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Ausgabe:

1973

Spalte:

522-523

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sampley, J. Paul

Titel/Untertitel:

"And the two shall become one flesh" 1973

Rezensent:

Schnackenburg, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

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Im folgenden Kapitel (c. III: Jesus Christus, Gottes Weisheit
und Gottes Sohn; S. 62-97) untersucht Vf. die Texte
Mt 23,37-39 par. Lk 13,34-35 (die Klage über Jerusalem);
er vermutet unter Berufung auf Sir 24 und Prov 8, dar]
eine ursprüngliche Weisheitstradition im Hintergrund steht,
die in der matthäischen Auslegung Jesus als der inkar-
nierten Weisheit in den Mund gelegt wurde (S. 64 ff).
Ferner wird der Abschnitt Mt 11,25-30 par. Lk 10-21-22
analysiert. Hier bringt Vf. gute Gründe für die Ansicht,
daß Vv. 28- 30 durch den Redaktor Matthäus sekundär eingefügt
wurden. Was die voraufgehenden Vv. 25-27 betrifft,
so seien diese nicht der formgeschichtlichen Gattung der
Danksagungshymnen zuzuweisen, sondern sie könnten
»einer jeden gottesdienstlichen Form, in der Danksagung
für Offenbarung angemessen ist", zugehören (S. 82). Eine
Untersuchung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes zu
Vv. 25 f. erhebt 4 Esra 8, 51 f. 61 f. als Parallele, und der
Vergleich mit 1 Kor 1,18 -20. 26-29 führt zu der Behauptung
: Wie schon Harnack vermutete, war Paulus der Hymnus
Mt 11, 25 f. bekannt (S. 86). Dem entspricht die weisheitliche
Aussagerichtung von Mt 11,28-30 (vgl. Sir 51,
26 f). Wieder ergibt sich, daß Matthäus Jesus mit der Person
gewordenen Weisheit identifiziert (S. 97).

Das letzte Kapitel (c. IV: Weisheit und Gesetz im
Matthäus-Evangelium; S. 98-127) ist ausdrücklich der im
Thema des Buches angedeuteten Problemstellung gewidmet,
der matthäischen Auslegung der Weisheitsüberlieferung. So
geschieht es zunächst durch eine ausführlichere Darstellung
des jüdisch-literarischen Hintergrundes, besonders in Beziehung
auf Mt 11, 28-30. Daß Jesus zur Übernahme „seines
Joches* auffordert, bedeutet nichts anderes als di"
Mahnung, das Joch der Sophia, also die Tora, zu übernehmen
(S. 100 ff.), so dafj das „leichtere Joch" Jesu mit
den Forderungen des Gesetzes nicht im Widerspruch steht
(S. 108). Es ist klar, dafj von hier aus auch Form und
Inhalt der Lehre Jesu, wie sie im Matthäus-Evangelium
reflektiert ist, gesehen werden müssen; so insbesondere
die Antithesen der Bergpredigt, deren Formung insgesamt
~ allerdings ohne in diesem Zusammenhang die inhaltlichen
Unterschiede zu diskutieren - Matthäus zugeschrieben
werden (S. 110 f.), wie denn auch die Gegenüberstellung
des „Ihr habt gehört" und des „Ich aber sage euch" nicht
aus rabbinischen Quellen abgeleitet werden könne (S. 111 f.).
Entsprechend der Abschnitt Mt 5,17-20, der von der
Unvergänglichkeit des Gesetzes handelt, dessen Erfüllungsaussage
auf das Tun der Gesetzesforderungen (so nach
3,15; 7,12; 22, 40 doch das Wahrscheinlichere) oder auf das
Eintreffen der messianischen Weissagungen (hierzu wird auf
11,13 verwiesen - so kommt es jedoch nur als Sach-
Parallele in Betracht) bezogen werden kann, jedenfalls der
Identifizierung von Christus und Weisheit Gottes nicht entgegensteht
(S. 120). Durch die Untersuchung von Mt 28,
18-20. 16,17-19 und 23,13 versucht Vf. schließlich zu
zeigen, dafj auch das Jüngerbild des Matthäus-Evangeliums
von der beschriebenen Tendenz bestimmt ist und die Jünger
Jesu als die Repräsentanten der Tora und die Propheten
der Weisheit dargestellt sind (5. 120 ff.).

Diese in der Erhebung der exegetischen Einzelprobleme
wie auch einer übergreifenden Gesamtschau sorgfältig angelegte
und durchgeführte Untersuchung hat die Verbindungslinien
zwischen der jüdischen Weisheitsüberlieferung
und der Theologie des Matthäus-Evangeliums überzeugend
aufgewiesen. Wenn solche Parallelen auch nicht quantitativ
>m Matthäus-Evangelium hervortreten, so leisten sie doch
einen nicht unerheblichen Beitrag zur matthäischen Christo-
'°gie, wie Vf. zu Recht betont. Mögen auch insbesondere
Fragen des weiteren traditionsgeschichtlichen Hintergrundes
(etwa der notwendigen Unterscheidung zwischen Weisheits-
mythos und weisheitlicher Überlieferung und damit auch
des Problems, ob Matthäus bewußt eine mythologisch
interpretierte Weisheitsvorstellung voraussetzt) noch weiterer
Klärung bedürfen, so ist Vf. sich doch dieser Grenzen
seiner These durchaus bewußt. Auch, daß sein Buch neben
dem detailliert begründeten Aufweis der vormatthäischen
und der matthäischen Weisheitstradition eine kenntnisreiche
Einführung in die gegenwärtige Diskussionsgrundlage bietet
, empfiehlt es der besonderen Aufmerksamkeit der
künftigen Forschung.

