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Ausgabe:

1973

Spalte:

519-522

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Suggs, Marion Jack

Titel/Untertitel:

Wisdom, christology, and law in Matthew's gospel 1973

Rezensent:

Strecker, Georg

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Thcologiiche Literaturzeitung 98. Jahrgang 1973 Nr. 7

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mit einem judenchristlich gesinnten Flügel gehabt habe.
Er versucht mit ihr der Tatsache Rechnung zu tragen, dari
die Texte mit ihren christologischen Motivierungen (2, 17.
19 f. 25-29) und darüber hinaus das, was wir heute über
die Stellung des Judenchristentums zum Judentum wissen,
eine Lokalisierung der Streitgespräche in der frühen Aus
einandersetzung zwischen Gemeinde und Judentum, wie sie
die ältere Formgeschichte vorgenommen hatte, unmöglich
machen. Könnte eine Deutung von 2,18 ff und 23-28 auf
innergemeindliche Auseinandersetzungen noch diskutabel
sein, so muß sie bei 2,1-12 und 2,13-17 m. E. von vornherein
ausscheiden. Denn die Möglichkeit, daß Sünden
Vergebung auf Erden im Namen Jesu (bzw. des Menschen
sohnes 2,6), in der Urgemeinde jemals kontrovers gewesen
sein könnte, scheidet schon angesichts der Tatsache aus,
daß die Taufe auf Jesus in der Urgemeinde von An'ang
an geübt worden ist. Und wenn Kuhn hinter 2,13-17 eine
Kontroverse um Tischgemeinschaft zwischen Heidenchristen
und Judenchristen erschließen will, so wird das auch durch
den Verweis auf den Antiochia-Zwischenfall (Gal 2, 11 ff)
nicht plausibler. Denn, auf diesen Kontext bezogen, würd 1
Mk 2,17 ja gerade nicht die Tischgemeinschaft in der
Gemeinde, sondern geradezu die Exkommunikation ihres
judenchristlichen Flügels motivieren!

Der mit Abstand schwächste Teil des Buches ist die
Studie IV über Mk 4, 35-6, 52. Denn hier bleibt der Vf.
deutlich hinter seinem eigenen Methoden-Katalog zurück,
indem er, statt gemeinsame formale Kriterien für die hier
behandelten Wundergeschichten zu erarbeiten, lediglich
einige Motive höchst unterschiedlichen Stellenwertes nennt,
die seiner Meinung nach die Annahme einer Sammlung
von Wundergeschichten vom Theios-aner-Typus bereits
rechtfertigt. Der Vf. setzt die Existenz dieses christilo
gischen Typus unkritisch voraus, statt die nach wie vor
unerledigte Aufgabe seiner Verifikation anhand einer exakten
Analyse der in Frage kommenden Mk-Texte in Angriff
zu nehmen. Er schließt sich damit der in jüngster Zeit in
den Arbeiten der „Heidelberger Schule" häufig zu beobachtenden
vorschnellen Kanonisierung der Thesen von
Dieter Georgi an.

Ließe sich die Entstehung der StreitgesprächsarrmUmg
Mk 2 nicht letzten Endes doch leichter erklären, wenn man,
unter Verzicht auf eine gewaltsame Synchronisation mit der
nachösterlichen Gemeinde, in ihr doch bis zu einem gewis
sen Grade den Niederschlag einer historisierenden Frage
Stellung sehen würde? Die Gemeinde hätte dann hier eine
Reihe von Stücken zusammengetragen, die in paradigma-
tischer Weise die Auseinandersetzung des irdischen Jesus
mit dem Judentum darstellten und so eine Antwort auf die
Frage nach dem Hintergrund des Geschehens von Golgatha
geben konnten. Blickrichtung und Intention des Evangelisten
waren damit in diesem von ihm übernommenen
Baustein bereits vorweggenommen. Daß es zur Entwicklung
der Literaturform des Evangeliums kam, ist ja kaum verständlich
ohne die Annahme, daß es bereits vor Mk Traditionskomplexe
gab, die in Richtung auf eine solche historisierende
Darstellung der Geschichte Jesu drängten.

Hamburg Jürgen Roloff

uggs, M. Jack: Wisdom, Christology, and Law inMatthew s
Gospel. Cambridge, Mass: Harvard University Press 1970.
XII, 132 S. 8°. Lw. $ 6,-.

Die vorliegende Arbeit ist als "by-produet" einer noch
nicht veröffentlichten Analyse der Beziehungen von weis
heitlichem und apokalyptischem jüdischem Denken entstanden
. Dies impliziert, daß die Untersuchung des Verfassers
den genannten religionsgeschichtlichen Hintergrund mit
einbezieht. Besagt doch seine These, „daß die Weishsits-
spekulation eine bedeutende Strömung in der christlichen

Umwelt des Matthäus gewesen ist und daß Matthäus daran
lebhaft Anteil hatte" (S. 130). So wird es durch eine Gegenüberstellung
der in diesem Zusammenhang relevanten Aussagen
des Matthäus-Evangeliums und der Logienquellc
nachzuweisen versucht, um durch solche Konfrontation das
genuin-matthäische Verständnis der christlichen Weisheitsüberlieferung
zurückgewinnen zu können.

