fishers of Men", Philadelphia 1967; R. Pesch, Der
reiche Fischfang, Düsseldorf 1969) hätten diese Arbeiten aU
Ansatzpunkt für weitere Überlegungen dienen können. Die
Frage, ob und in welcher Weise überhaupt Jesu Wirksam
keit als „Verkündigung" zu kennzeichnen ist, bedürfte der
Untersuchung. Die Ausbreitung der Bedeutung von unpuaaw
und ciotyyeil^oxtx.i - in welch letzterem Falle sich der
Vf. der von Schniewind begründeten, von Friedrich ausgebauten
und von Stuhlmacher mit einigen Nachträgen versehenen
These anschließt - führt da nicht viel weiter.
Ob es angeht, die Frage der Echtheit von Jesusworten in
der S. 291 A. 43 geschehenen Weise zu umgehen? So begrüßenswert
die Bestrebungen des Vf.s sind, die neutesta-
mentliche Botschaft als eine Einheit zu begreifen: es ist
dies doch erst dann möglich, wenn zuvor die verschiedenen
Stränge präpariert worden sind. Gewiß, der Vf. ist
dem an sich nicht abgeneigt, wie seine Ablehnung der
Theorie von einer festen Glaubensformel (S. 61) und seine
interessante Betrachtung der Reden der Apostelgeschichte
(S. 66-70) beweisen. Aber das müßte bestimmter durchgeführt
werden.

3) Der Vf. sieht den Weg zu den Heiden als etwas fast
Selbstverständliches: „darüber gab es nicht viel Verschie
denheit der Meinungen' (S. 112). Ist dem wirklich so?
Man braucht bloß an die Baconsche These zu erinnern, um
das Problem aufzuzeigen. Ist es dann aber möglich, von
einer apostolischen Mission schlechthin zu sprechen, ohne
die verschiedenen Strömungen ins Auge zu fassen? Wie
steht es mit dem Stephanuskreis? Wie um die Rolle des
Petrus? Und: geht es ohne eine Analyse von Gal 1,15 ff,
wenn die paulinische Mission dargestellt wird? Die Frage,
wie es zur Mission kam und wer der Erstmissionar war,
hat in jüngster Zeit mehrere Bearbeitungen gefunden, von
denen nur F. Hahn, nicht aber z. B. G. Schille (Die urchristliche
Kollegialmission 1967) oder H. Kasting (Die Anfänge
der urchristlichen Mission 1969) erwähnt werden. Gewiß
hat sich aus diesen Bemühungen noch lange kein einheitliches
Bild ergeben, das in einer größeren Zusammenschau
leicht eingezeichnet werden könnte. Es wäre darum verständlich
, wenn der Vf. im Text selbst nicht auf diese
Theorien Bezug nähme. Aber es möchte doch vom Leser
begrüßt werden, wenn eine Kenntnis der aufgeworfenen
Fragen in den Anmerkungen erkennbar geworden wäre.
Dasselbe gilt für die durch J. Roloff (Apostolat-Verkündi-
gung-Kirche 1965) im Sinne Rengstorfs weiterverfolgte und
durch G. Klein und W. Schmithals recht radikal beantwortete
Frage nach dem Ursprung des Apostolats oder das von
E. Käsemann in den Vordergrund geschobene Amt des
urchristlichen Propheten. Die Träger der verschiedenen
„Ämter" wie die durch unterschiedlichen Hintergrund bestimmten
Gemeinden (darüber Wichtiges in R. Gyllenbergs
Beitrag zur Bultmann-Festschrift 1954) dürften von Anfang
an ein ungleiches Kerygma verkündet haben. Der Vf. geht
insoweit darauf ein, als er dem Prozeß des Übersetzens
des Evangeliums, wie es sich insbesondere in Antiochien
anbahnte, seine Aufmerksamkeit schenkt (S. 112 ff) und das
heikle Problem des Frühkatholizismus (allerdings nur für
das nachapostolische Zeitalter) erörtert (S. 138 ff). Wäre hier
indes nicht viel genauer zu fragen?

Mit Überraschung sieht man, daß das grundlegende
Werk von Albrecht Oepke (Die Missionspredigt des Apostels
Paulus, 1920) 50 Jahre nach seinem Erscheinen noch nicht
bekannt war. In dieser Untersuchung wird zum ersten Mal