Güttingen Geore Strecker

Sanipley, J. Paul: 'And the Two Shall Become one Flesh'.
A Study of Traditions in Ephesians 5:21-33. London:
Cambridge University Press 1971. VIII, 177 S. 8° =
Society for New Testament Studios, Monograph Series,
cd. by M. Black, 16. Lw. « 4,60.

Diese Monographie ist hauptsächlich unter Leitung von
Prof. N. A. Dahl entstanden; der Vf. lehrt jetzt an der
Indiana University in Bloomington/lnd. Sein Ausgangspunkt
ist eine Beobachtung von E. Käsemann, daß nämlich der
Epheserbricf wie ein Mosaik von längeren und kürzeren
Traditionselcmenten erscheint. Der Vf. glaubt, daß diese
vor allem jüdischer Herkunft sind und schon vor Abfassung
des Eph bereit lagen (9. 2f, Anm. 1). Näherhin will er in
dem viel erörterten Abschnitt 5,21-33 fünf solche aus
Traditionsmatcrial stammende Elemente erkennen: die
Haustafel-Form, die Benutzung von Lv 19,18, den Hieros
Gamos, die Terminologie von Haupt, Leib und Gliedern,
schließlich Traditionen über Reinheit. Dieses Material studiert
er nach einem Überblick über Inhalt und Aufbau des
Schreibens (6-15) in dem wichtigen Abschnitt S. 16-76.

Die literarische Form der „Haustafel" ist sicher unbc
streitbar (obwohl nicht unbestritten, der Vf. nennt E. J.
Goodspeed). Auf die religionsgeschichtliche Herkunft geht
der Vf. nicht ein; für seine These wären die Bemerkungen
von P. Stuhlmacher in EvTh 28 (1968) 178 f, Anm.-Text,
beachtlich gewesen, daß die im hellenistischen Judentum
nachweisbare Form stärker, als man für gewöhnlich meint,
mit dem Tafelschema zusammenhängt. Bei einem Vergleich
der Haustafel von Kol und Eph äußert der Vf. Zweifel, ob
die von Kol ursprünglicher ist (24). Das scheint mir unbc
gründet zu sein, da der Autor von Eph den Kol-Brief sicher
gekannt hat. - Neu ist die Auffassung, daß hinter Eph 5,
33 a das Gebot der Nächstenliebe Lv 19,18 b stehen soll.
Der Vf. begründet das mit jüdischen Traditionen: Im
Hohenlied LXX rede der Bräutigam die Braut neun Mal mit
f| TtXrioCov lov an, und ein reiches tannaitisches Material
bezeuge, wie stark Lv 19,18 für Ehcprobleme herangezogen
wurde (30 f). Auch die im Zusammenhang schwierigen Verse
28 f würden auf diese Weise verständlich. Diese für den
jüdischen Hintergrund interessante Perspektive ist beachtlich
; ob sie dem Autor von Eph bewußt war, ist mir
fraglich, da sich für ihn die Gedanken von V. 28 f an das
Vorbild Christi anschließen und im Gn-Zitat von V. 31, das
auf Christus und die Kirche gedeutet wird, einen weiteren
Grund finden („ein Fleisch"). Den Hieros Gamos verwurzelt
der Vf. ebenfalls ganz im AT, besonders in Ez 16. Schwieriger
ist ein Anhalt der eigenwilligen Exegese von Gn 2, 24
in Eph 5, 31 f an jüdischer Auslegungstradition zu gewinnen
; die allegorische Exegese Philos geht in andere Rieh
tung (53 ff). Der Vf. will eine Brücke in Sir 13,15-16 finden,
wo eine Verbindung von Lv 19,18 und Gn 2, 24 erkennbar
werde (?), ferner in 1 Esr4,20-21 (Verbindung vonGn 2,24
und Ps 45) und an einigen anderen Stellen. Aber diese
Brücken scheinen mir schwach zu sein. Warum soll man die
Anwendung von Gn 2, 24 auf das Verhältnis Christus - Kirche
nicht dem spekulativ begabten christlichen Theologen zutrauen
, als den sich der Autor von Eph erweist? Seine
christologische Deutung ist auch für das Zitat in 4, 8 offensichtlich
. Den Anstoß zu seiner originalen Deutung kann
ihm allerdings die flexible jüdische Exegese (mit der er
auch in 4,8 vertraut erscheint) gegeben haben. - Am