Die Frage nach dem Verhältnis der Logiensammlung zur
Weisheitsüberlicferung (c. I: Spuren einer Weisheitsspekulation
in Q; S. 4-29) erfordert zunächst die Untersuchung
der „literarischen Form" der Q-Quelle. Sie erfolgt durch
einen Vergleich mit a) dem Thomas-Evangelium, das am
„Übergangspunkt der Entwicklung einer Gattung, die aus
der Geschichte des Judentums und des frühen Christentums
herkommt und zum Gnostizismus tendiert", cingeordnel
wird, und mit b) Sammlungen von Weisheitsworten im
Alten Testament und in der jüdischen Literatur. Was die
literargeschichtliche Position der Q-Quelle angeht, so möchte
Vf. sie mit Recht unter Berücksichtigung des zweiten der
eben genannten Orientierungspunkte ausmachen, so daß
auch das Problem, ob bereits die Q-Quelle eine gnostisic-
rende Interpretation „erlaubte" oder „nahe legte", zurückhaltend
beurteilt und schon gar nicht durch Konstatierung
von „gnostischen Tendenzen" in der Q-Quelle gelöst wird
(S. 11 ff.). Vf. möchte demgegenüber solche Fragestellung
auf das Problem der Beziehung der Q-Quelle zur Weisheitsüberlieferung
einschränken, wie insbesondere durch den
Nachweis der Gattung der Weisheitsorakel in der Q-Über-
lieferung dargelegt werden soll. Q ist danach in die
Entwicklungslinie einzuordnen, die vom gnostisicrenden
Judentum der „Weisheit Salomos" zum Gnostizismus des
2. Jahrhunderts führt (S. 13). Dabei wird der Einfluß der
Weisheitstradition auf die Logiensammlung zunächst durch
eine Untersuchung von Lk 11,49-51 par. Mt 23,34 -36
aufgezeigt, einem Abschnitt, den Vf. als Gerichtsorakel der
personifizierten Weisheit verstehen möchte; ursprünglich
sei dieser Passus Bestandteil einer verlorengegangenen
Weisheitsapokalypse gewesen (vgl. hierzu Prov 1,20 ff.);
im Zusammenhang der Q-Überlieferung sei er auf Jesus
bezogen und dieser mit dem letzten der hingerichteten
Propheten der Weisheit identifiziert worden (S. 27).

Dem entspricht die Darstellung Johannes' und Jesu
in der Perikope Mt 11, 2-19 par. Lk 7,18-35, die trotz
matthäischer und lukanischer Einschübe im großen und
ganzen als Einheit auf die Q-Quelle zurückgeführt wird
(c. II: Jesus Christus, die Weisheit Gottes; S. 30-61). Hier
gelten Johannes und Jesus als die eschatologischen Boten
der Weisheit Gottes, die beide von ihrer Generation das
Schicksal der Zurückweisung erleiden. So motiviert es die
Q-Quelle durch die Einreihung der beiden Boten in die
Folge der Propheten (S. 44 f.). Andererseits ist in Q eine
deutliche Unterordnung des Johannes unter Jesus ausgesprochen
; denn wenn auch Johannes mit Elia identifiziert
wird, so ist Jesus doch als Bote der Weisheit zugleich der
Menschensohn, der von der Gemeinde als der Erhöhte
geglaubt und als der Künftige erwartet wird (5. 45 ff ).
Diese Linie der christologischen Interpretation der Person
Jesu wird durch Matthäus aufgenommen und fortgeführt:
Im ersten Evangelium gilt Jesus nicht als Gesandter der
Weisheit, sondern als Person gewordene Weisheit, wie die
Gleichsetzung der „Taten des Christus" mit den „Werken
der Weisheit" (11, 2.19; vgl. 23, 34) deutlich macht (S. 57).
Vf. wird von hier aus zu einer Parallelisierung Matthäus
Paulus geführt, da Paulus - ähnlich wie Matthäus gegenüber
der Q-Tradition - in Konfrontation zu einer gegneri
sehen Weisheitsspekulation, die Christus als Lehrer der
Weisheit verstanden habe, Weisheit und Christus identifizierte
(S. 60 f.) - was freilich, wenn man den Voraus
Setzungen dieser These zustimmt, nur eine formale Parallele
wäre, da die sachliche Interpretation durch Matthäus und
durch Paulus in je verschiedener Weise erfolgte.